Afghanischer Ex-Minister verdingt sich jetzt in Leipzig als Essenausfahrer
LEIPZIG - Die Geschichte klingt wie ein Märchen - nur mit umgekehrter Dramaturgie: Sayed Sadaat (50) war in Afghanistan einst Teil der Regierung und Minister unter Präsident Aschraf Ghani (72) - heute arbeitet er als Essenausfahrer in Leipzig.
Seit Dezember 2020 wohnt Sadaat in der Messestadt. Aufgewachsen in Afghanistan sei er mit zwölf Jahren nach Pakistan gekommen, erzählt er. Später habe er in Oxford Ingenieurwesen studiert, zwei Master in Telekommunikation gemacht und für viele verschiedene
Firmen gearbeitet.
„Für ungefähr 20 Netzwerke in 13 Ländern“, erzählt Sadaat.
Seine Angaben lassen sich nicht nachprüfen. Zu finden sind allerdings bis heute Artikel über ihn auf der Internetseite des afghanischen Kommunikationsministeriums. Dort sei er 2016 angestellt worden, sagt Sadaat. „Nach einem Vorstellungsgespräch mit Präsident Ghani bot er mir einen Job als stellvertretender Technologieminister an.“Monate später sei der Minister entlassen worden, er selbst wurde Minister.
Sadaat sagt, dass er Afghanistan zu einem digitalen Zentrum der Region machen, sogar einen eigenen Mobilfunk-Satelliten ins All jagen wollte. Doch 2018 kam der Rücktritt: Ein enger Zirkel um den Präsidenten habe ihn dazu gedrängt. „Sie wollten, dass ich illegale Sachen mache, doch das wollte ich nicht“, erzählt er.
Nach dem Politik-Aus ging Sadaat nach Deutschland, hoffte auf einen Job in der Telekommunikationsbranche. Doch immer war es das Fehlen deutscher Sprachkenntnisse, das einer Anstellung im Wege stand. Mittlerweile lernt der Afghane täglich Deutsch.
Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, jobbt Sadaat nun für Lieferando, radelt teils Hunderte Kilometer pro Woche durch Leipzig und fährt Essen aus. Ein Problem sei das für ihn nicht, meint der Ex-Politiker. Dennoch hofft Sadaat, dass seine Erfahrung und sein Wissen über Afghanistan noch gebraucht werden. Gerne würde er für die Telekom arbeiten oder als Regierungsberater.