SPD ächzt Ja zu Verhandlungen
G erade mal eine Minute nicht gerade enthusiastischen Applaus bekam SPD-Chef Schulz von den Delegierten für seine rund einstündige Rede - sehr wenig für einen Bundesparteitag. Kevin Kühnerts neuneinhalbminütiger Aufruf, nicht wieder in eine GroKo zu gehen, brachte dem Juso-Vorsitzenden dagegen reichlich Beifall ein - und ließ die SPD-Spitze zittern. A uch wenn der „Zwergenaufstand“am Ende noch mal abgewehrt wurde - der knappe Etappensieg macht es für Schulz nicht leichter. Der Parteitag von Bonn zeigt einmal mehr: Die gute alte Tante SPD ist tief gespalten, verzagt und verunsichert - die Voraussetzungen für die Verhandlungen über eine Neuauflage der GroKo sind denkbar schlecht. N un gilt es für die Ober-Genossen, wenigstens noch einiges an sozialdemokratischen Herzensanliegen in einem Koalitionsvertrag mit der Union unterzubringen. Ansonsten könnten sich die „Zwerge“bei der abschließenden Abstimmung der Parteimitglieder doch noch durchsetzen - und ein Bündnis der SPD mit CDU/CSU zu Fall bringen. Denn richtig abgerechnet wird ja bekanntlich erst am Schluss ... BONN - Es ist schon je z ie längste Regierungsbildung in der Geschichte der Bundesrepublik. Nun flackert Licht am Ende des Tunnels auf. Nach einer Zitterpartie fällt die SPD einen staatstragenden Beschluss.
Vier Monate nach der Bundestagswahl hat die SPD mit knapper Mehrheit den Weg zu Koalitionsverhandlungen mit der Union frei gemacht. Nach einer emotionsgeladenen Debatte stimmten auf dem Parteitag 362 (56,4 Prozent) von 642 Delegierten und Vorstandsmitgliedern dafür. Die Verhandlungen über eine Neuauflage der Großen Koalition können damit in den nächsten Tagen beginnen und im besten Fall bereits im Februar abgeschlossen werden. Danach muss aber noch eine hohe Hürde überwunden werden: Die mehr als 440 000 SPD-Mitglieder stimmen über den Koalitionsvertrag ab und haben damit das letzte Wort.
Parteichef Martin Schulz (62) hatte in einer kämpferischen Rede für die GroKo geworben. Kurz vor der Abstimmung trat er nochmals ans Rednerpult und sprach von einem „Schlüsselmoment“in der Geschichte der SPD. „Ich glaube, dass die Republik in diesem Moment auf uns schaut“, sagte er. „Ja, man muss nicht um jeden Preis regieren, das ist
ric . ber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen.“
Sein schärfster Widersacher Kevin Kühnert (28) hatte an die Genossen appelliert, trotz weitreichender Folgen nicht vor einem Nein zurückzuschrecken. Der Leitspruch des Juso-Chefs für die Abstimmung: „Heute einmal ein Zwerg sein, um künftig wieder Riese sein zu können.“Damit spielte er auf CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (47) an, der den Jusos einen „Zwergenaufstand“vorgeworfen hatte.
Schulz kündigte nach dem Ja des Parteitags harte Koalitionsverhandlungen an. Es sei wichtig, dass die SPD nun zusammenhalte. Sachsens SPD-Chef Martin Dulig (43) äußerte sich erleichtert darüber, „nicht vor Verantwortung wegzurennen“. Und Kanzlerin Angela Merkel (63, CDU) bekräftigte, die Union strebe eine stabile Regierung an.