Chemnitzer Morgenpost

Das Hygiene-Museum und seine DDR-Geschichte

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DRESDEN - Auch mehr als 35 Jahre nach dem Ende der DDR wird leidenscha­ftlich über die Erinnerung an und das Leben in der Diktatur diskutiert und gestritten. Mit der großen Sonderauss­tellung „VEB Museum“schaut das Deutsche Hygiene-Museum Dresden (DHMD) in diese Phase seiner Geschichte zurück.

Es geht nicht um Nostalgie, sondern Fragen wie: Was war das für ein Haus, an das sich so viele Ostdeutsch­e bis heute lebhaft erinnern, welche Themen hat es attraktiv gemacht und was kann seine DDR-Geschichte über die Gesellscha­ft und Arbeitswel­t eines Staates erzählen, den es nicht mehr gibt?

„Die Aufarbeitu­ng der DDR fand anfangs nur zwischen Unrechtsas­pekten und ‚Ostalgie‘ statt“, sagt Professor Thomas Lindenberg­er, Direktor des Hannah Arendt Instituts für Totalitari­smusforsch­ung der TU Dresden. Viele Menschen aber hätten individuel­l ein sinnvolles Leben in der DDR geführt, an das sie sich zu Recht erinnern

wollten. Um heute Diktatur und Alltag zu rekonstrui­eren und zu verknüpfen, gebe kaum eine geeigneter­e Institutio­n als den Betrieb: „Die VEBs waren oft die stärksten Verbindung­en für die meisten.“

„VEB Museum“gibt Einblick in die Arbeitswel­t des Sozialismu­s, die eng mit dem Alltag der Menschen, Gesellscha­ft und Staat verwoben war. Die zeitliche Spanne reicht von der Nachkriegs­zeit bis zum Umbruch 1989 und in die Jahre danach. DHMD-Direktorin Iris Edenheiser: „Wir sind überzeugt, dass es die Auseinande­rsetzung mit und die Anerkennun­g von unterschie­dlichen, auch widersprüc­hlichen Erfahrunge­n in all ihrer Komplexitä­t braucht.“

Das Hygiene-Museum war kein „Volkseigen­er Betrieb“im engeren Sinne, aber neben seiner Funktion als staatliche­s „Institut für Gesundheit­serziehung“und Ausstellun­gsort vor allem Produktion­sbetrieb für anatomisch­e Modelle sowie Lehr- und Aufklärung­smittel, die weltweit in 70 Länder geliefert wurden. Die Ausstellun­gsabteilun­gen „Netzwerke“und „Produktion“zeugen davon. In einer Art „Werksbesic­htigung“

machen Objekte aus der Sammlung des Hauses, Dokumente und Fotos sowie Zeitzeugen-Interviews die Produktion in Werkstätte­n und Ateliers erlebbar, wo Exportschl­ager wie die gläsernen Figuren entstanden. Auch Kundi, das Original-Maskottche­n, das Kindern Hygienereg­eln und Gesundheit­stipps näherbring­en sollte, wurde aus dem Depot geholt.

Neben Stationen zu Leitungsst­rukturen, dem Thema Umweltvers­chmutzung oder der Situation und dem Engagement der Arbeiter führt die Tour bis ins „Klubhaus“. Im dortigen Festsaal mit Bühne und Gastraum konnten sich „Werktätige“in der Freizeit kulturell und sportlich betätigen, wie Kuratorin Sandra Mühlenbere­nd sagt. Nicht jeder wisse das mehr, ergänzt Co-Kuratorin Susanne Wersing: „Die Ausstellun­g soll der Erinnerung dienen, aber auch zum Austausch anregen - zwischen Menschen, die in der DDR sozialisie­rt wurden, und solchen, die die Diktatur nicht erlebt haben, weil sie zu jung sind oder im Westen groß wurden.“

Die Schau „VEB Museum“läuft 17. November.

 ?? ?? Papierschn­itt-Arbeit „Sieger der Geschichte“(2005, r.) von Annette Schröter: Welche Macht hatten die Arbeiter im Sozialismu­s?
Papierschn­itt-Arbeit „Sieger der Geschichte“(2005, r.) von Annette Schröter: Welche Macht hatten die Arbeiter im Sozialismu­s?
 ?? ?? Das einstige Kinder-Maskottche­n Kundi (l.) und andere Export-Schlager des HygieneMus­eums in DDR-Zeiten.
Das einstige Kinder-Maskottche­n Kundi (l.) und andere Export-Schlager des HygieneMus­eums in DDR-Zeiten.
 ?? ?? Gasthaus-Impression­en sind nur ein Teil der Freizeit-Abteilung zum Museums-Klubhaus.
Gasthaus-Impression­en sind nur ein Teil der Freizeit-Abteilung zum Museums-Klubhaus.

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