Führte eine Planungspanne zur Ring-Demo?
LEIPZIG - Eine Fehlentscheidung der Veranstaltungsbehörde hat offenbar den Aufzug der „Querdenken“-Demonstranten auf dem Leipziger Ring erst ermöglicht! Nach Darstellung von Leipzigs Polizeipräsident Torsten Schultze (55) hatten die Teilnehmer der aufgelösten Kundgebung nur die Möglichkeit, den Versammlungsraum über den Ring zu verlassen.
Als die Ordnungsbehörde die „Querdenker“-Kundgebung gegen 15.34 Uhr wegen Auflagenverstößen auflöste, forderte die Polizei die Demonstranten über Lautsprecherwagen auf, den Augustusplatz zu verlassen. „Hierfür war nur eine Richtung möglich, die Richtung Hauptbahnhof Ostseite. Die anderen Richtungen, Grimmaischer Steinweg oder Roßplatz, standen durch angemeldete Gegendemonstrationen nicht zur Verfügung“, erklärte Polizeipräsident Schultze. Die fragwürdige Zuweisung der Gegendemo-Plätze führte dazu, dass Zehntausende Menschen auf den Georgiring drängten. Mithin auf jenen Teil des Rings, auf dem auch 1989 die Montagsdemos starteten.
Die Stadtverwaltung wollte sich gestern nicht zu den Darstellungen der Polizei äußern. „Das Ordnungsamt hatte im Vorfeld über die Kooperationsgespräche gemeinsam mit der Polizei, dem Gesundheitsamt und den Anmeldern die Rahmenbedingungen abgesteckt“, hieß es auf Anfrage. Dass die Polizei ihre am Hauptbahnhof errichtete Sperre angesichts der Menschenmassen aufgab und so die verbotene Ring-Demo de facto stattfand, begründete Schultze so: „Die Menschen, die an dieser Stelle um den Ring gelaufen sind, aufzuhalten, wäre nur mit körperlicher Gewalt gegangen - und diesem sind wir aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht nachgegangen.“
Innenminister Roland Wöller (50, CDU) stellte sich hinter Leipzigs Polizeichef und erklärte, dass eine gewaltsame Auflösung einer friedlichen Demo nicht zur Debatte stand. „Was wäre die Alternative gewesen - Einsatz von Zwang gegen
Senioren oder Wasserwerfer gegen Kinder ...?“, so Wöllers rhetorische Fragen. Dennoch gab es gestern die erste Rücktrittsforderung. Linken-Fraktions-Chef Rico Gebhardt (57) warf Wöller erneutes Führungsversagen vor: „Es reicht jetzt. Der Ministerpräsident führt verantwortlich die Regierung - er muss den Innenminister unverzüglich aus dem Amtsverhältnis entlassen.“-bi.