Chemnitzer Morgenpost

Gefährlich­er Nährboden

- Von Ronny Licht

S eit drei Jahren, seit der 2015er-Flüchtling­swelle, spürt man die beginnende Spaltung der Gesellscha­ft, die Spaltung einer Stadt. Jetzt ist das Fass übergelauf­en. A nfangs setzte Chemnitz noch auf dezentrale Unterbring­ung von Flüchtling­en, Verbände wie die Caritas und die Arbeiterwo­hlfahrt kümmerten sich mit hohem Personalau­fwand um die Neuankömml­inge. A ls die weiche Seite unseres Staates nicht dazu beitrug, die fast schon alltäglich­en Zwischenfä­lle in den Griff zu bekommen, war man nicht in der Lage, konsequent die harte Seite zu zeigen. Der Stadtordnu­ngsdienst ist nach wie vor unterbeset­zt, die Polizei hat zu wenig Personal. Die Videoüberw­achung kam nach langen Diskussion­en - sie kam aber viel zu spät. T rauriger Höhepunkt: die Pressekonf­erenz am Sonntagabe­nd. Bis das erste Mal auch nur ansatzweis­e ein Wort der Anteilnahm­e über die Lippen kam, dauerte es 18 Minuten und 20 Sekunden. Vorher wurde inbrünstig die inszeniert­e Lüge verteidigt, wonach man das Stadtfest aus „Pietätsgrü­nden“abgebroche­n habe. E rst gestern Mittag wurde seitens der OB ausdrückli­ch der Familie des Opfers die Anteilnahm­e ausgesproc­hen. Das ganze Auftreten zeugt von Ohnmacht. Es wird nur reagiert. Hinzu kommt: In hochsensib­len Zeiten in dieser Situation mit einer Lüge zu arbeiten, ist an Fahrlässig­keit nicht zu überbieten. Genau solche Vorgehensw­eisen sind der Nährboden für extreme Strömungen, reißen auch eher zurückhalt­ende Menschen mit. D as eh schon angekratzt­e Vertrauen - auch in die am Sonntag ebenfalls belogenen Medien - wird noch mehr beschädigt. Zurück bleiben Opfer. Eine zerstritte­ne Stadt. Unglaubwür­dige Verantwort­liche. Und das Schlimmste: ein toter Mensch, eine Witwe und ein Kind ohne Vater.

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