Sachse Freitag ist Topfavorit
Stoch ist Titelverteidiger, Ahonen Rekordsieger, Kasai mit 45 der Älteste im Feld
Unglaubliche 16 Jahre nach Sven Hannawalds nie wieder erreichtem Grand Slam schicken sich die Deutschen um Richard Freitag (Aue) wieder an, bei der Tournee ein Wörtchen mitzureden. Hier sind die wichtigsten Fakten zu den Springen in Oberstdorf, Garmisch, Innsbruck und Bischofshofen.
Der Titelverteidiger Kamil Stoch (Polen) hat alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Er ist Olympiasieger, Weltmeister, Gesamt-Weltcupsieger und seit dem Vorjahr auch Tournee-Sieger. Er gewann vor seinem Landsmann Piotr Zyla und dem Norweger Daniel Andre Tande.
Die Favoriten Topfavorit ist Richard Freitag. Er gewann drei der sieben Saisonspringen, zuletzt stand er fünfmal in Folge auf dem Podest. Er kommt als Führender des Gesamtweltcups zur Tournee. Direkt hinter ihm liegt Teamkollege Andreas Wellinger, ebenfalls ein Kandidat für den Gesamtsieg. Weitere Favoriten: Der Österreicher Stefan Kraft (Sieger 2014/15), Stoch und Tande.
Fakten & Zahlen
Überraschungen Die haben Tradition! Thomas Diethart (2013/14) und Stefan Kraft waren ohne jeden Weltcup-Sieg in die Tournee gegangen - und gewannen. Eine ähnliche Rolle könnten vielleicht der Japaner Junshiro Kobayashi (ein Weltcupsieg), Markus Eisenbichler oder der Pole Dawid Kubacki spielen.
Deutscher Rückblick Die vergangenen Jahre liefen fast immer enttäuschend. Einzig Severin Freund sorgte 2015/16 für Topergebnisse, als er bei allen vier Stationen auf dem Podest stand, den Auftakt in Oberstdorf gewann. Damals holte sich der Slowene Peter Prevc den Gesamtsieg. Nur Freund und Freitag (2015 in Innsbruck) gewannen überhaupt ein Einzelspringen nach Hannawald.
Preisgeld Für einen Weltcup-Sieg gibt es 8 500 Euro. Der Gesamtsieger bekommt nochmal 18 300 Euro mickrig im Vergleich zu anderen Sportarten. Aber bei der Tournee zählt das Prestige mehr.
Rekordsieger Das ist der Finne Janne Ahonen mit fünf Erfolgen - 1999, 2003, 2005, 2006 und 2008. Bester Deutscher ist Jens Weißflog mit vier Triumphen (1984, 1985, 1991, 1996).
Der Oldie Noriaki Kasai (Japan) ist 45. Seine Premiere feierte er 1989, da war die Mauer gerade gefallen, Freitag und Wellinger waren noch nicht geboren. Er geht in seine 27. Tour.
Was ist anders? Im Gegensatz zu anderen Weltcups wird der erste Durchgang seit 1995 im K.o.-Modus ausgetragen. Die 50 qualifizierten Athleten werden in 25 Paare unterteilt und treten in direkten Duellen gegeneinander an. Die Sieger schaffen es direkt in den zweiten Durchgang. Das gilt auch für die fünf besten Verlierer („Lucky Loser“). Eine Neuerung gibt es in der Qualifikation: Seit dieser Saison sind die zehn besten Springer des Gesamtweltcups nicht mehr automatisch für den Wettkampf qualifiziert. Thomas Nahrendorf
OBERSTDORF - Richard Freitag kennt die engen Gassen von Oberstdorf inzwischen aus dem Effeff. Die warmen Bäckereien, die kleinen Kapellen, das Allgäuer Idyll. Als erster deutscher Skispringer seit Sven Hannawald kann und will er die Vierschanzentournee gewinnen. Der Startschuss fällt morgen direkt vor seiner Haustür.
„Ich bin einer aus dem Erzgebirge, der zurzeit in Bayern wohnt“, sagt Freitag. Im Sommer war der 26-Jährige mit seiner Schwester Selina (16), einer ebenfalls talentierten Skispringerin, nach Oberstdorf gezogen. Seither zeigt die Formkurve steil bergauf. Schon drei Siege in dieser Saison, die Führung im Gesamtweltcup: Freitag ist in der Form seines Lebens. Erstmals in seiner Karriere geht er nun als Topfavorit in ein Großereignis.
Der neue Lebensmittelpunkt ist freilich nur ein Grund von vielen für den Aufschwung. Dabei befand sich Freitag, der in Erlabrunn im gleichen Krankenhaus wie Sven Hannawald und Jens Weißflog geboren wurde, zuletzt im Sinkflug. 2011 hatte er seinen ersten Weltcup-Sieg geholt.
Bei Olympia 2014 musste er dann zusehen, wie Severin Freund, Andreas Wellinger, Marinus Kraus und Andreas Wank Team-Gold gewannen. Sein Sieg beim Tourneespringen in Innsbruck im Januar 2015 war für fast drei Jahre sein letzter. Schuster bezeichnete Freitags Entwicklung noch vergangene Saison als „stabil rückläufig“.
Doch „Richie“kämpfte sich zurück. „Manchmal musst du einfach aufstehen und weitermachen, so war es bei mir auch.
Topfavorit
Irgendwas musste passieren. Das konnte so nicht weitergehen“, sagt er. Im Herbst kam plötzlich die Form zurück, und gleich nach dem ersten Sprung der Saison in Wisla lag Freitag in Führung. Seither fliegt der einstige Flattermann mit einer beängstigenden Konstanz.
Daran ist nicht nur Oberstdorf schuld, sondern auch seine technischen Umstellungen. Er arbeitete an seiner Absprungtechnik, stand immer wieder vor dem Spiegel in der Anfahrtshocke, lernte die für ihn perfekte Haltung. Früher sprang er schräg ab, musste in der Luft korrigieren. Ehe sein System stand, war er schon am Boden. Mit der veränderten Hocke änderte er auch seinen Stil. Freitag springt vom Tisch nicht mehr so sehr nach oben ab wie früher, sondern mehr nach vorn. So nimmt er mehr Geschwindigkeit mit. Freitag nimmt so sein Flugsystem sehr schnell ein und das nutzt er.
Mental ist er lockerer geworden, souveräner. Misserfolge werfen ihn nicht mehr aus der Bahn. Doch ab morgen will er Erfolg und dem Krankenhaus in Erlabrunn den dritten Tourneesieger bescheren.
Thomas Nahrendorf