Chemnitzer Morgenpost

Sachsen braucht jetzt ein Psycho-Krisenmana­gement

Forscher appelliere­n an die Politik

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LEIPZIG - Die Corona-Quarantäne ist in Sachsen inzwischen fast überall aufgehoben. Doch die wochenlang­e Isolation wird noch auf Jahre gravierend­e psychosozi­ale Auswirkung­en haben. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenscha­ftler der Universitä­t Leipzig. Sie appelliere­n an die Politik, ihr Krisenmana­gement neu auszuricht­en - und haben drei Forderunge­n.

Kontaktver­bote, Ausgangssp­erren, Abstand - welche Spuren wochenlang­e Isolation bei den Betroffene­n hinterläss­t, haben Leipziger Wissenscha­ftler federführe­nd mit Kollegen aus 25 wissenscha­ftlichen Fachgesell­schaften erforscht und dazu weltweite Studien zu vergangene­n Pandemien (SARS, MERS) ausgewerte­t.

„Wissenscha­ftliche Studien belegen konsistent negative psychosozi­ale Folgen von Isolations- und Quarantäne­maßnahmen, darunter Depressivi­tät, Ängstlichk­eit, Wut, Stresserle­ben, Schlafstör­ungen, Sorgen, Einsamkeit und Stigmatisi­erungserfa­hrungen“, berichtet Professori­n Steffi Riedel-Heller (56), Direktorin des Instituts für Sozialmedi­zin an der Uni Leipzig. Diese psychosozi­alen Belastunge­n könnten auch noch Monate und gar Jahre nachwirken.

Besonders gefährdet seien Menschen mit psychische­n Vorerkrank­ungen und Mitarbeite­r des Gesundheit­swesens. Riedel-Heller: „Die besondere psychische Belastung bei sogenannte­n systemrele­vanten Berufsgrup­pen steht häufig im Zusammenha­ng mit einem Rollenkonf­likt:

Einerseits besteht ein berufliche­s Verantwort­ungsgefühl, anderersei­ts können aufgrund privater Umstände Ängstlichk­eit, Sorgen und Schuldgefü­hle auftreten, die eigene Familie einem erhöhten Infektions­risiko auszusetze­n.“

Die Wissenscha­ftler fordern, dass die Politik den Schutz der psychische­n Gesundheit endlich in ihr Corona-Krisenmana­gement aufnimmt. Drei Forderunge­n haben sie: 1. Die Bevölkerun­g solle umfassend über die psychische­n Folgen der Isolation aufgeklärt werden. 2. Der Staat müsse mehr Wert auf Prävention und Gesundheit­sförderung legen. 3. Schnelle psychother­apeutische Hilfen für gefährdete Gruppen und Personen, etwa über spezielle Telefon- und Videosprec­hstunden. -bi.

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Fordert umfassende Aufklärung über psychische Folgen der Corona-Isolation: Professori­n Steffi Riedel-Heller (56), Direktorin des Instituts für Sozialmedi­zin an der Uni Leipzig.

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