So lief die Entschärfung
Größte Evakuierung zu Pandemie-Zeiten
Die größte Evakuierung in Deutschland unter Pandemie-Bedingungen fand gestern in Chemnitz statt. Es war die zweitgrößte nach dem Bombenfund auf dem Kaßberg 2016. 15 000 Bewohner verließen ab 6 Uhr ihre Wohnungen. Vor zehn Wohnungen erschien die Polizei, es gab nur wenige Öffnungen. Nach der Entschärfung kehrten die Bewohner schon ab Nachmittag zurück. MOPO war im Sperrkreis.
Am Morgen stand Monika Steinbach (74) hilflos an der Bushaltestelle in der Burkhardtsdorfer Straße. Es war kalt, kein Bus kam. „Wo soll ich hin? Ich setze mich auf eine Bank im Tietz oder in der Galerie Roter Turm“, sagte die Witwe. Freunde oder Verwandte hat sie nicht. Sammelunterkunft schied aus, weil Kater Felix nicht mitdurfte. Eine junge Frau half ihr. Rentner Frank Möllentin (73) wollte in die Hartmann-Halle: „Ich bin unsicher. Wenn man zu spät ist, kriegt man keinen Platz.“Keine Sorge: Nur knapp 300 Personen suchten Unterschlupf in den sechs Sammelstellen.
Viele verließen die Wohnungen bereits am Donnerstag. Pflegeheime wurden unter Corona-Regeln evakuiert. Kitas, Schulen und Geschäfte blieben zu. Die Straßen in Markersdorf verwaist, die Autoscheiben vereist. Johannes Geppert (77) kratzte sein Auto frei, Frau Christine (78) freute sich auf die Gartenlaube: „Wir harken Laub, drehen die Heizung auf. Glühwein haben wir auch.“Kristin Funke (33) schob Freya (8 Monate) durch den dunklen Morgen: „Wir verbringen die Nacht bei meiner Schwester in Freiberg“, sagt sie. Mann Frank (38) war müde, aber lächelte. Manuela B. (37) bringt ihre Kinder (5, 6, 4 Monate) zur Schwester: „Von der Evakuierung erfuhr ich spät von einer Schulkameradin“, sagte sie und wartete auf die Tram.
Gegen 12 Uhr war der Sperrkreis geräumt, die Bombe gegen 14.30 Uhr entschärft. Kurz nach 15 Uhr gab die Stadt Entwarnung. „Vielen Dank für eure Arbeit!“, teilte sie mit. Die Polizei twitterte erleichtert: „Es ist geschafft!“Verwaltungsstabs-Chef Sven Schulze (49, SPD): „Ich danke allen Einsatzkräften vor allem im Hinblick auf die besondere coronabedingte Situation.“