Portfolio „Natur pur“
Wolfgang Brandmeier setzt heimische Vögel in Szene
Dass man als ernsthafter Naturfotograf auch leidensfähig sein muss, weiß Wolfgang Brandmeier aus eigener Erfahrung nur zu gut: „Zumindest, wenn man die wirklich ultimativen Bilder realisieren möchte“, erzählt der fc-Fotograf. Auch wenn man bei der Tarnfotografie mehrere Stunden „nur“sitzt, kann man durch die ständige Anspannung der Sinne hinterher trotzdem sehr ausgelaugt sein. Hinzu kommen oft anstrengende Witterungsverhältnisse, Hitze im Sommer, Kälte im Winter, die der Fotograf hinnehmen muss. Speziell im Sommer mutiert so ein Tarnzelt auch schon einmal zur „Sauna“. An sonnigen Tagen zieht Wolfgang Brandmeier bereits in den frühen Morgenstunden los, denn sein Tarnzelt muss schon vor Sonnenaufgang an der ausgesuchten Location stehen. „In der Regel nutze ich an sonnigen Tagen nur ungefähr die ersten 30-45 Minuten nach Sonnenaufgang, um mit tiefstehender Sonne das optimale, gedämpfte Licht für schöne Farben zu bekommen“, verrät Brandmeier. Dasselbe gilt für die Abendstunden. Je höher die Sonne steigt, umso „gleißender“wird das Licht und helle Bereiche im Bild beginnen zu überstrahlen. „Ein K.-o.-Kriterium, das mich veranlasst, das Shooting zu beenden.“Anders sieht es an bewölkten Tagen aus, an denen Brandmeier fotografieren kann, ohne Gefahr zu laufen, Überstrahlungen ins Bild zu bekommen. „Das für mich idealste Licht bekomme ich mit Sonne in Verbindung mit Schleierwolken, welche ein wunderbar diffuses Licht erzeugen.“
Die richtige Ausrüstung
Was in puncto Equipment für den Naturfotografen unentbehrlich ist, ist ein Objektiv mit hoher Brennweite und dazu ein Kameragehäuse, das mit einer schnellen Serienbildgeschwindigkeit überzeugen kann. Beides zusammen sollte auf einem soliden Unterbau mit leichtgängigem Stativkopf montiert sein. Brandmeier nutzt mit vollster Zufriedenheit einen hochwertigen Tele-Schwenkbügel, Wimberley Head II WH-200 Ver-
sion II, in Verbindung mit einem ebenso hochwertigen GITZO Carbon-Stativ, die mit der Stabilisierung der hohen Brennweite keine Probleme haben. Wer das allerletzte Quäntchen an Schwingungsarmut und fließenden Bewegungen sucht, greift zu einem hochpreisigen Fluidneiger, rät Brandmeier. „Dessen Vorteile sehe ich aber überwiegend in Videoaufnahmen, wobei sehr viel Augenmerk auf fließende Bewegungen gelegt wird“. Er selbst würde die Mehrinvestition zu einem guten Fluidneiger jedoch lieber in ein solides Carbon-Stativ stecken, da hier Gewicht und Stabilität sehr ausgewogen sind. „Wer dicke Oberarme oder einen Trolley besitzt, hat mit einem relativ schweren Berlebach-Holzstativ einen optimalen Unterbau in Sachen Schwingungsdämpfung.“
Shooting: Vorbereitung
Generell positioniert sich der Fotograf so, dass er die Sonne nach Aufgang im Rücken hat, und er achtet auf ein stimmiges Umfeld. Unter Umständen kommt es vor, dass sich das begehrte Nest oder der Ansitzast etwa direkt am Rande einer Autobahn, in der Nähe von Strommasten, Viehweiden oder ähnlichem „unfotogenem“Umfeld befindet. Dann versucht Brandmeier sich mit Tarnzelt und Kamera so zu positionieren, dass er einen möglichst naturgetreuen Hintergrund, frei von technischen Dingen, erzeugen kann. „Die beiden kopulierenden Eisvögel habe ich keine 20 Meter neben einem Klärwerk abgelichtet.“Zudem ist es wichtig, sich immer möglichst auf Augenhöhe mit den Tieren zu bringen. Bei einem Star, der gerade Würmer aus der Erde zieht, heißt es, sich auf den Boden zu legen. Bei einem Wasservogel ist ein schwimmendes Tarnzelt, mit dessen Hilfe sich die Kamera ganz dicht über der Wasseroberfläche positionieren lässt, die erste Wahl. Eine entsprechende Versicherung für Kamera und Equipment ist dann ebenso ratsam.
Aufnahmetechnik
Das Tarnzelt sollte von außen blickdicht sein, sodass nur das Objektiv zu sehen ist. Bei einigen Tieren ist dies zwar weniger relevant, bei einigen wie z.B. Greifvögeln oder Rabenvögeln aber umso mehr, weiß Brandmeier. „Man sollte das Sehvermögen und die Beobachtungsgabe dieser Vögel keinesfalls unterschätzen.“Umso wichtiger ist es, alle Sinne beim Ansitz zu schärfen, da man ja in der Regel nur den kleinen Ausschnitt im Sucher der Kamera wahrnehmen kann. „Bei meinem Siegerfoto in der NATIONAL GEOGRAPHIC war das sehr wichtig. Das Schwarzkehlchen hat unter lautem Geschimpfe zwei bis drei Sekunden vor dem Angriff seine Absicht ‚angekündigt‘. Hier galt es, den Angriff zunächst mal akustisch als Angriff zuzuordnen, und schon, bevor das Schwarzkehlchen ins Bild kam, den Auslöser zu drücken und mit 10 B/s loszufeuern. Der eigentliche Kampf dauerte ca. 0,5 Sekunden.
Hätte ich also erst angefangen, den Auslöser zu drücken, wenn ich das Schwarzkehlchen im Sucher gesehen hätte, wäre schon alles vorbei gewesen, bis ich das erste Bild gehabt hätte.“Drückt man wiederum zu früh den Auslöser, geht die Kamera nach einigen Sekunden in die Pufferspeicherung und nimmt im entscheidenden Moment keine Bilder mehr auf.
Aufnahme-Einstellungen
Wolfgang Brandmeier fotografiert fast ausschließlich mit Offenblende, was für den Fotografen mehrere Vorteile mit sich bringt: „Zum Ersten bekommt man ein wunderbar aufgelöstes Bild, in Verbindung mit viel Brennweite wird das Bokeh natürlich immer schöner. Die Verschlusszeit verkürzt sich auch, was für meine Art der Fotografie oftmals unentbehrlich ist.“Für Actionaufnahmen sollte man mindestens 1/1000 Sekunde einplanen. Darüber hinaus kann man durch die vollständig geöffnete Blende eine niedrige ISO halten, was der Bildqualität sehr zugutekommt. „Möchte ich Actionaufnahmen – etwa einen Kampf, einen Anflug auf einen Ast, einen Rüttelflug, die Kopula – oder andere kurzzeitige Ereignisse im Bild festhalten, stelle ich meine Kamera natürlich auf maximales Dauerfeuer von 10 B/s ein.“Als Preis für den „NATIONAL GEOGRAPHIC FOTOGRAF 2016“hat Brandmeier eine Olympus OM-D E-M1 Mark II bekommen. Hier stehen mit Schärfenachführung bis zu 18 B/s zur Verfügung, mit ausgeschaltetem Autofokus sind sogar 60 B/s drin. „Als alter DSLR-Fan stellt dies ein komplett anderes Fotografieren für mich dar, welches ich aber gerne ausgiebig testen werde!“, so Brandmeier.
Bildgestaltung und Nacharbeit
Meist berücksichtig der Fotograf den „goldenen Schnitt“, um die Bildkomposition spannender zu gestalten. „Auf dieser Fotografenregel kann man sich aber keinesfalls ausruhen, wenn man sich von der Masse abheben möchte“, rät er. In seltenen Fällen „schreien“aber auch Motive regelrecht nach mittiger Präsentierung zur besseren Wirkung, weiß Brandmeier. Ein guter, selbstbewusster Fotograf erkennt solche prädestinierten Motive und scheut sich auch nicht, diese mittig in Szene zu setzen. Oftmals ist es das gezielt gesuchte Gegenlicht, welches gespreizte Flügel durchleuchtet oder dem vom morgendlichen Tau bedeckten Gras ein märchenhaftes Flair verleihen kann. Auch hier sollte man auf eine sehr tiefe Kameraposition achten. „Auch beziehe ich gerne gezielt Blüten, Zweige oder Gräser in den Vorder- beziehungsweise Hintergrund mit ein, um das Bild spannender und mit mehr Tiefenwirkung zu gestalten.“Spätere Nacharbeiten versuche er möglichst zu vermeiden und lieber durch gezielte Planung im Vorfeld das Bild möglichst perfekt auf die Speicherkarte zu bekommen. Was dann noch übrig bleibt, sind leichte Nachbesserungen von Schärfe, Tonwert oder Kontrast.