Bund prüft kostenlosen Nah verkehr
BERLIN - Dürfen wir in deutschen Städten bald alle kostenlos Bus und Bahn fahren? Die Bundesregierung denkt über die Umsonst-Variante nach. Auslöser ist eine drohende Klage der EU-Kommission wegen zu hoher Schadstoff-Werte.
Mit dem Kostenlos-Angebot erwägt der Bund zusammen mit Ländern und Kommunen, die Zahl privater Fahrzeuge zu verringern und die Luft in den Städten zu verbessern. Das geht aus einem Brief von Umwelt-
ministerin Barbara Hendricks (65, SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (60, CSU) und Kanzleramts-Chef Peter Altmaier (59, CDU) an EU-Umweltkommissar Karmenu Vella (67) hervor.
Bislang gibt es in Deutschland nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) keinen kostenlosen Nahverkehr. „Wir sehen das auch sehr kritisch“, sagte eine VDV-Sprecherin. Mit rund zwölf Milliarden Euro jährlich finanzierten sich die Verkehrsbetriebe etwa zur Hälfte aus dem Ticketverkauf. „Das müsste am Ende der Steuerzahler finanzieren.“Weitere Milliarden wären nötig für neue Busse, Bahnen und Personal. Denn: „Wir hätten bei einem kostenlosen Angebot einen enormen Fahrgastzuwachs.“
Von den beteiligten Ministerien gab es zunächst keine Stellungnahme. Die Wirksamkeit der Initiativen für eine bessere Luft soll in fünf „Modellstädten“getestet werden - in Bonn, Essen, Herrenberg (BaWü), Reutlingen und Mannheim.
Der Städtetag (DST) erwartet von der Bundesregierung Klarheit, wie das Gan- ze finanziert werden soll. DST-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy (59) äußerte sich überrascht über den Vorstoß der Bundesregierung: „Die Idee, Tickets im Nahverkehr günstiger zu machen, gibt es in der Tat in einigen Städten. Wer kostengünstigen Nahverkehr will, muss das aber auch finanzieren können. Das gilt erst recht für kostenlosen Nahverkehr. Wenn also der Bund jetzt den Vorschlag macht, über solche Wege nachzudenken, erwarten wir eine klare Aussage, wie das finanziert werden soll.“