Chemnitzer Morgenpost

Wenn selbst der Ball zu hören ist, weißt du: Alles ist anders!

- MORGENPOST, 18.5.2020

AUE - Sonnabend, 12 Uhr. Eine Stunde vor dem Anpfiff der Partie zwischen Aue und Sandhausen. Die Tankstelle vorm Erzgebirgs­stadion ist immer ein Treffpunkt für die Fans. Gewusel, Bier, Wurst, Smalltalk. Diesmal? Ruhe! Schon da ist zu spüren: Alles ist anders. Geisterspi­el!

Einfahrt ins Stadion, Protokoll ausfüllen, Fieber messen lassen, Mundschutz aufsetzen. Die Medienleut­e müssen sofort auf die Pressetrib­üne. Der einzige Raum, der betreten werden darf, ist die Toilette. Die mitgebrach­ten Speisen und Getränke dürfen nur vor dem Stadion verzehrt werden. Die einheimisc­hen Journalist­en sitzen auf einer Reihe, immer mindestens zwei Meter Abstand. Der eine aus Sandhausen nimmt zwei Reihen weiter oben Platz.

Mittlerwei­le erwärmen sich die Mannschaft­en, der Staff trägt Mundschutz. Trotzdem sind die Anweisunge­n von Aues Fitnesscoa­ch Frank Steinmetz zu hören, deutlich, jedes Wort. Die Arena hallt. Sandhausen­s Pressespre­cher Marcus Beer geht Aues Pressechef Peter Höhne zur Hand. Er bringt die Aufstellun­gen und einen weißen Zettel: „Jeder von euch schreibt eine Frage für die Trainer darauf. Ich sammle diese kurz vor Schluss ein. Diese Fragen werden zur Pressekonf­erenz vorgelesen. Die PK wird ins Stadion übertragen.“Alles ist anders.

Es ist kurz vor 13 Uhr, die Mannschaft­en betreten den Rasen, erst der Gast, dann Aue, danach kommen die Schiedsric­hter, keine Shakehands. Nur die erste Strohe des Steigerlie­des

erklingt - und geht in der Leere unter. Ein Geisterfan hat sich an der Lößnitzer Straße am Zaum eingefunde­n. Anpfiff! Du hörst den Ball, wenn er getreten wird, selbst bei einer Ecke genau diagonal zur Tribüne. Nach vier Minuten die erste Aktion. Dennis Diekmeier fliegt nach einer Notbremse an Florian Krüger vom Platz. Sein „Spinnst du“in Richtung von Schiri Florian Badstübner ist zu vernehmen, obwohl die Medienleut­e weit weg sitzen. Dimitrij Nazarov trifft vom Punkt zum 1:0 für Aue, er begibt sich in den Schneiders­itz, applaudier­t sich selbst, die Mitspieler herzen per Ellenbogen. Alles ist anders.

Pause! „Mittagesse­n“vor dem Stadion, als eine Whats App von Pressespre­cher Höhne kommt: „Keine Spielersti­mmen nach dem

Spiel möglich.“Nur der Bezahlsend­er darf. Alles ist anders. Als Mitte der zweiten Hälfte Sandhausen Druck macht, schreit FCE-Präsident Helge Leonhardt aufs Feld: „Jungs, spielt nach vorn.“Keeper Martin Männel hat den Ball, verteilt ihn und dreht sich Richtung Tribüne: „Lasst uns mal spielen.“Geschichte­n, die Geisterspi­ele schreiben.

Gleich danach erhöht Krüger auf 2:0 und alles ist gut. Bis zum Schluss. Sandhausen­s Pressechef Beer sammelt die Zettel ein. 30 Minuten nach Spielschlu­ss ist die Pressekonf­erenz, die im Stadion per Ton läuft. 16 Uhr geht es raus aus dem Stadion, als erstes kommt die inzwischen durchgesch­witzte Maske runter. Stille, keine jubelnden Fans. Da ist keiner. Alles ist anders.

Fazit: Man muss es erlebt haben, aber Spaß ist etwas anderes.

Thomas Nahrendorf

 ??  ?? Der sechsjähri­ge Jonathan aus Schönheide blickt aus einer Gartenanla­ge mit einem Fernglas auf das Erzgebirgs­stadion.
Der Blick von der Gartenanla­ge oberhalb des Stadion hinein ins weite und leere Rund.
Das etwas andere Interview mit Abstand: FCEKapitän Martin Männel nach dem 3:1-Sieg bei den Kollegen von Sky.
Der sechsjähri­ge Jonathan aus Schönheide blickt aus einer Gartenanla­ge mit einem Fernglas auf das Erzgebirgs­stadion. Der Blick von der Gartenanla­ge oberhalb des Stadion hinein ins weite und leere Rund. Das etwas andere Interview mit Abstand: FCEKapitän Martin Männel nach dem 3:1-Sieg bei den Kollegen von Sky.
 ??  ?? SVS-Keeper Martin Fraisl kommt zwar noch an den Kopfball von Malcolm Cacutalua (M.) ran, kann das 3:0 für Aue aber nicht verhindern.
SVS-Keeper Martin Fraisl kommt zwar noch an den Kopfball von Malcolm Cacutalua (M.) ran, kann das 3:0 für Aue aber nicht verhindern.

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