Heller sucht den Tatort auf
Frank Goldammers Bestseller als MOPO-Fortsetzungsroman - 60. Teil
Dresden 1945. In der Schlussphase des Krieges bangt Kriminalinspektor Max Heller um seine Söhne Klaus und Erwin, die an der Front sind, und jagt einen Frauenmörder, den Angstmann. Die Krankenschwester Klara Bellmann und zwei weitere Opfer hat er grausam verstümmelt. Hellers Chef, SS-Obersturmbannführer Rudolf Klepp, glaubte nie an einen Serienmörder. Eines Nachts verfolgt Heller den Verdächtigen - doch der entkommt angeschossen im Grauen des 13. Februars.
Was zuletzt geschah: Der Feuersturm hat alles verändert. Der Krieg ist vorbei, Klepp und sein linientreuer Kettenhund Strampe scheinen umgekommen zu sein. Es ist Mai ‚45 und die Russen sind da. Auf der Suche nach Essen hört Heller, dass in den Ruinen eine weitere tote Krankenschwester gefunden wurde, die Russen hätten einen Verdächtigen verhaftet. Hat der Angstmann die Bombennacht überlebt? Obwohl er kein Polizist mehr ist, beginnt Heller wieder zu ermitteln.
Heller hielt es jetzt für angemessen, ein kleines Opfer zu bringen. Er griff in seinen Mantel und holte aus einem zerknitterten Päckchen in seiner Innentasche eine Zigarette hervor. „Ich bin … war Kriminalist.“Er reichte sie der Krankenschwester, die die Zigarette sofort nahm und in ihrem Kittel verschwinden ließ.
„Von der Polizei. Lassen Sie das mal die Russen nicht hören.“
Heller wedelte fordernd mit der Hand.
Die Schwester ging darauf ein. „Also am Dürerplatz haben sie sie in einem Keller gefunden, an der Ecke zur Reißigerstraße. Er rief um Hilfe.“
„Wer?“
„Uhlmann. Der Heizer.“
„Er rief um Hilfe und die Russen haben ihn verhaftet?“„Russische Effizienz.“Diese Art von Effizienz kannte Heller allzu gut. Die war nicht russisch. „Die Tote? Ist die hier? Erika, wie weiter?“
„Erika Kaluza. Haben die Russen mitgenommen.“
„Und der Name des Heizers? Uhlmann?“
„Uhlmann, Erwin. Aber glauben Sie mir, der ist hin. Die haben längst kurzen Prozess gemacht.“
Heller klopfte aus alter Gewohnheit an seine Tasche. Doch sein Notizbuch und seinen Stift hatte er in der Bombennacht verloren.
Es dauerte nicht lange und er hatte sich in der Steinwüste verirrt. Zwar hatte er ein Straßenschild auf dem Boden gefunden, welches ihn vermuten ließ, er befände sich auf der Dürerstraße, doch genauso gut hätte es einen Kilometer weit durch die Luft geflogen sein können. Seine einzige Orientierung war wieder der Turm der Trinitatiskirche. Auf einer größeren Fläche angelangt, die weniger von Trümmern übersät war, vermutete er den Dürerplatz. Aber er hatte keine Ahnung, wo die Reißigerstraße sein sollte. Er sah zwei kleine
Jungs, die Zigarettenkippen von der Straße aufklaubten. Als er sich ihnen näherte, rafften sie noch hastig ein paar Kippen an sich und rannten dann davon. Heller fand Spuren im Staub, von Stiefeln und den Rädern eines Lastkraftwagens. Dann sah er das Loch, das in einen Keller unter einem Trümmerberg führte. Er bückte sich, um etwas zu erkennen. Doch es war zu dunkel. Wenn er etwas sehen wollte, musste er da hinuntersteigen. Lange zögerte er. In seinen Träumen, in denen er immerzu rannte und doch immer wieder vom Feuer eingeschlossen wurde, fand er sich jedes Mal in einem dieser Keller wieder und konnte doch keinen Ausweg finden. Schließlich fasste er sich ein Herz, atmete tief durch, fuhr sich mit der Hand über sein stoppeliges Kinn und zwängte sich in der Hocke durch den engen Mauerdurchbruch.
Dieser Keller hatte niemandem das Leben gerettet. Seine Wände waren schwarz von Ruß und es stank furchtbar nach gekochtem Teer. Der Boden war sandig. Schwarze Gesteinsbrocken und von der Hitze verformte Stahlträger lagen kreuz und quer, ließen für einen großen Mann wie Heller keinen aufrechten Gang zu.
Doch er musste nicht weit gehen und entdeckte schnell die Stelle, an der die Frau gefunden worden war, zwischen den Trägern hängend. Von einer Sekunde auf die nächste war es wieder da, dieses Gefühl der Unruhe, der Druck, der auf seinem Herzen und seiner Lunge gelegen und ihn einen Monat lang des Nachts auf die Straße getrieben hatte, dieses Wissen, trotzdem nicht genug getan zu haben. Schwarz zeichnete sich das geronnene Blut auf dem Sandboden ab. Alle anderen Spuren waren verwischt und zertreten.
Der Täter war gefasst. Aber sollte dieser Mann wirklich die Bombennacht überlebt haben? Ganz ohne schützenden Keller verletzt von einer Pistolenku um H zu w eintr zufä er nu hera
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Denn selbst gut genug und wusste, was er sich einmal vorgenommen hatte, das würde er auch umsetzen. Und das, was er sich in diesem Moment vorgenommen hatte, würde ihn in Teufels Küche bringen.
Er musste diesen sehen.
Uhlmann
16. Mai 1945, Nachmittag
„Hören Sie, Herr Seibling!“, rief Heller nun schon zum dritten Mal und lief dem jungen Mann nach, der sich eben vom Krankenhaus mit eleganten Krückenschwüngen in Richtung Elbe bewegte. Heller war froh, ihn doch noch gefunden zu haben, zwischen all den Menschen, die hier arbeiteten oder herumlungerten. Nun aber hatte er Mühe, den Beinamputierten einzuholen, ohne dabei auffällig ins Rennen zu geraten. Noch einmal wollte er die Russen heute nicht auf sich aufmerksam machen. „Herr Seibling! Heinz.“Endlich hörte der junge Mann ihn und blieb stehen. Mit freundlichem und offenem Gesicht wartete er auf den heranhastenden Heller. Der konnte nun endlich langsamer gehen und nutzte die letzten Meter, um eine weitere Zigarette aus der zerdrückten Packung zu nehmen.
„Bitte schön“, bot er sie dem jungen Mann an. Der nahm sie dankbar, kramte aus seiner Manteltasche eine Zündholzschachtel und zündete sie an Er tat