Was an der sächsischen Legende wirklich dran ist
Von Torsten Hilscher SCHWARZENBERG - Die Geschichte klingt zu schön: Das erzgebirgische Schwarzenberg gründet nach dem Zweiten Weltkrieg eine eigene Republik und trotzt 42 Tage der Welt drum herum. Falsch, heißt es nun in einem Buch.
Autorin Lenore Lobeck hat jahrelang in Archiven gegraben. Heraus fand sie, dass in der Zeit der Unabhängigkeit zwischen Mai und Juni 1945 die Kommunisten bereits heftig regierten. Die hatten den Recherchen zufolge schon am 12. Mai „putschartig“die Macht im Rathaus von Schwarzenberg übernommen, der Bürgermeister wurde abgesetzt. Es begannen willkürliche Verhaftungen Unschuldiger.
Und wo saßen die Alliierten? Nebenan. „Die Amerikaner waren in Auerbach und Zwickau stationiert, die Kommandantur der Roten Armee befand sich in Annaberg“, schreibt Lobeck. Das Gebiet dazwischen war bis zum 8. Mai, dem Tag der Kapitulation, noch nicht befreit worden, danach war es nicht mehr nötig. Daher die „Leerstelle“im Landkreis Schwarzenberg. Doch anders als gern dargestellt, habe in der Gegend bis zum 8. Mai keineswegs Chaos geherrscht, so das Buch. Am 8. Mai selbst seien die Amerikaner sogar im Rathaus anwesend gewesen. In der Stadt und im Landkreis gab es Dauer-Patrouillen.
Dass die Legende bis heute lebt, ist rührigen Heimatvereinen, naiven Künstlern (sie prägten 1996 den Zusatz „Freie Republik“) und originellen Militaria-Verbünden zu verdanken. Vor allem aber dem Roman des Schriftstellers Stefan Heym (1913-2001). Der jüdische Emigrant mit bürgerlichem Namen Helmut Flieg war als US-Offizier nach Deutschland heimgekehrt und später als bekennender Kommunist aktiv. In seinem 1984 erschienenen Buch formt er das Geschehen aus damals zugänglichem, geschöntem Material, Aussagen des roten Ex-Polizeichefs sowie unter erzählerischen Gesichtspunkten - als Utopie. Selbst das jüngste literarische Werk, Volker Brauns „Im schwarzen Berg“von 2004, fällt auf linke Legendenbildungen herein, konstatiert Lobeck.