Im Doppelpack
EOS 800D und 77D im Test: Canon bringt zwei neue SLRs für 850 bis 900 Euro heraus. Das Ziel ist mehr Bildqualität und Tempo dank Digic7-Prozessor und 24-Megapixel-APSC-Sensor mit Dual-Pixel-Technik.
Was macht eigentlich eine „Kamera für den Einstieg“aus? Und was braucht sie, um als „ideales Upgrade“für „Fotobegeisterte“durchzugehen? Canon hat mit den neuen SLR-Modellen seine Auffassung zu diesem Thema präsentiert. Die EOS 800D ordnet sich in die Einstiegsklasse mit dreistelliger, die EOS77D in die Mittelklasse mit zweistelliger Typenbezeichnung ein. Dabei unterscheiden sich die beiden primär durch Äußerlichkeiten und durch einige Bedienelemente, weniger durch ihre inneren Werte: Die 800D und die 77D setzen im Wesentlichen auf die gleichen Komponenten, insbesondere auf die gleiche Kombi aus 24-Megapixel-APSC-Sensor mit Dual-Pixel-Technik und Digic-7-Prozessor. Abgesehen von wenigen Ausnahmen bieten sie die gleichen Funktionen. Und selbst beim Preis liegen sie – trotz der doch oft unterschiedlich zahlungswilligen Zielgruppen – gerade einmal 50 Euro auseinander: Die 800D geht für rund 850 Euro an den Start, die 77D soll 900 Euro kosten. Für das ebenfalls neue Kit-Objektiv EF-S 1855mmF4-5,6ISSTM werden noch einmal 100 Euro fällig. Es ist zwar relativ lichtschwach, dafür aber auf kompakte Maße getrimmt, außerdem mit Bildstabilisator und Schrittmotor ausgestattet. Die Vorgängerkameras EOS 750D (800D) und EOS 760D (77D) sollen übrigens noch eine Weile weiter erhältlich bleiben. Gemeinsamkeiten: kompaktes SLR-Gehäuse
Flüchtig betrachtet sehen die 800D und die 77D einander beinahe zum Verwechseln ähnlich: Das Chassis besteht aus Aluminiumlegierung und Kunststoff, die äußere Schale aus glasfaserverstärkten Polycarbonaten. Beide Kameras gehören zu den kompakten, leichteren SLRs und wiegen mit rund 530 g recht genau 200 g weniger als das nächst höher angesiedelte Schwestermodell 80D. Im Gegensatz zu ihm verzichten sie allerdings auf Dichtungen und damit auf einen wertvollen Schutz vor Schäden durch eindringende Feuchtigkeit und Staub. Beim Outdoor-Einsatz etwa an Schlechtwettertagen oder beim Bade-
urlaub am Strand ist also Vorsicht geboten. Alles in allem wirken 800D und 77D aber durchaus robust und gleichermaßen solide verarbeitet.
Gemeinsamkeiten: kleiner Sucher, verstellbarer Touchscreen
Was Sucher und Monitor betrifft, macht Canon keine charakteristischen Unterschiede zwischen 800D und 77D. Gerade beim Sucher hätten wir uns allerdings von einer gehobenen Mittelklassekamera wie der 77D mehr erwartet: Canon begnügt sich mit einem einfachen Pentaspiegelsucher, der in puncto Helligkeit nicht ganz an bessere Pentaprismensucher herankommt. Dazu deckt er nur 95 Prozent des Bildfelds ab und fällt mit effektiv 0,49-facher Vergrößerung recht klein aus. Die Qualität des 3-Zoll-Monitors geht in Ordnung. Er zeigt ein stimmiges Bild und scheint gut entspiegelt zu sein. Als Touchscreen erleichtert er unter anderem Eingaben im Schnell- und Hauptmenü. Bei Live-View-Betrieb lässt sich zudem das AF-Messfeld durch Antippen des Displays positionieren und dies auf Wunsch gleich mit dem Auslöser koppeln. Praktisch auch, dass Canon den Monitor verstellbar gelagert verbaut. Wer will, kann ihn um 180 Grad seitlich ausklappen und anschließend um die eigene Achse drehen – ideal für Selbstporträts, Über-Kopf- oder bodennahe Aufnahmen.
Unterschiede: Info-Display und Daumenrad
Es sind vor allem die zusätzlichen Komponenten und Bedienelemente, mit denen die EOS 77D im Vergleich zur 800D punktet. Sie besitzt an der Oberseite beispielsweise ein LC-Display, das über Aufnahmeeinstellungen und Akkuladestand informiert. Die 800D hat an dessen Stelle das Modusrad positioniert. Bei der 77D rückt dieses von der rechten zur linken Seite und verfügt als willkommenes Extra über einen Arretierungsknopf. Im Gegensatz zur 800D hat die 77D auch einen Augensensor integriert, dank dem die Display-Anzeige auf Wunsch automatisch verschwindet, sobald sich ein Objekt dem Suchereinblick nähert. Außerdem bietet die EOS 77D zusätzlich zum Zeigefingerrad neben dem Auslöser ein weiteres Rad um die 4-Richtungs-Wippe. Dieses kann der Nutzer per Lock-Schalter (ent)sperren, komfortabel mit dem Daumen erreichen und unter anderem für die Belichtungskorrektur und zum Scrollen im Menü einsetzen. Last, but not least bekommt die 77D einen Direktzugriff mehr spendiert als die 800D: die „AFON“-Taste, die sich im Menü programmieren lässt. Gleiches gilt bei der 77D für den AEL-, Auslöse- und Set-Knopf. An der 800D ist dagegen nur Letzterer definierbar.
Ähnlicher Funktionsumfang
Zwar bringen 77D und 800D in weiten Teilen den gleichen Funktionsumfang mit. Bei genauem Hinsehen findet sich dann aber doch die eine oder andere Option, mit der sich das Mittelklassevom Einstiegsmodell abzusetzen vermag: Beispielsweise bietet nur die 77D einen Intervall- und einen Bulb-Timer. Dank ihm kann man im Menü eine feste Zeit für Bulb-Aufnahmen vorgeben, also auch mehrstündige Langzeitbelichtungen bequem realisieren und sich beispielsweise in der Astrofotografie erproben. Dazu noch ein Detail: An der 77D lässt sich einstellen, ob sich mit der Info-Taste eine Wasserwaage und ein Info-Bildschirm mit Aufnahmedaten einblenden lässt; an der 800D ist beides standardmäßig aktiviert. Ansonsten überwiegen die Gemeinsamkeiten. Beide Modelle verfügen über sieben Motivprogramme inklusive HDR und eine Videofunktion, die FullHD-Aufnahmen mit 60 B/s, Schärfenachführung und elektronischer Bildstabilisierung auf fünf Achsen erlaubt. Einen mechanischen Sensor-Shift-Bildstabilisator gibt es in Canons SLR-Kameras nicht. Dafür können die beiden Neuen sowohl ein WLAN/NFC-Modul zum kabellosen Datentransfer und zur Fernsteuerung vorweisen als auch eine Bluetooth-Schnittstelle, die sich etwa für eine stromsparende Dauerverbindung von Kamera und Smartphone empfiehlt.
Menüansicht: Hilfe für Einsteiger
Die 800D zeigt standardmäßig großzügig gestaltete, bereinigte Menüs, die weniger erfahrenen Fotografen mit Grafiken und kurzen Beschreibungen den Start erleichtern sollen. Allerdings macht diese Oberfläche die Bedienung auch etwas umständlicher, zumal es hier teils eines zusätzlichen Arbeitsschrittes bedarf, um ans Ziel zu gelangen. Die 77D öffnet die Menüs in der von Canon-SLRs gewohnten, schlichten „Standard“-Ansicht: das Schnellmenü in Form eines editierbaren Info-Bildschirms, das Hauptmenü mit fünf horizontal angeordneten Reitern für Aufnahme und Wiedergabe, für den individualisierbaren My-Bereich, die Funktions- und die Anzeigeprofil-Einstellungen. Auf den ersten Blick sieht das nach einem markanten Unterschied zwischen dem Einsteiger- und dem übergeordneten Mittelklassemodell aus. Tatsächlich beschränkt sich dieser Unterschied jedoch auf die Werksvorgaben. Denn beide EOS-Modelle beherrschen sowohl das eine als auch das andere Menü-Layout. Umgestellt wird über die besagten Anzeigeprofil-Einstellungen.
Erweiterter ISO-Einstellbereich
Wie dieVorgänger nutzen 800D und 77D einen RGB-IR-Belichtungsmesssensor mit 7560 Messpunkten. Diese sind bei der Matrixmessung wie gehabt zu 63 Belichtungsfeldern zusammengefasst. Der ISO-Einstellbereich wächst gegenüber 750D und 760D, reicht nun von ISO 100 bis 25600 (statt ISO 12800), erweitert sogar bis ISO 51200 (statt ISO 25600). Mit an Bord: die von Canon-Kameras bekannte, dreistufige „Autom. Belichtungsoptimierung“. Sie hellt dunkle Bereiche im Zuge der internen JPEGSignalverarbeitung auf und verleiht den JPEG-Bildern oft einen helleren Gesamteindruck. In den Werkseinstellungen arbeitet die Belichtungsoptimierung mit mittlerer Stärke. Wer will, kann sie im Quick-Menü deaktivieren.
Schnell: Phasen- und Hybrid-Autofokus
In Sachen Autofokus gibt es entscheidende Fortschritte zu verzeichnen. Der für den Sucherbetrieb bestimmte Phasen-AF kann nun statt auf 19 auf bis zu 45 Kreuzsensoren zugreifen; bei Blende 8 kommen davon immerhin noch 27 AF-Sensoren zum Zuge. Mit aktiviertem Einzel-AF und unserem Standard-Messobjektiv Canon EF 2,8/24-70 mm
brauchten die neuen Canons zwischen 0,28 (300 Lux) und 0,31 s (30 Lux) zum Scharfstellen und Auslösen – top. Zum Vergleich: 750D und 760D kamen unter den gleichen Laborbedingungen auf 0,47 bis 0,61 s. Auch der Live-View-Autofokus legt kräftig zu: Er kombiniert dank Dual-Pixel-Sensor eine Phasenerkennung mit einer Kontrastmessung und ermöglicht eine Auslöseverzögerung von 0,5 bis 0,56 s (77D, 800D) gegenüber 0,97 bis 1,47 s (Vorgänger). Nach dem Einschalten benötigen die Canons 0,4 s, bis sie loslegen können. Die Seriengeschwindigkeit steigt im Vergleich zu denVorgängern von unter 5 auf 6 B/s. Positiv auch, dass die Kameras dieses Tempo im JPEG-Test so lange durchhielten, bis die Kapazität der SDXCSpeicherkarte dem ein Ende setzte.
Bildqualität
800D und 77D arbeiten mit dem gleichen Sensor-Prozessor-Gespann und holen damit erwartungsgemäß auch eine ähnlich gute Bildqualität heraus. Die beiden Neuen bieten gegenüber den Vorgängern den Bildstil Feindetail, der für ein natürlicheres, detailreicheres JPEGBild sorgt als die Standardeinstellung. Unsere Messungen basieren bei Canon deswegen immer auf diesem Bildstil, sofern er verfügbar ist. Er bearbeitet die JPEG-Aufnahmen zurückhaltender, lässt aber auch ein etwas stärkeres Rauschen zu, das von 1,2 VN (ISO100) rasch auf 1,9 VN (ISO800), dann ab ISO6400 auf deutlich über 3 VN ansteigt. Dafür erzielen die neuen EOS-Kameras nicht zuletzt dank der moderaten Eingriffe des Rauschfilters die höhere Auflösung: Die 77D liegt im wichtigen Empfindlichkeitsbereich von ISO100 bis 6400 mit 1858 bis 1667 LP/BH stets um wenige Linienpaare vor der 800D – eine Differenz, die aber keine praktische Relevanz hat. Gegenüber der älteren Generation heben sich die Neuen dagegen positiv ab; nicht nur wegen des moderaten Vorsprungs bei der Grenzauflösung von 70 bis gut 100 Linienpaaren, sondern vor allem wegen der besseren Feinzeichnung und schwächeren Texturverluste. Außerdem gehen 800D und 77D bei der künstlichen Kantenanhebung etwas zurückhaltender zu Werke und bringen weniger ausgeprägte Artefakte ins Bild. Besonders groß ist das Plus an Dynamik: Während 750D, 760D und 80D nicht über 9,3 Blenden hinauskommen, stellt die 800D bei ISO 100 bis zu 13,3 Blenden, die 77D bis zu 12,7 Blenden Kontrastumfang dar – eine beachtliche Leistung.