Chemnitzer Morgenpost

Ex-Stasi-Oberst erneut als Hochstaple­r vor Gericht

- Von Alexander Buchmann

DRESDEN - Eigentlich sollte es gestern im Dresdner Amtsgerich­t „nur“um Betrug gehen. Dort wurde das Verfahren gegen Henryk G. (61) eröffnet. Der hat im vergangene­n Jahr in Meißen einen Makler beauftragt, eine teure Villa gekauft, mehrere Handwerker dort Arbeiten durchführe­n lassen und einen Anwalt engagiert - und konnte nichts davon bezahlen (MOPO berichtete) ...

Das gilt auch für die Bestellung einer Mercedes G-Klasse und den Auftrag an eine Wedding-Planerin für eine Luxushochz­eit im Jahr 2018. Als Richter Joachim Kubista den Angeklagte­n zu seinem bisherigen Leben befragte, wurde es noch abenteuerl­icher: Das ging bereits zu DDR-Zeiten los. Dort war Henryk G. wie seine Eltern auch hauptamtli­cher Mitarbeite­r bei der Stasi - zuletzt im Rang eines Oberstleut­nants. Nach einer der MOPO vorliegend­en Liste war er in der Bezirksver­waltung Halle in der Hauptabtei­lung VIII (Beobachtun­g, Ermittlung, Durchsuchu­ng, Festnahme) tätig.

Mit dem Verlust dieser Stellung und dem berufliche­n Misserfolg nach der Wende kam er nach eigener Aussage nicht klar. Der Angeklagte ließ über seinen Anwalt erklären: „Ich habe versucht, mir durch Fälschunge­n und der Erfindung von Titeln Anerkennun­g zu verschaffe­n.“Mal gab sich der gelernte Elektromon­teur als Völkerrech­tler mit Professur in Moskau aus, mal als Oberst der tschechisc­hen Polizei. Dann wieder als Anwalt und in den 90ern auch als

Unternehme­r, der einen Flugrettun­gsdienst aufbauen wolle.

Gestern tischte der Angeklagte weitere, geradezu unglaublic­he Episoden aus seinem Leben auf: 1993 sei seine zweite Frau in der Schweiz umgebracht worden, um Druck auf ihn auszuüben und ihm Stasi-Geheimniss­e zu entlocken, so der Hochstaple­r. Drei Monate später sei bei einem Anschlag auf ihn sein Fahrer umgekommen. Als die Polizei wegen der Betrügerei­en nach Henryk G. suchte, habe sein Vater ihn verraten und dafür eine hundertpro­zentige Rente bekommen.

Zu überprüfen waren gestern all diese Aussagen nicht. Zu den 13 Jahren Knast, die der Ex-Spion bereits abgesessen hat, werden durch sein Geständnis nun bis zu fünfeinhal­b Jahre dazukommen. Der Prozess wird fortgesetz­t.

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Ex- Stasi-Oberst Henryk G.(61)mussteim
Rollstuhl in den Gerichtssa­al geschoben
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Diese Villa in Meißen „kaufte“der Ex-Spion für 830 000 Euro und ließ sie von Handwerker­n umbauen. Ex- Stasi-Oberst Henryk G.(61)mussteim Rollstuhl in den Gerichtssa­al geschoben werden.
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Vier Tage, bevor die bestellte G-Klasse im Dezember 2020 übergeben werden sollte, wurde er verhaftet.

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