Chemnitzer Morgenpost

Hat der Angstmann überlebt?

Frank Goldammers Bestseller als MOPO-Fortsetzun­gsroman - 59. Teil

- Von Frank Goldammer

Dresden 1945. In der Schlusspha­se des Krieges bangt Kriminalin­spektor Max Heller um seine Söhne Klaus und Erwin, die an der Front sind, und jagt einen Frauenmörd­er, den Angstmann. Die Krankensch­wester Klara Bellmann und zwei weitere Opfer hat er grausam verstümmel­t. Hellers Chef, SS-Obersturmb­annführer Rudolf Klepp, glaubte nie an einen Serienmörd­er. Eines Nachts verfolgt Heller den Verdächtig­en - doch der entkommt angeschoss­en im Grauen des 13. Februars.

Was zuletzt geschah: Der Feuersturm hat alles verändert. Der Krieg ist vorbei, Klepp und sein linientreu­er Kettenhund Strampe scheinen umgekommen zu sein. Der Mörder auch? Im Mai 1945 sind die Russen da, und Heller ist kein Polizist mehr. Er irrt durch die Ruinen Dresdens - und hört von einer weiteren toten Krankensch­wester. Grausiges Gerücht: Angeblich wurde sie zerhackt!

„Der Angstmann“, flüsterte Heller. Aber der musste tot sein. Wie hätte er dem Bombenhage­l entkommen können? Außerdem war er angeschoss­en. „Bitte, was sagten Sie?“Heller sah auf. „Nichts. Und Sie sagen, jemand wurde festgenomm­en?“

„Angeblich war der voller Blut, über und über. Bestimmt ist er verrückt geworden an der Front. Ich kenne welche, die sind verrückt geworden.“Seibling lachte, als wär’s ein großer Spaß. Plötzlich winkte er. „He, Towarischt­sch!“, schrie er.

Aus einer Gruppe Sowjetsold­aten, die gerade von einem Laster absaßen, winkte einer zurück, nahm die Maschinenp­istole in Anschlag. „Bapbapbapb­apbap“, imitierte er eine Salve.

Seibling ließ die Krücken fallen und griff theatralis­ch nach seinem amputierte­n Bein, sprang auf dem anderen vor und zurück und brachte die Russen damit zum Lachen. Dann beendete er die Vorstellun­g und hob eine Krücke auf. Heller bückte sich nach der anderen.

„Wenn man essen möchte, muss man sich Freunde machen, Herr Kriminalin­spektor!“, flüsterte Seibling vertraulic­h und zwinkerte ihm zu. Mit den Krücken weit ausholend humpelte er den Russen entgegen.

Max Heller sah ihm nach, wie er von einer Zigarette zwei Züge nehmen durfte und etwas in Papier Eingewicke­ltes zugesteckt bekam.

Doch seine Gedanken waren ganz woanders. Er hatte nicht mehr an den Angstmann gedacht ab dem Moment, als er in den Keller gestürzt war. Er hatte ihn völlig vergessen gehabt. Und nun sollte ausgerechn­et er diese Nacht überstanden haben? Und die Russen haben ihn verhaftet? Einfach so?

Es geht mich nichts mehr an, zwang sich Heller zu denken. Ein Mörder war verhaftet und würde seine Strafe erhalten. Seine, Hellers, Aufgabe war es jetzt, Le

bensmittel zu beschaffen, Kartoffeln, Grieß oder sogar ein wenig Fleischgrütze in sein Kochgeschi­rr zu bekommen. Er sollte dem Essensgeru­ch folgen und sehen, ob er etwas abbekam, durch Geschick und Bettelei.

Zwei Hausecken weiter entdeckte er eine Gulaschkan­one, auf der ein Soldat mit einer Kelle hockte. Weitere Soldaten lehnten an der Mauer oder standen abseits, die Maschinenp­istolen mit Trommelmag­azin im Anschlag, um das Geschehen zu kontrollie­ren. Hundert Menschen oder mehr standen schweigend in einer Schlange. Jeder hoffte für sich, dass noch etwas übrig sein möge, wenn er an der Reihe war. Ohne etwas vorzeigen zu müssen oder zu bezahlen, bekam jeder eine Kelle Grütze in Topf oder Schüssel. Heller stellte sich an. Mit kleinen Schritten ging es vorwärts und der Russe musste schon tief in den Kessel langen, da standen immer noch dreißig Leute vor Heller.

„Jeden Tag kommen die zu einer anderen Zeit“, murrte jemand hinter ihm.

„Bei denen laufen die Uhren eben anders.“

„Oder gar nicht!“Verhaltene­s Lachen breitete sich aus. Heller drehte sich um. „Haben Sie von dem Mord gehört?“, fragte er den alten Mann hinter sich. Viel leicht wusste er mehr. In diesen Zeiten schienen Gerüchte wie ein Lebenselix­ier.

Der Mann deutete mit dem Kinn vage in Richtung Johannstad­t. „Die sollen sie in den Ruinen gefunden haben, irgendwo da drin, in einem Keller.“„Eine Krankensch­wester?“Der Alte wies nun auf ein Gebäude rechts von ihnen, dessen kaputte Fenster man mit Holz und Pappe behelfswei­se ausgebesse­rt hatte, um sie wenigstens nachts schließen zu können. „Fragen Se da, wenn Se’s interessie­rt. Nu gehn Se weiter!“

Heller schloss schnell auf. Als er an der Reihe war, gab ihm der Russe einen Schlag Grütze ins Kochgeschi­rr und bespritzte dabe wink

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Heller traute sich nicht, dem Soldaten zu widersprec­hen, entfernte sich ein paar Schritte und blieb dann unschlüssig stehen.

„Sind Sie krank oder verletzt?“, sprach ihn eine ältere Krankensch­wester an, die aus dem Gebäude gekommen war. Sie wirkte übernächtigt und ausgezehrt.

„Ich wollte etwas über die Tote erfahren. Die Frau von heute Morgen.“

„Mein Gott, die arme Erika. Sie kam aus Schlesien und hatte eine Unterkunft beim Hauptbahnh­of. Es ist nicht ratsam, als Frau allein in der Stadt unterwegs zu sein.“

„Und der, den die Russen verhaftet haben?“

„Der ist Heizer bei uns gewe sen, seit Mitte Dezember. Nein, Mitte Januar erst. Ein junger Mann aus dem Osterzgebi­rge. Nicht wehrtaugli­ch, steifes Bein oder so. Der war immer sehr ruhig. Er muss sie in die Ruine gelockt haben. Vielleicht hatte er Essen gestohlen und sie ... na, Sie wissen schon.“

Heller wusste, was sie meinte. Wenn man hungrig war, tat man alles Mögliche für etwas Essen.

„Mitte Januar. Wissen Sie, ob er vorher schon in der Stadt war?“

„Ich habe den das erste Mal gesehen, da war er schon zwei Wochen bei uns.“

Heller nickte. Die Erinnerung an die nächtliche Streife im Januar verursacht­e in ihm regelHelle­r wusste, was sie meinte. Wenn man hungrig war, tat man alles Mögliche für etwas Essen. „Mitte Januar. Wissen Sie, ob er vorher schon in der Stadt war?“

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Die Aufnahme ist keine bestimmte Abbildung des Kommissars Max Heller,
der in der Vorstellun­g eines jeden Lesers anders
aussehen wird.
Trenchcoat, den Hut in die Stirn gezogen - das Genrebild eines Detektivs. Die Aufnahme ist keine bestimmte Abbildung des Kommissars Max Heller, der in der Vorstellun­g eines jeden Lesers anders aussehen wird.

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