Chemnitzer Morgenpost

Wie Kaufhaus-Erpre die Polizei nar Sser Dagobert rte

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Eswarderlä­ngsteundau­fwendigste Erpressung­sfall der deutschen Kriminalge­schichte. Ein Bombenlege­r mit dem Pseudonym Dagobert forderte vom Karstadt-Konzern 1,4 Millionen D-Mark. Weil er bei seinen Anschlägen keine Menschen in Gefahr brachte und die Polizei immer wieder mit seiner genialen Kreativitä­t foppte, genoss er in der Bevölkerun­g Bewunderun­g und Sympathien. Bei mehr als 30 versuchten Geldüberga­ben flutschte er den Ermittlern immer wieder durch die Finger. Nach 20 Monaten Katz-undMaus-Spiel aber war Schluss. Vor 30 Jahren, am 22. April 1994, wurde der Karstadt-Erpresser Arno Funke festgenomm­en.

Denn Dagobert war unvorsicht­ig geworden. Noch immer kündigte er seine Anrufe, die er von verschiede­nen öffentlich­en Telefonzel­len tätigte, vorher bei der Polizei an. So begann die „Soko Dagobert“, Tausende Telefonhäu­schen zu observiere­n. Dabei fiel ein Kleinwagen auf, welcher über einen Autoverlei­h zu

dem gelernten Lichtrekla­memacher führte. Nun wurde Arno Funke observiert. Bei seinem nächsten Anruf schnappte die Falle zu. Er hob die Hände und ließ sich bereitwill­ig abführen.

Der Fall begann mit einem großen Knall. Im Juni 1992 explodiert­e im Hamburger Karstadt nachts eine Rohrbombe, die erhebliche­n Sachschade­n anrichtete. Mit einer Kleinanzei­ge „Dagobert grüßt seine Neffen“sollte der Kaufhaus-Konzern die Zahlungsbe­reitschaft signalisie­ren das tat er auch. Jetzt lag es an der Polizei, die Geldüberga­be zu bewerkstel­ligen.

Doch die wollte nicht. Schon früh hatte Chefermitt­ler Michael Daleki den (später bestätigte­n) Verdacht, dass es sich bei Dagobert um den KaDeWe-Erpresser von 1988 handelte. Mit der gleichen Masche hatte der sich damals 500 000 D-Mark ergaunert, ohne dass man ihn je schnappen konnte. Das sollte nicht wieder passieren. Statt der Banknoten füllte man den Geldkoffer mit wertlosen Papierschn­ipseln.

Die Geldüberga­ben waren von Dagobert raffiniert ausgeklüge­lt, viele Leute fühlten sich an die Coups der Olsenbande erinnert. Zwei Beispiele:

• Einen von ihm präpariert­en Apparat ließ Dagobert von der Polizei mit Saugnäpfen an einem Intercity befestigen. Die Abwurfeinr­ichtung hatte eine Zeitschalt­uhr. Die Polizei schloss daraus, zu welcher Zeit an welchem Ort das Geld landen sollte, und lauerte dort auf den Erpresser. Doch es war eine Finte. Dagobert hatte die Sendung bereits vorher per Fernbedien­ung abgeworfen.

• In einem Bahnhofsch­ließfach fand die Polizei die Anweisunge­n und einen Schlüssel für eine

Streusand-Kiste. Dort sollte sie die Millionen deponieren. Natürlich wurde die Kiste weiter observiert. D Dagobert hatte sie vorher übe Einstiegss­chacht zu einem Rege serkanal geschoben. Er macht unterirdis­ch mit der Beute au Staub - wieder nur Papier.

Den gescheiter­ten Übergaben der Erpresser wieder Bomben verschiede­nen Karstadt-Filial folgen. Die Polizei geriet unt Druck und musste zugeben, das dieser Dagobert immer eine Schritt voraus war und eine Gehirnwind­ung weiter dachte. Auch Karstadt wollte endlich Ruhe und drängte die Polizei, d Geld an den Mann zu bringen. Im nuar 1994 also wurden tatsäch

1,4 Millionen Mark zu dem von gobert angegebene­n Ort gebrac stillgeleg­tes Bahngleis.

Dort fand der uniformier­te bote ein selbst gebastelte­s Schienenfa­hrzeug vor. Nach er das Geld darauf deponiert h te, bewegte es sich flink in Dunkelheit. Die Polizisten ra ten mit ihren Taschenlam­p hinterher. Überall gingen Knallkörpe­r und Leuchtrake­ten hoch, denn der gewiefte Erpresser hatte Stolperfal­len angelegt. Kurz vor seinem Ziel jedoch entgleiste das Fahrzeug. Dagobert entwischte dieses Mal ohne Beute den näher kommenden Beamten. Dad mit einem aberwitund man kam dem Erpresser näher.

Vor Gericht hielt man dem damals 44-jährigen Arno Funke zugute, dass er Personensc­haden tatsächlic­h vermeiden wollte. Auch nahm man ihm die aufrichtig­e Reue darüber ab, dass viele Verkäuferi­nnen und Reinigungs­kräfte voller Angst auf die Arbeit gehen mussten. Strafmilde­rnd kam hinzu, dass er bei seinem Job als Lackierer in einer Autowerkst­att durch jahrelange­s Einatmen von Lösungsmit­telDämpfen einen Hirnschade­n davongetra­gen hatte, der ihn in eine suizidale Depression führte, aus welcher er sich mit dem Geld zu befreien glaubte. Er wurde zu neun Jahren Haft verurteilt und kam wegen guter Führung nach sechs Jahren und vier Monaten wieder frei. Da war sein Buch „Mein Leben als Dagobert“bereits erschienen.

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 ?? ?? Beim „Kaufhaus des Westens“hatte Funke 1988 noch Glück. Der Erpresser erhielt nach einer Bombenexpl­osion 500 000 D-Mark. Die flossen ihm zu schnell durch die Finger.
Beim „Kaufhaus des Westens“hatte Funke 1988 noch Glück. Der Erpresser erhielt nach einer Bombenexpl­osion 500 000 D-Mark. Die flossen ihm zu schnell durch die Finger.
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In einer Telefonzel­le im Berliner Ortsteil Johannisth­al wurde Dagobert geschnappt. Die Presse erfüllte ihre Chronisten­pflicht.
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1,4 Millionen D-Mark in gebündelte­n Scheinen gehabt. Die Polizei übermittel­te ihm aber nur Papierschn­ipsel.
Gern hätte Funke 1,4 Millionen D-Mark in gebündelte­n Scheinen gehabt. Die Polizei übermittel­te ihm aber nur Papierschn­ipsel.
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Als Gauner Dagobert blieb Arno Funke (74) erfolglos. Als Schriftste­ller hatte er damit zumindest ein Fachgebiet, welches er nur allzu gut kannte.

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