Wer ist der andere Kerl?
Cortex
Moritz Bleibtreu probiert mal etwas anderes aus: Nachdem er in mehr als 90 Filmen als Schauspieler mitgewirkt hat, wagt er sich nun erstmals auf die andere Seite der Kamera. Für sein Regiedebüt hat er einen Stoff ausgewählt, der weit entfernt von klassischen Drehbuchvorlagen ist.
„Cortex“ist ein Film wie ein Labyrinth. Mit Sackgassen, mit Irrwegen, scheinbar ohne Ausgang. Am Ende fragt man sich: Was war jetzt eigentlich Traum und was Wirklichkeit?
Im Mittelpunkt des unvorhersehbaren, komplexen Thrillers steht der biedere Familienvater und Supermarkt-Sicherheitsmann Hagen (Bleibtreu). Der kann wegen seiner aufwühlenden Träume nicht gut schlafen und ist tagsüber entsprechend gerädert. So müde, dass er sogar beim Autofahren an der Ampel und am Arbeitsplatz einschläft. Dabei träumt er von einem jungen Mann (Jannis Niewöhner), den er zuvor noch nie gesehen hat. Aber hat ihn nicht genau dieser Mann erst kürzlich über die Videokamera des Supermarktes angeschaut? Hat am Ende genau dieser Kerl eine Affäre mit seiner Frau (Nadja Uhl)? Oder bildet er sich das nur ein? Déjà-vus, Flashbacks, Erinnerungen, Wunschvorstellungen - die Leben der beiden Männer verweben immer mehr zu einer gemeinsamen Welt.
Wer ist hier eigentlich wer? Vermischen sich die Persönlichkeiten der beiden? Wie viel des Erlebten ist nur ein Wunsch? Gibt es den zweiten Mann doch nur in Hagens Vorstellung? Am Ende des Films bleiben viele Fragen offen. Genau das ist von Bleibtreu gewollt. Selbst die Hauptdarsteller Niewöhner und Uhl mussten das Buch mehrfach lesen und waren selbst dann nicht sicher, ob sie alles richtig verstanden hatten.
Die düstere Geschichte wird ergänzt durch eine starke Bildsprache. Zum Teil erinnert sie an alte Hitchcock-Filme, an Hollywoods Film-NoirWerke. Das ist großes Kino, beeindruckt und macht visuell richtig viel Spaß. Auch inhaltlich hallt „Cortex“nach. Viele Kinogänger werden die einzelnen Szenen nochmal nach Spuren für eine mögliche Auflösung absuchen. So mancher dürfte dabei aber ratlos zurückbleiben.
Fazit: Rätselhaft, faszinierend.
Christiane Bosch