„Wir brauchen den nächsten Masterplan!“
WATUTINKI - Das Quartier in Watutinki ist verlassen. Jogis Jungs sind weg, die Aufräumarbeiten aber sind noch im Gang.
Kabel werden zusammengerollt, die meterhohen Werbefotos mit Özil und dem Bundestrainer abgehängt und verpackt, das Pressepodium wird abgebaut. Gabelstapler fahren umher, Kleinlaster werden beladen. Aber Watutinki wird dennoch ein Fanal für das missratene deutsche WM-Unternehmen bleiben. Diese Unterkunft, der Joachim Löw schon beim Bezug „den Charme einer guten, schönen Sportschule“zuschrieb. Sie trug bei zum negativen Geist einer Mannschaft, die in Russland hilflos unterging.
Der „Ungeist von Watutinki“offenbart auch die Disharmonien zwischen Löw und Kompagnon Oliver Bierhoff, die in der Quartierfrage schon lange vor dem WM-Desaster über Kreuz lagen. Haben auch sie als Duo noch eine gemeinsame DFB-Zukunft? Hinterfragen müssen sich beide, aber ganz gewiss auch der Teammanager. Löw und Bierhoff. Zwei Männer, die viel bewegt haben beim Nationalteam. Sie verantworten eine große Vergangenheit und eine missglückte Gegenwart.
Bierhoff jedenfalls will sich von „einem Misserfolg“nicht alles zerreden lassen. „Es ändert nichts an dem, was die Spieler, Trainer und auch ich in den letzten 14 Jahren geleistet haben.“Der inzwischen 50-Jährige hat sich jedenfalls anders entwickelt als sein Trainer. Bierhoff ist inzwischen DFB-Direktor, eine Art Superminister. Über 100 Mitarbeiter, Millionenetat, ein Macht- und Kraftzentrum in der Frankfurter Verbandszentrale. Sein Einfluss wuchs von Jahr zu Jahr, sein Vertrag wurde von DFB-Präsident Reinhard Grindel bis 2024 verlängert. Sein Denkmal schafft sich Bierhoff gerade: Die über 150 Millionen Euro teure DFBAkademie in Frankfurt/Main.
„Wir brauchen den nächsten Masterplan“, sagte Bierhoff schon Anfang März. Er warnte lange im Voraus als Erster vorm Weltmeister-Fluch, den das DFB-Team nach Frankreich 2002, Italien 2010 und Spanien 2014 dann mit dem Vorrunden-Aus in Russland fortschrieb. Mit seinem Spieler-Gen erkannte der ehemalige Kapitän früh Fehlentwicklungen. Stoppen konnte er sie nicht. Bierhoffs Leitmotiv lautet: „Wer mich kennt, weiß, dass Stillstand nicht mein Ding ist.“