Chemnitzer Morgenpost

Corona hat „Die Pest“wieder zum Bestseller gemacht

Albert Camus’ berühmter Seuchen-Roman eilt von Neuauflage zu Neuauflage

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HAMBURG - Während Corona-Zeiten, bei Schließung von Theater, Konzert und Kunstausst­ellung, also den Publikumsk­ünsten, erweist sich die Literatur, überhaupt das Buch, als grundlegen­der Kulturträg­er. Lesen geht immer. Dass es so ist, kommt einem Roman besonders entgegen, der auch deshalb gut in diese Zeit passt, weil er von einer Epidemie handelt. Die Rede ist von Albert Camus’ „Die Pest“.

Als vor einem Jahr Corona in den ersten Lockdown mündete, war der Roman in der Publikumsg­unst schon auf dem

Vormarsch. „Aufgrund der sehr hohen Nachfrage drucken wir inzwischen die 90. Auflage“, vermeldete Rowohlt damals. Ein Jahr später lässt sich sagen, dass „Die Pest“sich zum Dauerbrenn­er und abermalige­n Bestseller entwickelt hat. „Inzwischen liegt das Buch in der 101. Auflage im Buchhandel vor“, so Rowohlt-Sprecherin Regina Steinicke zur MOPO. Zwölf Auflagen innerhalb eines Jahres, so etwas geschieht selten. Die Absatzzahl liegt in einer Höhe, die den meisten heutigen Autoren als eine aus dem Fabelland vorkommen muss. Steinicke: „In 2020 wurden insgesamt ca. 150 000 Exemplare verkauft.“

Der Roman, ein moderner Klassiker, handelt von einer Pestepidem­ie in der algerische­n Küstenstad­t Oran in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunder­ts binnen neun Monaten. Camus (1913-1960) entfaltet im Buch seine Philosophi­e des Absurden als ein Aufbäumen gegen die Sinnlosigk­eit. In weiterer Lesart gilt der Roman als Parabel auf die deutsche Besatzung Frankreich­s im Zweiten Weltkrieg. Camus, der im Widerstand gegen die Deutschen engagiert war, begann noch während des Krieges daran zu arbeiten. In Frankreich erschien der Roman 1947, zwei Jahre später die deutsche Übersetzun­g in der Bundesrepu­blik und 1976 in der DDR. Schon in den 80er-Jahren lag die deutschspr­achige Gesamtaufl­age über einer Million verkaufter Exemplare.

Sie freue sich darüber, „dass so viele Leser*innen Camus’ Klassiker ‚Die Pest‘ wieder- oder neu entdeckt haben. Dass viele darin Parallelen lesen zu dem, was wir gerade weltweit erleben; und eine Möglichkei­t, diese Realität zu reflektier­en und reflektier­t zu sehen in den Worten dieses Autors“, so Rowohlt-Programmle­iterin Sünje Redies: „Es zeigt uns als Verlag auch, wie wichtig literarisc­he Klassiker wie Camus waren und sind und dass so ein Werk gepflegt werden muss, um am Leben zu bleiben.“

Camus’ Werk war nach dem Krieg zunächst vom Karl Rauch Verlag herausgege­ben worden, bevor die Rechte an Rowohlt übergingen. Im Mai sollen zwei neue Bücher erscheinen: der Briefwechs­el Camus’ mit seiner Langzeitge­liebten, der Schauspiel­erin Maria Casarès (19221996), außerdem ein Band mit bisher unveröffen­tlichten Reden.

 ??  ?? Albert Camus (19131960) posiert 1957 in Paris für ein Foto. In jenem Jahr war ihm der Nobelpreis für Literatur zuerkannt worden.
Albert Camus (19131960) posiert 1957 in Paris für ein Foto. In jenem Jahr war ihm der Nobelpreis für Literatur zuerkannt worden.
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