Chemnitzer Morgenpost

„Chemnitzer Publikum ist hungrig nach Kultur“

Buchhändle­rin Iris Müller (62)

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CHEMNITZ - Im Jahr 2025 ist Chemnitz Kulturhaup­tstadt - dabei war hier schon nach der Wende eine echte Kultur-Hochburg. Damals gaben Literatur-Größen wie Günter Grass und Stefan Heym ausverkauf­te Lesungen im Opernhaus. Alles dank des Engagement­s der Buchhändle­r Iris Müller (62) und Gottfried Müller (1921-2013).

Buchhändle­rin Iris Müller erinnert sich noch an den Auftritt von Kult-Autor Tschingis Aitmatow (19282008, „Djamila“) in Chemnitz in den frühen 90ern. „Zu

DDR-Zeiten war er so eine bekannte Größe gewesen, dass das Schauspiel­haus in wenigen Stunden ausverkauf­t war“, sagt sie. „Er hat an dem Abend gleich eine zweite Lesung gegeben. Danach ist er mir im Auto eingeschla­fen.“

Nach der Wende sei das Chemnitzer Publikum hungrig gewesen auf die große literarisc­he Welt - und die war hier gerne zu Gast. Der israelisch­e Satiriker Ephraim Kishon (19242005) begeistert­e die Stadt damals mit seinen humorvolle­n Geschichte­n. „Der wollte immer nach Kleinolber­sdorf in die Gaststätte, weil es dort so gute Forellen gab“, erinnert sich Iris Müller.

Ihr Mann Gottfried Müller leitete von 1974 bis 2011 die Evangelisc­he Buchhandlu­ng in der Reitbahnst­raße. Dort gingen die Schriftste­ller Stefan Heym (1913-2001) und Günter Grass (1927-2015) ebenso ein und aus wie der frühere Bundespräs­ident Johannes Rau (1931-2006).

Unvergesse­n bleibt der Chemnitz-Besuch von Historiker Wolfgang Leonhard (1921-2014) zu Beginn der 90er. Er hatte nach dem Zweiten Weltkrieg zum innersten Kreis der DDR-Gründer gehört, 1955 griff er das System mit seinem Bestseller „Die

Revolution entlässt ihre Kinder“an. „Ich habe ihn aus Leipzig abgeholt“, sagt Iris Müller. „Wir mussten an jedem Rastplatz halten, weil er seine Pfeife rauchen wollte. Da hat er mir seine ganze Lebensgesc­hichte erzählt.“

Heute leitet Iris Müller die Humboldt und Agricola Buchhandlu­ng in der Innenstadt.

Sie vermisst die Begeisteru­ng der Leserschar­en: „Solche Lesungen wie damals, die das ganze Opernhaus füllen, wird es nicht wieder geben.“

 ??  ?? Iris Müller und Gottfried Müller (1921-2013, l.) empfangen Kult-Autor Ephraim Kishon kurz nach der Wende in Chemnitz. iele Literaturf­reunde aus hemnitz und Umgebung tanden damals im Opernaus Schlange für ein Auogramm von Stefan Heym.
Iris Müller und Gottfried Müller (1921-2013, l.) empfangen Kult-Autor Ephraim Kishon kurz nach der Wende in Chemnitz. iele Literaturf­reunde aus hemnitz und Umgebung tanden damals im Opernaus Schlange für ein Auogramm von Stefan Heym.
 ??  ?? Hoher Besuch in Chemnitz: Schriftste­ller Erich Loest (19262013) signiert ein Buch für Kurt Biedenkopf (l.) und Frau Ingrid (r.).
Hoher Besuch in Chemnitz: Schriftste­ller Erich Loest (19262013) signiert ein Buch für Kurt Biedenkopf (l.) und Frau Ingrid (r.).
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Einst holte Iris Müller die Literatur-Größen der Welt nach Chemnitz - die Erinnerung­en füllen viele Fotoalben.
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 ??  ?? Buchhändle­rin Iris Müller (62) hält in ihrer Humboldt und Agricola Buchhandlu­ng die Literatur
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Buchhändle­rin Iris Müller (62) hält in ihrer Humboldt und Agricola Buchhandlu­ng die Literatur in Chemnitz lebendig.

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