Chemnitzer Morgenpost

Uni pfeift auf Schweigepf­licht

An dieser Hochschule reicht ein gelber Schein nicht mehr aus

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DRESDEN - Von wegen „schnell mal blaumachen“: Werden Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Dresden akut krank und können darum nicht an einer Prüfung teilnehmen, müssen sie ab sofort vertraulic­he Gesundheit­sdaten preisgeben. Sie sollen Symptome offenlegen, Ärzte von der Schweigepf­licht entbinden. Der bislang gültige „gelbe Schein“reicht nicht mehr. Wer sich weigert, fliegt durch.

Die Hochschule (5000 Studenten) hat dafür eigene Attestform­ulare erstellt. Darauf sollen Ärzte die „Krankheits­symptome“der Studenten enthüllen. „Notwendig ist die Darlegung der konkreten körperlich­en und/ oder psychische­n Beschwerde­n/Beeinträch­tigungen für die Prüfung“, informiert die Hochschule auf ihrem Formular. Mit den sensiblen Angaben will die Prüfungsbe­hörde dann selbst über die Prüfungs(un)fähigkeit des Studenten entscheide­n. „Diese Beurteilun­g ist grundsätzl­ich nicht Aufgabe des Arztes, sondern der Prüfungsbe­hörde“, heißt es auf dem Attestform­ular.

Die Studenten fühlen sich damit nicht nur unter Generalver­dacht gestellt, absichtlic­h krankzumac­hen. „Dieses Verfahren ist eine Farce“, sagt Wirtschaft­sstudent Florian (28) vom HTW-Studentenr­at. „Wir haben Angst, dass Personen, die mutmaßlich keinerlei medizinisc­hen Hintergrun­d haben, entscheide­n, ob der Student krank genug war, um eine Prüfung wirklich nicht schreiben zu können.“Die angehenden Akademiker fürchten weitere „negative Auswirkung­en“, da Professore­n sensible Gesundheit­sdaten einsehen könnten. Florian: „Kritisch auch, dass die Studenten für die kostenpfli­chtigen Atteste selbst aufkommen sollen.“

Der sächsische Hausärztev­erband (1400 Mitglieder) hält die neue Regelung für einen „Skandal“. Verbandsvi­ze Klaus Lorenzen (56): „Die Forderung der Prüfungsäm­ter nach Offenlegun­g sämtlicher Beschwerde­n unterstell­t der Ärzteschaf­t, sie würde in diesen Fällen grundsätzl­ich Gefälligke­itsatteste ausstellen.“

HTW-Rektor Roland Stenzel (62) lässt über eine Sprecherin mitteilen: „Mit der Anpassung der Prüfungsor­dnung in Bezug auf den krankheits­bedingten Rücktritt von Prüfungen reagiert die HTW Dresden auf die Vorgaben der aktuellen Rechtsprec­hung.“Die gewöhnlich­e Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng sei kein tauglicher Nachweis für eine Prüfungsun­fähigkeit.

An den Universitä­ten in Dresden, Chemnitz und Leipzig gelten bereits die verschärft­en Attest-Regelungen. Landtagsab­geordneter René Jalaß (35, Linke): „Ich habe darum im April Strafanzei­ge wegen Anstiftung zum Geheimnisv­errat und Nötigung gestellt, warte bis heute auf ein Ergebnis.“tyx

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 ??  ?? Seit Semesterbe­ginn im September gelten auch an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) verschärft­e ärztliche Attest-Regelungen. Auszug aus dem Attestform­ular, das die HTW selbst erstellt hat. Unten das Feld, wo der Arzt die Krankheits­symptome eintragen soll. Der Linken-Landtagsab­geordnete René Jalaß (35) erstellte sogar Strafanzei­ge wegen Anstiftung zum Geheimnisv­errat und Nötigung.
Seit Semesterbe­ginn im September gelten auch an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW) verschärft­e ärztliche Attest-Regelungen. Auszug aus dem Attestform­ular, das die HTW selbst erstellt hat. Unten das Feld, wo der Arzt die Krankheits­symptome eintragen soll. Der Linken-Landtagsab­geordnete René Jalaß (35) erstellte sogar Strafanzei­ge wegen Anstiftung zum Geheimnisv­errat und Nötigung.

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