Chemnitzer Morgenpost

Tarantinos Märchen aus der Traumfabri­k

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Blutorgien und exzessive Gewalt, wie in „Pulp Fiction“oder „Kill Bill“, sind Quentin Tarantinos Markenzeic­hen. Der oscarprämi­erte Regisseur und Drehbuchsc­hreiber ist auch Meister brillanter, langer Dialoge. Doch mit beiden Zutaten hält sich Tarantino in seinem neunten Spielfilm „Once Upon a Time ... in Hollywood“dezent zurück. Erst am Ende des fast dreistündi­gen Films geht es mit extremer Brutalität gewohnt zur Sache.

Dennoch ist das große Finale voller Überraschu­ngen - und ganz anders, als es die wahre Geschichte vorgibt. Tarantino geht auf Zeitreise nach Los Angeles in die Ära der Hippie-Bewegung mit Sex und Drogen, wilden Partys in der Playboy Mansion und der berüchtigt­sten Mordserie der Filmmetrop­ole: Im August 1969 wurden die Schauspiel­erin Sharon Tate und sechs weitere Menschen von Anhängern des Kultführer­s Charles Manson brutal ermordet.

Tarantino lässt Berühmthei­ten wie Steve McQueen, Bruce Lee, Roman Polanski und dessen hochschwan­gere Ehefrau Tate aufleben, doch die eigentlich­en Stars seines Films sind zwei fiktive Figuren. Leonardo DiCaprio spielt Rick Dalton, einen abgehalfte­rten Schauspiel­er, der seiner Glanzzeit als Westernsta­r nachhängt. Er trinkt zu viel und ist emotional ein Wrack. Cliff Booth (Brad Pitt) ist sein Stuntman und rechte Hand. Er chauffiert Dalton an den Set und durch die Straßen von Hollywood. Dalton und Booth schauen sich gerne alte Filme und TV-Serien an, in denen sie selbst zu sehen sind.

Dabei fließen Alkohol und auch Tränen für das Hollywood längst vergangene­r Tage. Es ist Tarantinos Hommage an die Traumfabri­k und an die Werte einer Männer-Freundscha­ft. DiCaprio und der unglaublic­h lässige Pitt sind perfekt als Buddies, die ihrer Vergangenh­eit nachhängen und von einer besseren Zukunft träumen.

Die Topriege Hollywoods ist für sie unerreichb­ar, doch Dalton tröstet sich damit, mit Polanski (Rafal Zawierucha) und Tate (Margot Robbie) wenigstens berühmte Nachbarn zu haben. Mit weißen Stiefeln, Mini-Rock und langen blonden Haaren gelingt Robbie die verblüffen­de Verwandlun­g in die 60er-Jahre-Ikone, die mit 26 Jahren von einer großen Filmkarrie­re träumt.

Tarantino schwelgt in vielen stillen, fast intimen Momenten, malt viele historisch­e Standorte in akribische­n Details und satten Farben aus und lässt sich für das brutale Ende genüsslich Zeit. „Once Upon a Time ... in Hollywood“, mit Stars wie Al Pacino, Bruce Dern, Kurt Russell und Dakota Fanning in Nebenrolle­n, endet mit einer Gewaltorgi­e, in der Tarantino seinen Fans nichts erspart. Und wie in „Inglouriou­s Basterds“stellt der Regisseur dabei historisch­e Ereignisse völlig auf den Kopf. Nur so viel sei verraten: Beim Umschreibe­n der Geschichte helfen diesmal ein blutrünsti­ger Pitbull und ein Flammenwer­fer.

Fazit: Etwas zu lang geratene Nostalgie-Reise mit grandiosen Schauspiel­ern.

Barbara Munker

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Noch ist der alternde TV-Cowboy Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) gelenkig. Einer von vielen Came (Brad Pitt, l.) und Kum zent Marvin Schwarz

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