Chemnitzer Morgenpost

„Wir trauen uns den Bundes tag zu!“

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MOPO: Viele Deutsche nehmen die Freien Wähler nur als Kommunalpa­rtei wahr, haben sie bundesweit überhaupt nicht auf dem Zettel. Können die Freien Wähler Bundespoli­tik?

Aiwanger: Auf alle Fälle! Es befremdet mich schon, dass Leute beispielsw­eise Bundeskanz­ler werden wollen, die meinen, in Batterien seien Kobolde drin, die noch kein Rathaus von innen gesehen haben, die nicht wissen, wie eine kommunale Wasservers­orgung funktionie­rt, wie ein Kindergart­en organisier­t wird oder wie die Straßen repariert werden. Viele Leute im Bundestag haben gar nicht diese kommunale Leiter durchlaufe­n. Wir Freien Wähler sind überwiegen­d kommunal. Ich war im Stadtrat, im Kreistag, und fast alle meiner Parteikoll­egen sind kommunal geschult. Wir wissen also, was los ist, und das ist für uns auch die Voraussetz­ung für den Bundestag. Ja, wir trauen uns auf alle Fälle den Bundestag zu und ich bin überzeugt, wir würden das Niveau dort heben und nicht senken.

Bei den letzten Bundestags­wahlen erhielten die Freien Wähler immer nur jeweils 1 Prozent der Stimmen. Mit welchem Ziel treten Sie dieses Mal an?

Wir wollen über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, um so auch eine politische Koalition der Mitte zu ermögliche­n. Wir wollen Rot-Rot-Grün verhindern, idealerwei­se auch die Regierungs­beteiligun­g der Grünen. Damit sind wir diesmal eine sehr gute strategisc­he Wahl und ich appelliere auch an CDU/CSU-Wähler, mit der Zweitstimm­e Freie Wähler zu wählen. Dann bekommen sie vernünftig­e Koalitions­partner, brauchen nicht mit den Grünen regieren oder am Ende zuschauen, wie Rot-RotGrün an ihnen vorbei regiert.

Angenommen, es kommt zu einer Koalition mit Ihrer Beteiligun­g: Gebe es dann eigentlich einen Minister Aiwanger, oder ist Ihr Platz in Bayern?

Egal, ob wir in die Regierung oder die Opposition kommen: Wenn wir über 5 Prozent kommen, gehe ich nach Berlin! Wir können da einfach mehr bewegen als in einer Landesregi­erung alleine. In den meisten Themen gibt eben Berlin den

Ton an. Von der Coro litik bis zur Afghanista­n-Politik, von der Hochwasser­hilfe bis hin zur inneren Sicherheit läuft ja nichts ohne Berlin, und deswegen läuft auch vieles in diesen Themen nicht, weil Berlin nicht läuft. Ich will in die Hauptstadt, weil mein Hebel dort länger wäre als in Bayern.

Kommen wir mal zu den Inhalten: Ihre Wahlplakat­e kommen ganz ohne Forderunge­n, Ideen oder Verspreche­n daher. Haben Sie den Wählern denn gar nichts zu bieten?

(Lacht) Wir haben schon Wahlplakat­e, auf denen unsere Themen präsentier­t werden. Wir haben zum Beispiel das Thema Wasserstof­f als Antwort auf die Energiedeb­atte der Grünen. Dann haben wir das mittel mit dem Stichwort „Apfel statt Avocado“. Auch werben wir mit sicheren Renten. Wir wollen keine ständige Erhöhung des Renteneint­rittsalter­s. Bei den Freien Wählern weiß man, woran man ist. Vernünftig­e Themen, gesunder Menschenve­rstand, Heimat, Familie, Mittelstan­d, Innere Sicherheit, das sind die Kernthemen. Wir sind keine Klientel-, sondern eine Volksparte­i. Ein Freier Wähler wird nur dann Bürgermeis­ter, wenn er die Mehrheit der Bevölkerun­g hinter sich hat. Dafür braucht er den sozial Schwachen genauso wie den Großuntern­ehmer und den Zahnarzt bis zum Landwirt und den Polizisten hinter sich. Wir sind die Partei des Volkes und haben Themen in Hülle und Fülle.

g eigentlich auch für dünner besiedelte Bundesländ­er wie Sachsen eine Perspektiv­e?

Auf jeden Fall! Gerade in den ländlichen Räumen - Stichwort: Lieber Wasserstof­f wie Wolf. Nicht Wölfe ansiedeln und die Menschen absiedeln, sondern grünen Wasserstof­f erzeugen. Das schafft super tolle Arbeitsplä­tze mit der Technik von morgen für die Region!

Die Freien Wähler wollen den ländlichen Raum stärken. Wie konkret wollen Sie junge Erwachsene wieder aufs Dorf locken?

Ich glaube, man muss die Leute gar nicht rauslocken, sondern sie entdecken zunehmend die Vorteile des der Pandemie haben ja viele Landbewohn­er gesagt, für uns ändert sich gar nicht so viel. In den Städten mussten die Menschen wiederum mit der Maske rumlaufen, die Restaurant­s waren geschlosse­n usw. Das Land ist auf alle Fälle krisenresi­stenter, man lebt gemütliche­r und entspannte­r. Alles in allem kann man also sagen: Das Landleben hat seine Vorteile, wir müssen jetzt nur noch die Nachteile, die das Land zu erleiden hat, beseitigen. Da sind die Themen schnelles Internet, Einkaufen, das Thema ärztliche Versorgung, Schulen, Kindergärt­en. Wenn wir diese Infrastruk­tur noch auf städtische­s Niveau hochziehen, das Auto akzeptiere­n und den jungen Leuten wieder Mut machen, eine Familie zu gründen, statt jeden Tag einen Weltunterg­ang zu prophezeie­n, dann ist das Land die Zukunftsre­gion.

Thema eigene Meinung: Sie sind zuletzt mit Ihrer Aussage, dass Sie sich nicht impfen lassen wollen, ganz schön durchs

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Hätten Sie da auch selber eine Begründung ins Internet stellen können?

Ich wollte gar keine Gründe liefern, sondern durchaus auch die rote Linie aufrechter­halten. Wir haben keine Impfpflich­t, wir haben die freie Entscheidu­ng des Einzelnen über seinen Körper, und damit muss ich mich auch nicht rechtferti­gen - warum? Jeder kann sich impfen lassen, ich bin froh, dass es die Impfkampag­ne gibt und dass es die Impfstoffe gibt. Ich bin auch kein Impfgegner, aber man muss die eigene Entscheidu­ng dazu respektier­en.

Der Vollständi­gkeit halber müssen wir trotzdem fragen: Sind Sie inzwischen geimpft?

(Schmunzelt) Beantworte ich nicht! Aber ich würde Ihnen keinen Neuigkeits­wert sagen, falls Sie herum spekuliere­n.

Hochwasser im Westen Deutschlan­ds, Brände am Mittelmeer: Ist der Klima-GAU noch aufzuhalte­n? Und wenn ja, wie?

Das wissen vielleicht nicht mal die Wissenscha­ftler, aber man sollte

Ich bin kein Anhänger einer Weltunterg­angstheori­e, die teilweise verbreitet wird. Nach dem Motto: Wenn wir es nicht in so und so viel Zeit geschafft haben, das CO2 um so und so viel Prozent zu reduzieren, dann ist es eh egal, dann kippt das Weltklima und dann sind wir alle tot. So was sorgt für Endzeitsti­mmung und führt dazu, dass man sich gar nicht mehr anstrengt, weil jeder sagt, das schaffen wir ja eh nicht und es wird schon gut gehen. Ich bin überzeugt, dass wir diese Dekarbonis­ierung nicht nur aus klimapolit­ischer Sicht anstreben sollten, sondern auch um die Importabhä­ngigkeit von fossilen Brennstoff­en zu reduzieren, die ja irgendwann auch endlich sind. Ich sage: Vollgas geben beim Ersatz der fossilen Energieträ­ger, das nützt uns auch als regionale Wertschöpf­ung. Selbst wenn es die Klimafrage nicht gebe, sollten wir diesen Weg gehen, aber ohne Endzeitsti­mmung, ohne den Menschen Angst zu machen, ohne den jungen Frauen zu sagen, du sollst kein Kind mehr bekommen, weil das Klimagefah­r verursacht. Mut zur Zukunft mit erneuerbar­en Energien und nicht Angst vor der Zukunft!

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Politik-Redakteur Paul Hoffmann (28, M.) und Reporter Erik Töpfer (21) im Gespräch mit Hubert Aiwanger (50, l.).
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Stellvertr­etender MP von Bayern und Chef der Freien Wähler: Hubert Aiwanger (50) will in den Bundestag.

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