Sie wollen alle wieder spielen
Orchester wehren sich gegen Städtetags-Beschlüsse
DRESDEN/BERLIN - Die Orchester wollen wieder spielen: Die Klassikbranche fordert Vorgaben für eine schrittweise Wiederaufnahme des Konzertbetriebes. Doch sie müssen sich hintanstellen. Jetzt wehrt sich die Deutsche Konzerthauskonferenz in einem Brandbrief gegen ein Positionspapier des Deutschen Städtetages. Die Dresdner Philharmonie hat mit unterschrieben.
Ob es nun Kammersinfonien sind, oder - wie in England geplant - Autokino-Opern: An Ideen mangelt es nicht, irgendwie Musik zu machen.
Dass es geht, haben gestern die Berliner Philharmoniker mit einer abgespeckten Version ihres Europa-Konzertes bewiesen. Vor leerem Saal trat das Orchester unter Leitung von Chefdirigent Kirill Petrenko wegen der Hygieneanforderungen in kleiner Besetzung auf - das erste Konzert seit dem
Lockdown wurde live im Ersten übertragen.
Nur 15 der insgesamt 128 Musiker waren dabei, alle zuvor zweimal auf Corona getestet, wie es heißt. Die Musiker besetzten zur Abstandswahrung jeweils nur ein Notenpult auf dem Podium - für Geiger galten 1,5 Meter, für Bläser fünf Meter. „Es ist eine seltsame Atmosphäre“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angesichts des mucksmäuschenstillen Hauses in einem Grußwort. Er freue sich auf die Zeit, „wenn wir wieder gemeinsam Musik erleben können“.
Damit ist er sicherlich nicht alleine. Doch gibt es dafür noch immer keine brauchbaren Anordnungen. Im Gegenteil, die Politik scheint Kultur weiterhin als nachgeordnet zu betrachten. Im Positionspapier „Normalisierungskonzept Kultur“des Deutschen Städtetages zur schrittweisen Wiederöffnung von Kultureinrichtungen rangieren Theater, Opern und Konzerthäuser an letzter Stelle, hinter Museen, Musik- und Volkshochschulen.
Dagegen stemmt sich die Deutsche Konzerthauskonferenz in einem Brief an Kulturstaatsministerin Barbara Grütters (CDU). In dem Schreiben, das neben der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Leipziger Gewandhaus auch Intendantin Frauke Roth für die Dresdner Philharmonie unterschrieben hat, wird gefordert, die Häuser in die existenzsichernde Lage zu versetzen, „einen eingeschränkten Betrieb unter Maßgabe des Infektionsschutzes“zu ermöglichen. Gerne bietet man an, konstruktive Vorschläge zu entwickeln, wie auch im Konzertbetrieb die Ausbreitung des Virus vermieden und dennoch den Musikerinnen und Musikern eine Bühne geboten werden kann. Der allgemeine Tenor ist deutlich: „Kultur ist in unserem Land systemrelevant!“hn