Chemnitzer Morgenpost

Schwester Rita hat überlebt

Frank Goldammers Bestseller als MOPO-Fortsetzun­gsroman - 66. Teil

- Von Frank Goldammer

Dresden 1945. In der Schlusspha­se des Krieges bangt Kriminalin­spektor Max Heller um seine Söhne Klaus und Erwin, die an der Front sind, und jagt einen Frauenmörd­er, den Angstmann. Krankensch­wester Klara Bellmann und zwei weitere Opfer hat er grausam verstümmel­t. Hellers Chef, SS-Obersturmb­annführer Rudolf Klepp, wollte nicht an einen Serienmörd­er glauben. Im Grauen des 13. Februar entkommt Heller ein Verdächtig­er.

Was zuletzt geschah: Der Krieg ist vorbei, Klepp und Strampe scheinen tot zu sein. Es ist Mai ’45, die Russen sind da. Heller hört davon, dass eine weitere tote Krankensch­wester gefunden wurde. Hat der Angstmann die Bombennach­t überlebt? Die Russen haben einen Verdächtig­en verhaftet. Obwohl kein Polizist mehr, beginnt Heller zu ermitteln. Erwin Uhlmann, der Verdächtig­e, wurde ins Hauptquart­ier der Russen auf der Bautzner Straße gebracht. Heller verschafft sich Zutritt zu Uhlmann. Der weist alle Schuld von sich. Die Russen setzen Heller eine Frist: drei Tage. Hat er den Mörder bis dahin nicht, wird Uhlmann gehängt. Unter Aufsicht von Politkommi­ssar Saizev macht Heller sich an die Arbeit.

Heller deutete auf das ausgebrann­te Haus, in dem offensicht­lich niemand wohnte. „Dorthin, vermute ich. Ich suche einen Mann, der hier Hausmeiste­r war. Ewald Glöckner. Danach muss ich erfahren, wo die Tote gelebt hat.“Heller sah sich um. Sein Gefühl sagte ihm, dass er beobachtet wurde. Doch inmitten der vielen Menschen war es unmöglich, etwas auszumache­n.

Heller steuerte auf die Ruine des Schwestern­heims zu und hielt eine Krankensch­wester an. „Entschuldi­gen Sie bitte, kennen Sie einen gewissen Glöckner, den Hausmeiste­r?“

„Ich bin noch nicht lange genug hier“, erwiderte sie und wollte Saizev ausweichen. Doch der ergriff ihren Arm und zerrte sie zusichhera­n.

„Wo ist der Chefarzt?“Heller legte seine Hand besänftige­nd auf Saizevs Arm.

„In diesem Gebäude, zweiter Stock!“Die Krankensch­wester zeigte nach hinten und ihre Hand zitterte.

Saizev ließ sie los und sie beeilte sich, wegzukomme­n.

Heller ärgerte sich über das grobe Vorgehen des Russen. „So können Sie das nicht machen! Und der Chefarzt wird nicht wissen, wer der Hausmeiste­r ist, geschweige denn, wo der sich aufhält.“

„Geschweige denn …?“Saizev hatte diese Formulieru­ng offensicht­lich nicht verstanden. „Ich glaube nicht, dass Sie die Zeit haben, um sich auf Ihre Art durchzufra­gen!Weristdied­ort?“,fragte er unvermitte­lt. „Da steht eine neben dem verbrannte­n Baum, links an der schwarzen Mauer.“

Heller drehte sich langsam um. Er sah eine junge Frau, die einen grauen Mantel mit schwarzen Ärmelaufsc­hlägen und eine weiße Strickmütz­e trug. Als sie sah, dass sie bemerkt worden war, verschwand sie hinter den Trümmern.

„Keine Ahnung, wer das

ist.“

Heller schob sich die Schiebermü­tze hoch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war noch nicht einmal acht Uhr und doch war es schon sehr heiß. Dann erblickte er Seibling. „Herr Seibling! Heinz!“, rief er. Der Gerufene wollte Heller zuerst freundlich winken, wandte sich dann aber ab, als er Saizev sah, und versuchte eilig auf seinen Krücken davonzukom­men. Saizev schnaubte.

„Stoi!“, brüllte er und holte seine Pistole aus dem Holster. Ringsherum erstarrten die Leute augenblick­lich. Auch Seibling blieb stehen. Dann drehte er sich langsam um und wartete mit gequältem Lächeln, dass Heller und Saizev zu ihm kamen.

„Bitte! Lassen Sie ihn“, bat Heller den Russen, der offenbar handgreifl­ich werden wollte, und drängte sich vor ihn.

„Heinz, verzeihen Sie.“Seibling war genauso dreckig wie am Tag zuvor, sein Hals und sein Gesicht waren schwarz, ebenso die Hände und auch seine Zähne. „Ich habe nur eine Frage. Kennen Sie Glöckner, den Hausmeiste­r? Er hat im Schwestern­heim gewohnt. Ist er umgekommen?“

Seibling wollte den Kopf schütteln, dann hellte sich seine Miene plötzlich auf. „Die Hausmeiste­r haben eine Werkstatt im Gebäude 19. Das ist beinahe unversehrt. Im Keller.“

„Besten Dank!“schon gehen, als noch aufhielt.

„Schönen Freund haben Sie jetzt“, flüsterte er, „das sind die Schlimmste­n!“

Heller machte sich freundlich los und folgte Saizev, der schon einige Schritte voraus war und an dessen Mienenspie­l nicht auszumache­n war, ob er das gerade gehört hatte.

Der Weg war nicht weit zum Haus 19 und die Menschenme­nge teilte sich respektvol­l vor

Heller wollte Seibling ihn

Mann von mindestens Jahren.

„Hatte er noch seine fragte Heller.

„Nee, ausgebrann­t, das ganze Schwestern­heim.“

Saizev sah Heller auffordern­d an. „Nu, i tschas?“

Heller überlegte. Glöckner lebte also noch, war aber verschwund­en. Angesichts der allgemeine­n Umstände würde es unmöglich sein, ihn zu finden, sofern er sich überhaupt noch in der Stadt aufhielt. Blieben also die Speichelsp­uren und die seltsamen Laute.

„Wir müssen uns den letzten Tatort

siebzig

Wohnung?“, ansehen. Und müssen erfahren, wo das letzte Opfer gewohnt hat!“, sagte er mit entschloss­ener Stimme, um vor dem Russen seine Ratlosigke­it zu verbergen.

„Gut, der Fahrer kümmert sich darum und wir gehen zum Tatort!“

Nachdem er den Fahrer instruiert hatte, zündete Saizev sich eine Zigarette an. Heller versuchte, die Marke zu erkennen. Saizev deutete den Blick falsch und bot Heller eine an.

„Sind Sie einverstan­den, wenn ich sie nehme, ohne sie zu rauchen?“, fragte Heller. Saizev nickte knapp und schüttelte geschickt eine Zigarette aus der

 ??  ?? Trenchcoat, den Hut in die Stirn gezogen - das Genrebild eines Detektivs.
Die Aufnahme ist keine bestimmte Abbildung des Kommissars Max Heller,
der in der Vorstellun­g eines jeden Lesers anders
aussehen wird.
Trenchcoat, den Hut in die Stirn gezogen - das Genrebild eines Detektivs. Die Aufnahme ist keine bestimmte Abbildung des Kommissars Max Heller, der in der Vorstellun­g eines jeden Lesers anders aussehen wird.

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