Panik in Hellers Wohnhaus
Dresden Ende 1944, der Krieg ist in der Schlussphase, mit allem Grauen, das noch folgt. Kriminalinspektor Max Heller hat einen schwierigen Job. Er jagt einen Frauenmörder, den Angstmann. Was zuletzt geschah: Nachdem im November die Leiche der aus Berlin stammenden Krankenschwester Klara Bellmann mit herausgeschnittener Zunge gefunden wurde, führen erste Ermittlungen zunächst ins Nichts. Hellers Chef, SS-Obersturmbannführer Rudolf Klepp, glaubt, dass sich Klaras jüdischer Ex-Mann für die Scheidung rächen wollte. Mitte Dezember wird eine zweite, grausig zugerichtete Frauenleiche entdeckt, nackt auf einem Dachboden drapiert. Man hat ihr mit einem Messer die Haut abgezogen! Heller lässt die Leiche von Dr. Schorrer untersuchen und erfährt in einem Flüchtlingslager von der fortgelaufenen Polin Agneschka, 17 Jahre alt. Doch Klepp will nichts von einem Zusammenhang zwischen den beiden Mordfällen wissen. Dann berichtet die Zeugin Frau Krumbach von einem grunzenden, Spucke saugenden Wesen in der zweiten Mordnacht.
Als Heller am Abend nach Hause kam, roch es im Treppenhaus leicht verbrannt. Langsam stieg er die Treppe hoch und versuchte zu lokalisieren, woher der Geruch kam, der intensiver wurde, je weiter er hinaufstieg. Im zweiten Stock war der Geruch sehr stark. Heller klopfte instinktiv links.
„Frau Zinsendorfer?“, rief er laut und lauschte. Er ging vor der Wohnungstür in die Knie, drückte die Briefklappe nach innen. Rauch und Gestank quollen ihm entgegen. „Frau Zinsendorfer?“, rief er wieder und hämmerte gegen die Tür.
„Was ist denn los?“, rief Leutholdt von oben.
Heller erwiderte nichts, hämmerte noch einmal, dann schien ihm der Rücksicht Genüge getan und kurzerhand trat er die Tür ein. Das Schloss brach auf, die Tür schwang zurück. Heller hielt sich einen Moment am Rahmen fest, wartete, bis der Schmerz im Fuß nachließ. Der Flur war erleuchtet, ebenso die Küche.
„Frau Zinsendorfer?“, rief Heller noch einmal. Er rannte in die Küche, riss einen qualmenden Topf vom Herd und drehte das Gas ab. Auf dem Boden lag ein kleines Messer mit blutiger Klinge. Hinter sich hörte Heller leise Schritte.
„Gehen Sie in Ihre Wohnung zurück, Herr Leutholdt.“
„Gar nichts werde ich. Was ist mit der?“Der Nachbar trat in den Flur und wollte offensichtlich an Heller vorbei. Der streckte energisch den Arm aus, versperrte den Weg, und zwischen den Männern entspann sich ein Blickduell, welches Leutholdt schließlich verlor.
Heller nahm den Arm herunter und legte den Finger auf den Mund. Er hatte etwas gehört. Dann deutete er auf das Wohnzimmer.
Die Stube war aufgeräumt und sauber, nichts verwies darauf, dass die Frau sich hier aufhalten könnte, doch Heller war sich sicher.
„Frau Zinsendorfer, ich bin es.
Und Herr Leutholdt ist auch hier Können wir Ihnen helfen?“
Heller vernahm ein leises Schluchzen, wie von einem Kind das versuchte nicht zu weinen Vorsichtig wagte er einen Blick hinter das Sofa, das abgerück von der Wand stand. Die Frau kauerte dahinter und kniff ganz fest die Augen zu.
„Machen Sie mal Licht hier!“befahl Heller Leutholdt. Als die Lampe an der Zimmerdecke auf leuchtete, fuhr Frau Zinsendor fer zusammen und schlug sich die Hände vor das Gesicht.
„Nein, nein, nein!“, wimmerte sie.
„Holen Sie Verbandszeug schnell!“Heller zerrte das Sofa von der Wand weg und packte die Frau an den Armen. Ihr Ge sicht war mit Blut beschmiert.
„Was haben Sie denn angestellt?“Mühsam stemmte Heller die Frau auf das Sofa.
„Lassen Sie mich, bitte, es ist gut, wissen Sie, es ist gut, wenn ich blute, geht er weiter, such sich eine andere.“
„Jetzt beruhigen Sie sich doch.“
„Blöde geworden!“, war Leut holdts knapper Kommentar und er reichte Heller eine Blechkiste Hinter ihm hatten sich Hausbe wohner versammelt. Karin drän gelte sich durch die Tür, zusam men mit Frau Porschke, der jun gen Frau aus dem Erdgeschoss. Beide Frauen kümmerten sich um die Zinsendorfer, die sich an den Armen tiefe Schnitte zugefügt hatte. Die wand sich, wehrte sich stumm und schwach. Ihr Haar löste sich auf, fiel ihr wild in die Stirn.
„Die muss weg hier, die ist ja eine Gefahr für das ganze Haus!“, mahnte Leutholdt.
Leutholdts Frau fuhr ihm über den Mund. „Red doch keinen Unsinn, Helge! Sie hat Angst so allein!“
„Und wenn sie das Haus abbrennt?“
„Wollen Sie zu mir ziehen?“, fragte die Porschke die verwirrte
Der Teufel ist im Haus.“
„Wenn Sie nicht still sind, muss ich Sie einweisen lassen.“Heller fühlte alle Blicke auf sich ruhen. „Es ist kein Teufel. Es ist ein Mensch, ein Verrückter. Wir müssen ihn nur bekommen.“
Nun schüttelte die Zinsendorfer heftig den Kopf. „Den bekommen Sie nicht, der lässt sich nicht aufhängen. Verfolgt hat er mich!“
„Hat er das?“Heller glaubte ihr nicht.
„Hat er wohl! Er lief mir nach, huschte von Eck zu Eck, stieg die Häuser hoch, sprang über die Dächer, und am Haus hat er mich gestellt. Die Nächste bist du, zischte er und säuselte und grunzte dabei.“
Das hat sie irgendwo gehört, wusste Heller. Die Leute standen stundenlang Schlange, zogen von Viertel zu Viertel, immer in der Hoffnung, es gäbe etwas zu kaufen, Klopapier, Zucker, Kaffeeersatz, Fett. Sie schwätzten und erzählten sich von Wundern und von Gräueln. Das war bei der alten Zinsendorfer auf fruchtbaren Boden gefallen. Heller beugte sich zu der Frau.
„Es ist ein Mensch, Frau Zinsendorfer. Er treibt sich herum bei Alarm. Kommen Sie nur immer gleich in den Keller Die