„Die Kampfsau will noch einen auspacken“
BERLIN - Diskus-Star Robert Harting hat es trotz aller Widrigkeiten zur EM in seinem „Wohnzimmer“geschafft. Dort, wo 2009 alles begann, soll seine große Karriere mit einem letzten Hurra enden.
Wenn es Nacht wird in Berlin, hat Robert Harting zurzeit ohnehin seinen großen Auftritt. Als Lichtgestalt schaut er dann über seine Stadt, überlebensgroß projiziert auf die Fassade des Upper-West-Hochhauses am Bahnhof Zoo. „Krasse Aktion, es ehrt mich sehr“, meinte der Star.
Der 33-Jährige ist das Gesicht dieser EM in Berlin, doch er ist nicht mehr der Robert Harting von einst. Der Robert Harting, der 2009 im Olympiastadion seinen ersten von drei WM-Titeln in Serie gewann, sich im Glückstaumel sein Trikot vom Leib riss und drei Jahre später seine Karriere mit Olympia-Gold in London krönte.
„Das war das anstrengendste Jahr in meinem Leben“, gestand er jetzt mit Blick auf seine letzten Monate. Er ist nach zahlreichen Verletzungen und ständigen Schmerzen nicht mehr der Chef im Ring. Doch der Kreis soll sich im Olympiastadion schließen. „Da brauche ich auch die Zuschauer, die Atmosphäre. Der Tag muss stimmen“, so Harting: „Es müssen viele Sachen stimmen. Früher war ich unabhängiger von solchen Faktoren.“
Früher, also vor seinem Kreuzbandriss im Herbst 2014. Seitdem kann Harting, der rund 120 Kilo schwere und 2,01 m große Koloss, den Verschleiß an seinem Körper nicht mehr kaschieren. Fast hätte er es gar nicht zu seiner letzten EM geschafft, doch irgendwie trotzte Harting mit eisernem Willen allen Widerständen (Riss der Quadrizepssehne im rechten Knie) und löste das Ticket mit einem dritten Platz bei der DM. Und insgeheim liebäugelt der Seriensieger von einst wieder mit einer Medaille
Leichtathletik
„Ich kann nicht mehr die Spitze verteidigen. Ich werde aber schon den einen oder anderen Ritter darstellen, der wehrhaft ist und kurz nochmal Ansprüche stellt“, so Harting, für den heute die Qualifikation ansteht, um das große Finale morgen (20.20 Uhr/ARD und Eurosport) zu erreichen. Auf dem Papier haben sein Bruder, Rio-Olympiasieger Christoph Harting (67,59 m), sowie der Olympia-Dritte Daniel Jasinski (66,59) aber sicher bessere Chancen auf eine Medaille im Kampf gegen Weltmeister Andrius Gudzius (69,59/Litauen) und den starken Schweden Daniel Stahl (69,11). Der Altmeister liegt mit seinen 65,13 m nur auf Rang 16 in Europa, aber schließlich sei er „eine Kampfsau und kann noch einen auspacken ...“