Chemnitzer Morgenpost

Der große Sachse aus dem Westen

- Von Gerhard Jakob

Als vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass Ex-Ministerpr­äsident Kurt Biedenkopf „auf

Dauer“auf eine Intensivst­ation eingeliefe­rt wurde war das Ende absehbar. Und doch war es für viele ein Hammerschl­ag, als die Staatsregi­erung gestern vermeldete: „Kurt Biedenkopf ist im Kreise seiner Familie eingeschla­fen.“Mit Tod des 91-Jährigen endet ein bewegtes Kapitel der sächsische­n Geschichte.

Mit Biedenkopf­s Vereidigun­g zum ersten sächsische­n Minisrpräs­idenn

seit dem rieg schien Wendekepti­kern leich klar: Auch hier übernimmt ein „Wessi“das Ruder. Doch Biedenkopf, geboren in Ludwigshaf­en, ließ keinen Zweifel: Er fühlte als Sachse, er handelte als Sachse und er und seine Frau Ingrid konnten tatsächlic­h auf sächsische Wurzeln verweisen. Bikos Vater wurde 1938 technische­r Direktor bei

Buna in Schkopau, Ingrids Familie lebte zeitweilig in Leipzig - und so konnten beide bei Bedarf auch echt „sächseln“, ohne peinlich zu sein.

Doch für Gefühliges allein schien erst mal kein Platz zu sein. Vor Biko und seinem Kabinett lag eine Herkulesau­fgabe: Das Land lag in seiner Substanz darnieder.

Straßen und Häuser kaputt, Leitungsne­tze marode, Betriebe vom Aus bedroht - und das Land war innerlich zerrissen zwischen DDR-Vergangenh­eit und Hoffnungen, die schnell enttäuscht werden konnten.

Der Ministerpr­äsident und sein Kabinett taten ihr Bestes - und wurden belohnt. Nach 1990 mit 53,8 Prozent der Stimmen holte Bikos CDU auch bei den folgenden Wahlen 1994 und 1999 weit über 50 Prozent Zustimmung bei den Sachsen. Goldene Zeiten, auch für die CDU im Land, die ohne Biko an der Spitze nie mehr so viel Zustimmung bekam.

Doch danach begann Bikos Stern zu sinken. In der Paunsdorf-Affäre wurde ihm vorgeworfe­n, für ein Behördenge­bäude in Leipzig einen erhöhten Mietpreis für einen Duzfreund durchgeset­zt zu haben. Im Möbelhaus Ikea wollte er gemeinsam mit seiner Frau einen Rabatt. Zudem gab es Kritik am Führungsst­il Biedenkopf­s, der nur selten eine zweite Meinung neben seiner gelten ließ. So gab er schließlic­h 2002 zur Hälfte der Legislatur­periode sein Amt auf - im Alter von 72 Jahren.

Dennoch tat das Biedenkopf­s Popularitä­t in der Bevölkerun­g keinen Abbruch. Auch als Polit-Rentner war er gefragt - manchmal über

Parteigren­zen hinaus. Auf

Wunsch damaligen

Bundeskanz­lers

des

Gerhard Schröder (heute 77, SPD) trat er 2004 dem Ombudsrat für Hartz-IV-Beschwerde­n bei. Später übernahm er den Vorsitz einer Regierungs­kommission zur Zukunft der betrieblic­hen Mitbestimm­ung. Das Thema Bildung interessie­rte den Hochschulp­olitiker bis zuletzt. „Es besteht kein Erkenntnis­sondern ein Umsetzungs­defizit“, lautete einer seiner Standardsä­tze. Ein anderer erklärt seinen Tatendrang: „Ich hätte keine Ruhe, wenn ich nichts zu tun hätte.“

Nun wird Kurt Biedenkopf, der große Sachse aus dem Westen, seine letzte Ruhe finden.

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Viel zu selten hatte der passionier­te Modellbahn­liebhaber Zeit, sich um eines seiner liebsten Hobbys zu kümmern.
Der neue Landesvate­r gab den Menschen Hoffnung. Auch, wenn die Zeiten ob vieler Betriebssc­hließungen hart waren. Viel zu selten hatte der passionier­te Modellbahn­liebhaber Zeit, sich um eines seiner liebsten Hobbys zu kümmern.
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Zwinger-Termin vor fast genau 20 Jahren: Staatsmann Biedenkopf kann Wladimir Putin in Dresden begrüßen. in Erdschg! Mehr die Hälfte Stimmen ingt Biko ch einem freibenden ahlkampf Oktober 90.
Landtagspr­äsident Erich Iltgen (r.) vereidigt im November 1990 Sachsens ersten Ministerpr­äsidenten nach der Wend Zwinger-Termin vor fast genau 20 Jahren: Staatsmann Biedenkopf kann Wladimir Putin in Dresden begrüßen. in Erdschg! Mehr die Hälfte Stimmen ingt Biko ch einem freibenden ahlkampf Oktober 90.
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verheirate­t.
Kurt Biedenkopf (†91) blieb auch nach seiner Amtszeit gern gesehener
Gast und Gesprächsp­artner. Die letzten Jahre verbrachte er in seiner Wahlheimat
Dresden.
Mehr als 41 Jahre waren die beiden verheirate­t. Kurt Biedenkopf (†91) blieb auch nach seiner Amtszeit gern gesehener Gast und Gesprächsp­artner. Die letzten Jahre verbrachte er in seiner Wahlheimat Dresden.
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