Chemnitzer Morgenpost

SPD ächzt Ja zu Verhandlun­gen

- Von Friedrich Schwarz

G erade mal eine Minute nicht gerade enthusiast­ischen Applaus bekam SPD-Chef Schulz von den Delegierte­n für seine rund einstündig­e Rede - sehr wenig für einen Bundespart­eitag. Kevin Kühnerts neuneinhal­bminütiger Aufruf, nicht wieder in eine GroKo zu gehen, brachte dem Juso-Vorsitzend­en dagegen reichlich Beifall ein - und ließ die SPD-Spitze zittern. A uch wenn der „Zwergenauf­stand“am Ende noch mal abgewehrt wurde - der knappe Etappensie­g macht es für Schulz nicht leichter. Der Parteitag von Bonn zeigt einmal mehr: Die gute alte Tante SPD ist tief gespalten, verzagt und verunsiche­rt - die Voraussetz­ungen für die Verhandlun­gen über eine Neuauflage der GroKo sind denkbar schlecht. N un gilt es für die Ober-Genossen, wenigstens noch einiges an sozialdemo­kratischen Herzensanl­iegen in einem Koalitions­vertrag mit der Union unterzubri­ngen. Ansonsten könnten sich die „Zwerge“bei der abschließe­nden Abstimmung der Parteimitg­lieder doch noch durchsetze­n - und ein Bündnis der SPD mit CDU/CSU zu Fall bringen. Denn richtig abgerechne­t wird ja bekanntlic­h erst am Schluss ... BONN - Es ist schon je z ie längste Regierungs­bildung in der Geschichte der Bundesrepu­blik. Nun flackert Licht am Ende des Tunnels auf. Nach einer Zitterpart­ie fällt die SPD einen staatstrag­enden Beschluss.

Vier Monate nach der Bundestags­wahl hat die SPD mit knapper Mehrheit den Weg zu Koalitions­verhandlun­gen mit der Union frei gemacht. Nach einer emotionsge­ladenen Debatte stimmten auf dem Parteitag 362 (56,4 Prozent) von 642 Delegierte­n und Vorstandsm­itgliedern dafür. Die Verhandlun­gen über eine Neuauflage der Großen Koalition können damit in den nächsten Tagen beginnen und im besten Fall bereits im Februar abgeschlos­sen werden. Danach muss aber noch eine hohe Hürde überwunden werden: Die mehr als 440 000 SPD-Mitglieder stimmen über den Koalitions­vertrag ab und haben damit das letzte Wort.

Parteichef Martin Schulz (62) hatte in einer kämpferisc­hen Rede für die GroKo geworben. Kurz vor der Abstimmung trat er nochmals ans Rednerpult und sprach von einem „Schlüsselm­oment“in der Geschichte der SPD. „Ich glaube, dass die Republik in diesem Moment auf uns schaut“, sagte er. „Ja, man muss nicht um jeden Preis regieren, das ist

ric . ber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“

Sein schärfster Widersache­r Kevin Kühnert (28) hatte an die Genossen appelliert, trotz weitreiche­nder Folgen nicht vor einem Nein zurückzusc­hrecken. Der Leitspruch des Juso-Chefs für die Abstimmung: „Heute einmal ein Zwerg sein, um künftig wieder Riese sein zu können.“Damit spielte er auf CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt (47) an, der den Jusos einen „Zwergenauf­stand“vorgeworfe­n hatte.

Schulz kündigte nach dem Ja des Parteitags harte Koalitions­verhandlun­gen an. Es sei wichtig, dass die SPD nun zusammenha­lte. Sachsens SPD-Chef Martin Dulig (43) äußerte sich erleichter­t darüber, „nicht vor Verantwort­ung wegzurenne­n“. Und Kanzlerin Angela Merkel (63, CDU) bekräftigt­e, die Union strebe eine stabile Regierung an.

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Anspannung bei SPD-Fraktions-Chefin Andrea Nahles (47) und Parteichef Martin Schulz (62) auf dem Bundespart­eitag in Bonn.
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Lehrte der Partei-Spitze das Fürchten mit seiner kämpferisc­hen Anti-GroKo-Rede: Juso-Chef Kevin Kühnert (28).

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