Wie Russland Zwietracht
Topziel für Fake-News: „Kein anderes EU-Mitglied wird heftiger angegriffen als Deutschland“
BRÜSSEL/MOSKAU - Die Bundesrepublik ist zum Hauptziel russischer Desinformationskampagnen geworden. „Kein anderer EU-Mitgliedstaat wird heftiger angegriffen als Deutschland“, heißt es in einer Untersuchung der EU. Präsident Wladimir Putin (68) lässt demnach systematische Kampagnen auf politischer Ebene und über kremlnahe Medien zu, in denen ein verzerrtes Bild der Realität propagiert wird.
Ermittler des Auswärtigen EU-Dienstes haben seit Ende 2015 mehr als 700 Beispiele gezielter Desinformation in Deutschland gefunden und aufgelistet. Für Frankreich fanden sich im selben Zeitraum etwa 300 Propaganda-Attacken. Italien taucht rund 170-mal auf. Grundlage der Analyse sind öffentlich zugängliche Medienberichte und Äußerungen.
„Der Kreml schafft von Deutschland ein geistiges Bild, in dem es in einem Chor irrationaler ‚Russophobie‘ einige wenige vernünftige Stimmen gibt“, heißt es. Als Beleg werden mehrere Kampagnen russischer Medien genannt. Immer wieder würde deutschen Politikern auch vorgeworfen, den Dialog mit Russland zu meiden.
Seit Anfang Februar etwa kursiert die Geschichte einer russischen Familie in Berlin, deren drei Kinder von den Behörden in Obhut genommen worden seien, weil ihr Wohlergehen gefährdet gewesen sei. Russische Medien und Politikerinnen hätten die deutschen Behörden beschuldigt, Russen in Deutschland systematisch zu unterdrücken, heißt es in dem EU-Bericht. Eine Website habe den Vorfall als „Antwort auf Kremlkritiker Alexej Nawalny“bezeichnet.
Der EU-Bericht sieht eine „Doppelzüngigkeit“Russlands: Geschichten wie diese würden häufig nicht in den deutschsprachigen Angeboten der russischen Medien
verbreitet. Der Kreml und das Außenministerium zeigten sich gesprächsbereit, während sie die Angriffe auf Deutschland und andere EU-Staaten erlaubten. Dies säe Unsicherheit und Zwietracht, und russische Beamte hätten dadurch mehr Handlungsspielraum.