„Alles, was wir anpacken, Menschen zu stä
BERLIN - Hört man in den Medien den Namen von Familienministerin Lisa Paus (55, Grüne), geht es meist um die Kindergrundsicherung. Doch was stehen aktuell noch für Projekte auf der Agenda der deutschen Politikerin? Die MOPO war für Sie vor Ort - im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin.
Frau Paus, wie schwierig ist es in Zeiten multipler Krisen, für die eigenen Themen Gehör zu finden?
Die Themen meines Hauses sind vielleicht nicht jeden Tag in den Headlines, aber sie betreffen die Menschen sehr direkt. Alles, was wir im Familienministerium anpacken, zielt darauf ab, Menschen zu stärken und so dafür zu sorgen, dass sie gut auch durch eine Zeit der Krisen kommen.
Bestimmen die Corona-Nachwirkungen noch den Berufsalltag der Familienministerin?
Gerade im Rahmen unserer Kinderund Jugendarbeit spielt das natürlich weiter eine Rolle. Wir haben zum Beispiel die „Mental Health Coaches“auf den Weg gebracht: Im Rahmen eines Pilotprojektes an Schulen unterstützen Sozialpädagogen die Kinder und Jugendlichen in ihrer mentalen Gesundheit. Das ist nach den Zeiten von Distanz und Home-Schooling ganz besonders wichtig. Außerdem wollen wir als Bundesregierung eine Sonderzulassung für Kinder- und Jugendpsychotherapeuten auf den Weg bringen, weil wir wissen, dass die Wartelisten da lang sind.
Gibt es auch Bemühungen im Bereich des Konfliktmanagements?
Bei vielen Menschen ist wegen der Krisen die Lunte inzwischen ein bisschen kürzer. Aber es ist wichtig zu wissen, wie man Konflikte lösen kann, ohne dass gleich die Fäuste fliegen. Deswegen unterstützen wir beispielsweise die „Respekt Coaches“, die an Schulen helfen, Konflikte respektvoll zu lösen.
„Demokratie ist doch etwas Wunderbares“
Eines Ihrer Herzensprojekte ist das Programm „Demokratie leben!“. Kurz erklärt, worum geht’s dabei?
Eine Demokratie mit all ihren Vorzügen für jeden Einzelnen funktioniert nur, wenn sie im Alltag und vor Ort gelebt wird. Das ist gerade in Krisenzeiten nicht immer einfach und deswegen ist es so wichtig, dass die Menschen sie gerade dann auch stützen und leben wollen. Hier greift das Programm mit Projekten zur Extremismusprävention, Teilhabe und Demokratieförderung. Wir unterstützen aber beispielsweise auch, wenn Menschen aus extremistischen, egal ob aus islamistischen, rechts- oder linksextremistischen, Kreisen aussteigen wollen und wir helfen Opfern von extremistischer Gewalt.
Dennoch gibt es in der Öffentlichkeit jede Menge Kritik an „Demokratie leben!“…
Ich erlebe vor allem viel Zustimmung für die wichtige Arbeit der vielen Engagierten aus der Zivilgesellschaft. Ich bin aber tatsächlich überrascht, dass von manchen grundsätzlich infrage gestellt wird, ob wir das aktive Arbeiten für die Demokratie als Staat unterstützen sollten. Ich sage da ganz klar: Natürlich ist es auch staatliche Aufgabe, Extremismus zu bekämpfen und
Teilhabe sowie die Demokratie zu stärken. Es geht hier um den Auftrag, den uns das Grundgesetz mit auf den Weg gibt. Ich verstehe das als unseren Beitrag für eine wehrhafte Demokratie.
Ihr Standpunkt ist also, dass wir als Gesellschaft aktiv für die Demokratie eintreten?
Natürlich. Demokratie ist doch etwas Wunderbares. Demokratie erlaubt uns, selbst mitbestimmen zu können und in einer Gesellschaft, in der ganz unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse zusammenkommen, friedlich und in Respekt voreinander unsere Konflikte über Kompromisse zu lösen. Niemand muss Angst haben, seine Meinung zu sagen, jeder hat Rechte, die er oder sie vor Gericht einklagen kann. Das bietet keine andere Regierungsform. Die Menschen selbst sind es, die entscheiden, wer die Macht bekommen soll. Wir würden uns doch selbst schaden, wenn wir das leichtfertig wieder aufs Spiel setzen würden.
Demokratie stärken ist wichtig und richtig. Doch was bringt es, den Menschen die Vorzüge aufzuzählen, wenn sie tagtäglich von Regierung und Co. enttäuscht sind, weil vor ihrer Haustür nicht einmal regelmäßig ein Bus fährt. Sollte man nicht erst einmal da ansetzen?
Selbstverständlich. Eine Regierung, die auf die Probleme in meinem direkten Umfeld reagiert, ist natürlich immer besser als eine, die das nicht tut. Deshalb sind alle aufgefordert, zu schauen, wo etwas besser laufen kann. Auch meine Regierung kann Dinge besser machen. Wichtig ist aber: Schlechte und gute Politik sollte man innerhalb der Demokratie lösen. Das ist keine Systemfrage.
Ein weiterer Punkt Ihrer Arbeit ist das Thema Einsamkeit …
Als Bundesregierung haben wir erstmals eine Einsamkeitsstrategie mit sehr konkreten Maßnahmen verabschiedet. Zudem wird es in diesem Jahr, ebenfalls zum ersten Mal, ein Einsamkeitsbarometer geben. Das wird zeigen, wie wichtig die Arbeit an dem Thema ist. Einsamkeit ist für den Einzelnen nicht gut, kann zu gesundheitlichen Problemen wie Depressionen führen. Sie ist aber auch für uns als Gesellschaft nicht gut, weil sich Einsame von ihrer Umgebung verlassen und verraten fühlen. Sie ziehen sich enttäuscht zurück und vertrauen dann auch weniger in die Demokratie.
Kommen wir zu den Kleinsten unserer Gesellschaft. Was tut Ihr Haus da aktuell, dass es unseren Kindern besser geht?
Gemeinsam mit den Ländern fördern wir beispielsweise den Ausbau von Ganztagsangeboten. Beim Blick auf Grundschulen ist das Glas eher halb leer als halb voll. Gerade einmal die Hälfte von ihnen sind Ganztagsschulen. Das muss sich ändern.
Eine fast schon unverständliche Aussage für einen Ostdeutschen, wo der Hort seit Generationen wie selbstverständlich dazugehört.
Es gibt einen deutlichen Ost/WestGegensatz, da haben Sie recht, und das gehen wir als Bund an, indem wir die Länder beim Ausbau der Angebote unterstützen. Aber es gibt noch ein anderes wichtiges Thema, um das wir uns kümmern, über das aber nicht gerne geredet wird.
„Auch meine Regierung kann Dinge besser machen“
Welches?
Die Hospiz- und Palliativversorgung. Sie ist ein zentrales Thema, wenn wir auf die demografische Entwicklung unserer Kommunen schauen - gerade im ländlichen Raum. Ambulant funktioniert das nicht immer, wie es sollte. Mir ist im Zusammenhang mit der Infrastruktur für ältere Menschen aber auch wichtig, dass Senioren auf dem Land nicht von der gesellschaftlichen Teilhabe abgehängt werden. Wir können nicht verhindern, dass beispielsweise die Sparkasse ihre Filiale schließt. Wenn das Online-Banking aber nicht barrierefrei ist, dann ist das nicht okay. Deshalb muss auch die Digitalisierung auf dem Land vorangebracht und die Menschen dabei unterstützt werden.