Riesen-Zoff um Grundschulverbot
Goethe oder Göhte? Das Land der Dichter und Denker hat eine heftige Debatte um Sprachkenntnisse am Hals. Wie viel Deutsch darf oder muss es denn sein, um eine Schule besuchen zu dürfen? Dass Unionsfraktionsvize Linnemann die Diskussion jetzt anzettelt, dürfte nicht von ungefähr kommen: In Sommerloch-Zeiten ist Platz für ein solches Thema - und vielleicht lässt sich ja im Landtagswahlkampf gegen die AfD damit ein bisschen punkten. I nhaltlich und pädagogisch macht der Vorschlag wenig Sinn: Wo sollten Kinder, die noch kein oder wenig Deutsch können und in ihrem Elternhaus wenig Chancen haben, das zu ändern, denn sonst die Sprache lernen als in der Schule? Viel mehr geht es um die Organisation, wie der Unterricht mit und für diese Kinder am besten gestaltet werden kann. U nd wenn sich Linnemann schon mal in die Bildungspolitik einmischt: Womöglich sollte sich der CDU-Politiker eher Gedanken um Ausstattung und Infrastruktur unserer Schulen machen. Wenn die besser wird, klappt‘s vielleicht auch mit der Sprache.
BERLIN - Ob dieser Vorstoß Schule macht? Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (41, CDU) handelte sich jedenfalls massive Kritik ein - selbst aus der eigenen Partei. Der Politiker aus Paderborn hat vorgeschlagen, Kinder lieber noch nicht einzuschulen, wenn sie nicht richtig Deutsch sprechen.
„Der Vorschlag ist falsch. Kinder müssen eingeschult werden, wenn sie das Schulpflichtalter erreichen“, sagte Grundschulverbands-Chefin Maresi Lassek dem SWR. Schulen seien darauf eingestellt, Kinder mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen zu empfangen. Schließlich gebe es auch eine Reihe von Kindern aus deutschsprachigen Familien, die große sprachliche Probleme hätten.
Auch die Integrations
beauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (53, CDU), wies die Forderung zurück: „An der Schulpflicht gibt es nichts zu rütteln. Was wir aber brauchen, ist gezielte Sprachförderung von Anfang an.“Die Parteifreundin Linnemanns verwies auf eine CDU-Initiative: „Wir brauchen verpflichtende Sprachtests und Förderprogramme, die möglichst früh ansetzen.“
Linnemann hatte der „Rheinischen Post“gesagt: „Es reicht nicht nur, Sprachstandserhebungen bei Vierjährigen durchzuführen, sondern es müssen auch Konsequenzen gezogen werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen. Hier muss eine Vorschulpflicht greifen, notfalls muss seine Einschulung auch zurückgestellt werden.“
Der Christdemokrat schlug für betroffene Kinder eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden (MOPO berichtete). Den Begriff „Grundschulverbot“für seinen Vorstoß wies Linnemann zurück.
Heftige Kritik kam von SPD, Linkspartei und Grünen. Linke-Chefin Katja Kipping (41): „Mit seinen Äußerungen geht Linnemann auf Stimmenfang im rechten Sumpf.“Die SPD-Bildungspolitikerin Marja-Liisa Völlers (34) nannte Linnemanns Aussagen „populistisches Getöse wie in Wahlkampfzeiten“. JU-Chef Tilman Kuban (32) sprach hingegen von einem „richtigen Vorstoß“.