Chemnitzer Morgenpost

So lief die Entschärfu­ng

Größte Evakuierun­g zu Pandemie-Zeiten

- Von Thomas Moegen

Die größte Evakuierun­g in Deutschlan­d unter Pandemie-Bedingunge­n fand gestern in Chemnitz statt. Es war die zweitgrößt­e nach dem Bombenfund auf dem Kaßberg 2016. 15 000 Bewohner verließen ab 6 Uhr ihre Wohnungen. Vor zehn Wohnungen erschien die Polizei, es gab nur wenige Öffnungen. Nach der Entschärfu­ng kehrten die Bewohner schon ab Nachmittag zurück. MOPO war im Sperrkreis.

Am Morgen stand Monika Steinbach (74) hilflos an der Bushaltest­elle in der Burkhardts­dorfer Straße. Es war kalt, kein Bus kam. „Wo soll ich hin? Ich setze mich auf eine Bank im Tietz oder in der Galerie Roter Turm“, sagte die Witwe. Freunde oder Verwandte hat sie nicht. Sammelunte­rkunft schied aus, weil Kater Felix nicht mitdurfte. Eine junge Frau half ihr. Rentner Frank Möllentin (73) wollte in die Hartmann-Halle: „Ich bin unsicher. Wenn man zu spät ist, kriegt man keinen Platz.“Keine Sorge: Nur knapp 300 Personen suchten Unterschlu­pf in den sechs Sammelstel­len.

Viele verließen die Wohnungen bereits am Donnerstag. Pflegeheim­e wurden unter Corona-Regeln evakuiert. Kitas, Schulen und Geschäfte blieben zu. Die Straßen in Markersdor­f verwaist, die Autoscheib­en vereist. Johannes Geppert (77) kratzte sein Auto frei, Frau Christine (78) freute sich auf die Gartenlaub­e: „Wir harken Laub, drehen die Heizung auf. Glühwein haben wir auch.“Kristin Funke (33) schob Freya (8 Monate) durch den dunklen Morgen: „Wir verbringen die Nacht bei meiner Schwester in Freiberg“, sagt sie. Mann Frank (38) war müde, aber lächelte. Manuela B. (37) bringt ihre Kinder (5, 6, 4 Monate) zur Schwester: „Von der Evakuierun­g erfuhr ich spät von einer Schulkamer­adin“, sagte sie und wartete auf die Tram.

Gegen 12 Uhr war der Sperrkreis geräumt, die Bombe gegen 14.30 Uhr entschärft. Kurz nach 15 Uhr gab die Stadt Entwarnung. „Vielen Dank für eure Arbeit!“, teilte sie mit. Die Polizei twitterte erleichter­t: „Es ist geschafft!“Verwaltung­sstabs-Chef Sven Schulze (49, SPD): „Ich danke allen Einsatzkrä­ften vor allem im Hinblick auf die besondere coronabedi­ngte Situation.“

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