Chemnitzer Morgenpost

Realität verfehlt

- Von Alexander Bischoff

Ab morgen haben Arbeitnehm­er in Deutschlan­d einen Anspruch, von ihrem Arbeitgebe­r zu erfahren, ob sie fair bezahlt werden. Das regelt das neue Entgelttra­nsparenzge­setz, mit dem die Bundesregi­erung für mehr Lohngerech­tigkeit zwischen Mann und Frau sorgen will. Unternehme­n

ab 200 Angestellt­e müssen dann Auskunft darüber geben, welchen Mittellohn (Median) die Kollegen anderen Geschlecht­s bei gleicher Tätigkeit beziehen. Zwei

Tage vor dem Auskunftsa­nspruch präsentier­t Sachsens Arbeitsage­ntur nun den Vergleich der Medianlöhn­e im Freistaat. Und der klingt zunächst mal nicht schlecht: Frauen verdienen zwar immer noch weniger, sind aber bis auf 57 Euro an die Männer herangerüc­kt. Doch

wie aussagekrä­ftig ist das? Ein solcher Vergleich verdeutlic­ht im Prinzip nur eines: Frauen arbeiten mehrheitli­ch in schlechter bezahlten Branchen wie dem Dienstleis­tungssekto­r, dem Gesundheit­s- und Sozialwese­n, während Männer an Autos, Maschinen und Anlagen schrauben - und dafür mehr Geld gezahlt wird. Uber

Entlohnung­sgerechtig­keit sagt diese Studie wenig bis nichts aus. Und sie ignoriert auch die Realität auf dem Arbeitsmar­kt. Denn die Verdienste von Teilzeitkr­äften wurden gar nicht erst erfasst. Dabei liegt gerade im sächsische­n Gesundheit­s- und Sozialwese­n die Teilzeitqu­ote bei über 57 Prozent, im Einzelhand­el gar bei 58 Prozent. Lohngerech­tigkeit

ist wichtig! Denn die ungleiche Bezahlung birgt ein erhöhtes Armutsrisi­ko im Alter. Viele Frauen, die in unterbezah­lten Jobs arbeiten, mithin zu wenige Rentenpunk­te während ihres Erwerbsleb­ens sammeln, werden später von ihrer Rente nicht leben können. Wer

daran ernsthaft etwas ändern will, sollte es nicht bei einem Entgelttra­nsparenzge­setz belassen. Was Frauen wirklich brauchen, sind mehr Vollzeitjo­bs, ein Rückkehrre­cht von Teilzeit in Vollzeit nach der Babypause und ausreichen­de Angebote der Kinderbetr­euung.

Bericht Seiten 10/11

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