Wohin mit Saft und Glühwein?
Die Tanks der Obstkelterei Heide sind voll - aber alle Weihnachtsmärkte abgesagt
SIEBENLEHN - Keine Weihnachtsmärkte, kein Glühwein-Verkauf. Diese einfache Rechnung macht Tino Walcha (52) auf. Der Inhaber der Obstkelterei Heide in Siebenlehn beklagt einen enormen Umsatzverlust. In der Vorjahres-Saison lieferte
das 1928 gegründete Familienunternehmen 400 000 Liter Glühwein aus. In diesem Winter wären schon 100 000 Liter ein kleines Wunder.
„Aber wir sind Ossis. Wenn wir Corona nicht überleben, wer dann?!“, selbstbewusst stapft Walcha mit seinen gelben Gummistiefeln durch die Kelterei. „Unsere Tanks sind alle voll - eine Million Liter Saft warten auf die Weiterverarbeitung und Abfüllung.“Denn der Sommer hat reiche Früchte getragen. Die Ernte fiel
bei Äpfeln, Birnen & Co. so gut wie lange nicht aus. Obstbauern und Hunderte Kleingärtner lieferten ihre Früchte in der Kelterei ab. „Wir haben allein 140 000 Kilo Kirschen aus der Region gekauft“, sagt Walcha. Für das Obst ging das Unternehmen in Vorkasse, allein für die Glühwein-Produktion (28 verschiedene Sorten) mit rund einer Viertelmillion Euro.
Sorge um 24 Mitarbeiter
Das Absatzproblem beschränkt sich indes nicht auf die Wintersaison. „Ist unser Tanklager voll, können wir im nächsten Jahr zur Ernte weniger Obst von unseren Lieferanten annehmen, immerhin sind darunter fünf Großproduzenten“, sagt Walcha nachdenklich mit Blick auf seine Jahresproduktion von knapp zwei Millionen Litern Saft und Wein. „Ich muss überlegen, ob ich zusätzliche Tanks miete oder kaufe.“
Außerdem drückt ihn die Sorge um seine 24 Mitarbeiter. „Momentan sind alle vollbeschäftigt. Aber wir fahren nicht mehr zwei Schichten, sondern nur noch eine. Wenn keine Weihnachtsmärkte und Eislaufbahnen öffnen, heißt das für uns: Kurzarbeit im Dezember“, sagt Walcha. Denn das von seinem Urgroßvater Richard Heide gegründete Unternehmen versorgt nicht nur den berühmten Dresdner Striezelmarkt und weitere sächsische Weihnachtsmärkte mit Glühwein. „Wir beliefern den Weihnachtsmarkt am Potsdamer
Platz in Berlin, Märkte in Rostock, Neubrandenburg, Dessau, Potsdam, Weimar, Jena, Magdeburg, Eisenach ...“Die Liste der Städte ist lang. In Summe machen sie 80 Prozent des gesamten Glühweinumsatzes des Siebenlehner Unternehmens aus. Über 1000 Restaurants und Lokale kommen als Kunden hinzu - wenn sie Gäste bewirten dürfen.
Neue Ideen entwickelt
Doch Walcha und seine Familie lassen sich von den bescheidenen wirtschaftlichen Aussichten nicht beirren. „Wir hoffen, dass wenigstens kleine Märkte stattfinden dürfen. Und wir haben neue Ideen entwickelt, um den Absatzverlust zu verringern.“Eine davon: Jeden Samstag (10 bis 18 Uhr) hat Walcha einen Werksverkauf bei
Möbel Mahler in Siebenlehn eingerichtet. „Dort verkaufen wir bis Weihnachten Saft und Glühwein in Flaschen und 5-Liter-Boxen“, sagt Walcha. „Außerdem haben wir unseren Online-Shop überarbeitet und wir bieten Kundenpräsente an. Wenn Firmen in diesem Jahr auf ihre Weihnachtsfeier verzichten, können sie stattdessen ihren Mitarbeitern Glühwein für zu Hause schenken.“Neue Kooperationen mit Herstellern von To-go-Produkten und Limonadenherstellern bahnen sich an.
Der jüngste „Coup“: Ab 13. November gibt es in den SZ-Treffpunkten weißen, roten und alkoholfreien Glühwein. Von „Traubn-Traudl“, „Rebn-Rudi“und „PunschPauke“werden in einem ersten Schub 4000 Flaschen mit extra entwickelten, regionalen Etiketten ausgeliefert.
Katrin Koch