Stasi-Drama kaum auszuhalten
Vor 40 Jahren wurde in der DDR zum letzten Mal die Todesstrafe vollstreckt, wegen angeblicher Spionage. Das Opfer: Werner Teske. Der Film „Nahschuss“greift sein Schicksal auf, mit Lars Eidinger in der Rolle des 39-Jährigen, der hier Franz Walter heißt.
Für Walter läuft es gut. Er hat gerade promoviert, ist verliebt und hat Aussichten auf einen guten Job und eine schöne Wohnung. Er soll die Nachfolge seiner Professorin an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin antreten. Zuvor gibt es nur eine Kleinigkeit für ihn zu tun - für den Auslandsnachrichtendienst der DDR, für die Staatssicherheit. Ein Auftrag, der ihn psychisch und moralisch an seine Grenzen bringt.
Der Filmemacherin Franziska Stünkel gelingt es, mit einfühlsamer Regie und hervorragendem Ensemble eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen, aus der es kein Entrinnen gibt. Die Kontrolle des Staates ist darin allgegenwärtig. Nichts, was der Stasi verborgen bleibt. Bis in intimste Bereiche hinein sammelt sie ihre Informationen und setzt ihre Opfer damit skrupellos unter Druck.
Eidinger spielt diesen Franz großartig - einen jungen Wissenschaftler voller Pläne, der an eine gute Zukunft glaubt. Dem beim Gedanken an seine Arbeit für die Staatssicherheit zwar leicht unwohl ist, der dann aber doch das macht, was die Stasi-Oberen von ihm verlangen: den in die Bundesrepublik geflohenen Fußballer Horst Langfeld (Leon Högehoge) bespitzeln. Dazu muss er sogar nach Hamburg reisen, gemeinsam mit seinem Vorgesetzten Dirk, beflissen-schmierig gespielt von Devid Striesow. Erst allmählich bekommt die Zuversicht von Franz Risse, wachsen die Zweifel. Doch eines macht ihm die Stasi unmissverständlich klar: Aussteigen kommt nicht infrage. Eidingers Darstellung geht unter die Haut und ist bisweilen kaum auszuhalten. Beeindruckend auch Luise Heyer als Corina, die den Erfolg ihres Liebsten anfangs kaum hinterfragt.
In Stünkels Geschichte geht es nicht um Heldentum oder moralische Überlegenheit. Es geht um nichts weniger als um Menschlichkeit und das, was Willkür, Diktatur und Machtmissbrauch anrichten. Die Regisseurin wollte mit ihrem Film auf ein düsteres Kapitel der Geschichte hinweisen. Dass es die Todesstrafe in der DDR gegeben habe, sei wenig im Bewusstsein der Gesellschaft verankert, stellte Stünkel fest. Der Film will seinen Teil zur Aufklärung beitragen. Er verweist deshalb nicht nur auf Teske, der am 26. Juni 1981 mit einem Genickschuss getötet wurde, sondern auch auf die 165 anderen Menschen, die in der DDR hingerichtet wurden. Erst 1987 wurde die Todesstrafe abgeschafft.
Fazit: Ein düsteres Stück Zeitgeschichte.
Cordula Dieckmann