40 Jahre und ein bisschen weise
Technik im Fokus: Vor 40 Jahren kam die erste Kamera mit Autofokus auf den Markt – und wurde als Erfindung belächelt, die keiner braucht. Doch in der Zwischenzeit hat die Welt auf AF umgeschaltet: Intelligente AF-Systeme können vieles schneller und besser
Die erste Autofokuskamera der Welt wäre fast eine Leica geworden. Zwischen 1960 und 1973 patentierte das Unternehmen eine Reihe von Autofokustechnologien und nahm 1976 sogar einen Prototypen mit auf die photokina. Allerdings glaubten die Unternehmenslenker, ihre Kunden wüssten, wie man scharfstellt – und entschieden sich dafür, die Patentrechte an Minolta zu verkaufen. Bis die Japaner die Technologie zur Serienreife entwickelt hatten, sollten noch ein paar Jahre vergehen, dazu später mehr. Doch der Deal stand unter keinem guten Stern. Denn später verlor Minolta einen großen Rechtsstreit mit Honeywell über – Sie ahnen es – geistiges Eigentum von Autofokustechnologien und wurde zur Zahlung von 127,5 Millionen Dollar verurteilt. Ein Gericht hatte entschieden, dass Autofokuspatente von Honeywell verletzt worden waren. Es war der Anfang vom Ende der Traditionsmarke Minolta, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Das erste Jahrzehnt: Die wilden Kinderjahre des Autofokus
Die erste Autofokuskamera am Markt war 1977 dann schließlich die Konica C35 AF mit einem Autofokussystem von Honeywell. Bei diesem wurden zur Scharfstellung mit beweglichen Spiegeln zwei Halbbilder zur Deckung gebracht. Ein elektronischer Sensor wertete laufend den Zustand der Halbbilder aus und steuerte so lange, bis sie deckungsgleich waren. Ein solches AF-Ver-
fahren wird als passives Autofokussystem bezeichnet und ist bis heute aktuell. Der Antrieb des Autofokussystems wechselte in der Geschichte hingegen mehrfach den Platz – zwischen Objektiv und Gehäuse hin und her. Als Brückentechnologie entwickelten sich zunächst reine Autofokusobjektive, die an bereits vorhandene Gehäuse geflanscht werden konnten. Schon in den 1970er-Jahren hatte Nikon auf der Camera Show in Chicago den Prototypen eines solchen Autofokusobjektivs vorgestellt – ein AF-Nikkor 80/4,5, das jedoch nie in Serie ging. Stattdessen wanderte der Antrieb ins Gehäuse, um später mit weiter entwickelten Technologien wieder ins Objektiv zurückzukehren. Dabei gab es durchaus ein paar Sonderwege (siehe Kasten, S. 48).
Das zweite Jahrzehnt: Der Autofokus wird erwachsen
Die eigentliche Erfolgsstory des Autofokus begann 1985. Minolta brachte mit der 7000 AF die erste Spiegelreflexkamera mit einem vollständig ins Gehäuse integrierten Autofokussystem auf den Markt. Deren gesamte Technik wurde von verschiedenen Mikroprozessoren gesteuert. Parallel stellte Minolta zwölf neue Autofokusobjektive mit integriertem ROM-IC und eigens konstruiertem A-Bajonett vor. Und anders, als von klugen Marktforschern vorhergesagt, war der Autofokus für anspruchsvolle Amateure und Profis durchaus ein Kaufargument. Wikipedia spricht vom „SputnikSchock der Fotoindustrie“. Auf einmal war der Autofokus also hipp. Canon und Nikon, die auch bei diesem Thema Hektik vermieden, kamen in Zugzwang. Die F-501 war im August 1986 Nikons erste Spiegelreflexkamera mit ins Gehäuse integriertem Autofokusmotor. Damit beendete Nikon auch das Experiment mit der F3AF, die schon drei Jahre vorher auf dem Markt war. Sie hatte einen unförmigen AFMess-Aufsatz namens DX-1, war doppelt so teuer wie eine normale F3 und das komplette Objektivprogramm bestand aus zwei Teleobjektiven – damit allein können Profis nichts anfangen. Entsprechend blieb sie ein Ladenhüter. Erst 1988 brachte Nikon mit der F4 das erste AF-Profi-Modell auf den Markt. 1987 war es bei Canon mit dem EF-Bajonett soweit, und im Gegensatz zu Nikon und Minolta steckte der Fokusmotor schon bei den ersten AF-Modellen nicht in der Kamera, sondern direkt im Objektiv. Das hat den Vorteil, dass man für jedes Objektiv individuell den passenden Motor auswählen kann. Selbst lange Teletüten können so sehr schnell fokussieren. Bis 1990 war die Objektivpalette so weit gediehen, dass die Zahl an Autofokusobjektiven die der manuell fokussierten Optiken eingeholt hatte. So schaffte Canon mit seiner Ultraschalltechnologie den nächsten Qualitätssprung und hatte jetzt auf einmal die Nase vorn. Nikon und Co. blieb nichts anderes übrig, als den Weg mitzugehen. Sitzt der Motor nämlich in der Kamera, muss er das Objektiv über eine Welle antreiben – das hat zwar den Vorteil, dass man kleinere (und günstigere) Objektive ohne eigenen Antrieb bauen kann, es hat aber auch viel mehr Nachteile. So macht es wenig Sinn, mit der gleichen Mechanik ein kompaktes Normalobjektiv und ein kiloschweres Tele zu versorgen. All das dauert mitunter ziemlich lange, für viele Motive zu lange …
Das dritte und vierte Jahrzehnt: Mehr Fotospaß durch ausgefeilte Technik
1996 stellte Nikon schließlich mit der F5 die ersten AF-S-Objektive vor, und spätestens jetzt war der Autofokus besser als jeder MF – auch für die Heerschar der Profifotografen. Unsere Wünsche – superschnell, auf den Punkt genau und natürlich absolut geräuschlos – werden zwar immer noch nicht überall realisiert. Aber das sollte einen nicht wundern, schließlich ist die Technik hochkomplex. Der AF-Prozessor muss in Sekundenbruchteilen mehrere aufeinanderfolgende Einzelmessungen auswerten, um daraus Bewegungsgeschwindigkeit und -richtung des Motivs zu berechnen. Nebenbei kontrolliert er noch, ob das Motiv jetzt nicht bei einem benachbarten Messfeld auftaucht, das dann die weitere Messung übernimmt. Diese Messergeb-
nisse muss der AF-Prozessor dem Fokusantrieb mitteilen, damit der die Entfernungseinstellung entsprechend nachführt. Da ist ganz schön was zu rechnen. Dank der immer höheren Rechenleistungen aktueller Kameraprozessoren sind die Trefferchancen gegenüber früheren Zeiten aber stark gestiegen. Im Detail sind mehrere Faktoren wichtig: • Objektivtyp: Kurze Brennweiten erfordern in der Regel auch relativ kurze Verstellwege. Diese sind technisch wesentlich einfacher zu bewältigen, als die längeren Verstellstrecken bei Telebrennweiten. • Objektivkonstruktion: Hier geht es um die zu bewegende Masse am Objektiv. Ob die einzelnen Komponenten aus Metall, Glas oder Kunststoff gefertigt sind, hat natürlich Auswirkungen auf das Gewicht der zu bewegenden Teile. Und ob der Motor dann tatsächlich ganze Linsengruppen samt Tubus hinund herschiebt oder nur eine kleine Linse, macht ebenfalls einen deutlichen Unterschied. • Lichtstärke: Bei Objektivlichtstärken ab f 5,6 gelangen manche AF-MessSysteme bereits an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit; sie werden ätzend langsam oder liegen schlicht daneben. Für zuverlässiges Fokussieren sind lichtstarke Objektive (f2,8 oder besser) zu empfehlen, dazu später mehr. • Empfindlichkeit der Sensoren: Welcher Helligkeitsbereich wird von den Sensoren zuverlässig abgedeckt? Welcher Kontrast wird, minimal und maximal, vom System akzeptiert und korrekt verarbeitet? All diese Faktoren haben Einfluss auf den Fokussiervorgang. • Software: Je schneller die Informationen berechnet und ausgewertet werden, umso schneller kann der AF reagieren. Doch die Geschwindigkeit des Auswertevorgangs ist nicht das einzige Kriterium. Auch die Art und Weise der Informationsauswertung beeinflusst das Ergebnis. Dazu haben moderne Kameras mehrere unterschiedliche AF-Modi, die je nach Aufgabenstellung ausgewählt werden können:
• AF-S (single autofocus). Ein leichtes Niederdrücken des Auslösers bewirkt Scharfstellen auf das anvisierte Objekt, Durchdrücken löst die Aufnahme aus. Wird bei halb durchgedrücktem Auslöser fokussiert und die Kamera anschließend bewegt, bleibt der ursprüngliche Fokus trotzdem erhalten (Fokusspeicher). • AF-C (continuous autofocus). Ein leichtes Niederdrücken des Auslösers bewirkt auch hier Scharfstellen auf das anvisierte Objekt. Unterschied zu AF-S: Bewegen sich das Objekt oder die Kamera, und der Auslöser ist immer noch halb gedrückt, wird die Schärfe auf das sich bewegende Objekt nachreguliert. • AF-A (automatic autofocus). Die Automatik entscheidet selbstständig, wie statisch oder bewegt das Objekt ist und wählt das passende Fokusprogramm.
Autofokussysteme
Die angeführten Argumente treffen für alle auf dem Markt verfügbaren Autofokussysteme zu. Bei genauer Betrachtung ergibt sich jedoch eine klare Trennung der Funktionsweise in aktive und passive AF-Systeme. Bei aktiven Systemen wird von der Kamera ein Signal „aktiv“zum Objekt gesendet. Das kann ein Ultraschallton, ein Laser- oder ein Infrarotstrahl sein. Vom anvisierten Objekt wird das Signal zurück zur Kamera reflektiert, die Messelektronik wertet Daten wie Zeit, Strecke oder Winkel aus und stellt dann automatisch auf das Objekt scharf. Ein Vorteil der aktiven AF-Verfahren ist, dass sie auch bei schlechten Lichtverhältnissen oder sogar bei völliger Dunkelheit arbeiten. Nachteilig ist die Begrenzung des Aufnahmeabstands auf einige Meter. Sehr glatte und entsprechend ausgerichtete Flächen können zudem die Signal-Reflexion behindern oder verfälschen. Passive AF-Systeme brauchen keinen Sender und gestatten daher eine kompakte Bauweise und damit eine kostengünstige Gesamtkonzeption. Alle modernen AF-Systeme sind passive Systeme, bei denen die Kamera keine Messsignale sendet, sondern nur passiv über Sensoren Schärfe oder Kontrast des Motivs auswertet und mit diesen Informationen die Fokuseinstellung steuert. Reicht die Umgebungshelligkeit oder – je nach System – der Motivkontrast nicht aus, zeigt das System deutliche Schwächen. Es kann keinen eindeutigen Fokussierpunkt finden und fokussiert sehr langsam oder falsch. In solchen Fällen kann man sich mit einem zusätzlichen AF-Hilfslicht behelfen. Manche Blitzgeräte und Kameras haben ein solches an Bord. Damit wird das Motiv kurz „angestrahlt“. In dieser kurzen, hellen bzw. kontrastreichen Beleuchtungsphase stellt das System auf das angestrahlte Objekt scharf. Obwohl hier ein Lichtstrahl gesendet wird, spricht man nicht von einem aktiven AF-System. Vermutlich, weil dieses zusätzliche Licht nur zur „Beleuchtung“des Motivs dient und kein Messsignal ist, das nach Reflexion gezielt ausgewertet wird.
Kontrastmessung und Phasendetektion
Zwei passive AF-Verfahren sind aktuell Stand der Technik: Kontrastmessung und Phasendetektion. Die Kontrastmessung ist dabei im Prinzip nichts anderes als das Fokussieren von Hand: Das Motiv wird anvisiert und mit dem Einstellring stellt man von unscharf nach scharf, bis die optimale Einstellung
erreicht ist. Um auf Nummer sicher zu gehen, fokussiert man über die gewählte Schärfenebene hinaus, bis das Objekt wieder unscharf wird. Solche Wiederholungen sind auch beim Kontrast-AF erforderlich. Optimal scharfgestellt ist dann, wenn der Kontrast des beurteilten Motivs das Maximum erreicht hat. Stark vereinfacht kann man sich so die Funktionsweise der AF-Kontrastmessung vorstellen. Statt des Fotografen bewertet allerdings ein Sensor in der Kamera das Geschehen und steuert den Vorgang. Das kann ein Sensor sein, der speziell zur Kontrastauswertung eingebaut ist. Nahezu immer wird jedoch der ohnehin vorhandene Bildsensor für diese Aufgabe genutzt oder spezielle Ausschnitte davon. Ein Nachteil beim Kontrast-AF war lange Zeit seine relativ geringe Geschwindigkeit.Vorteile sind die einfachere Bauweise und der geringere Platzbedarf. Denn in spiegellosen Systemkameras sowie in
Kompaktkameras fällt das Licht vom Objektiv permanent auf den Sensor. Da lag es nahe, das Signal des Sensors direkt als AF-Signal zu nutzen und sich den Umweg über ein teures AF-Modul zu sparen. Die klassischen Geschwindigkeitsnachteile sind dabei übrigens längst Geschichte, denn die rapide steigende Rechenkapazität hat zu neuen Technologien geführt, mit denen der Kontrast-AF jetzt auf der Überholspur ist – mehr darüber weiter unten im Abschnitt „Die Vielfalt der Systeme“. SLR-Kameras haben stattdessen einen separaten Phasen-Autofokus. Bei der klassischen AF-Kamera lenkt ein Schwingspiegel das Licht in den Sucher und gibt erst im Moment der Aufnahme den Lichtweg zum Sensor frei. Dieser kann also gar kein AF-Signal liefern. Stattdessen werden Teilbilder des Motivs aus dem Hauptstrahlengang auf spezialisierte AF-Sensoren umgelenkt. Dieses Umlenken der Teilbilder erfolgt je nach System durch geometrische Strahlenteilung, mit Prismen, Linsen und einem teildurchlässigen Spiegel. Die AF-Sensoren werten die Abbildungen der Teilbilder aus und geben der AF-Steuerung vor, wie zu fokussieren ist, damit der anvisierte Bereich auch scharf ist. Die Fokussierung ist abgeschlossen, wenn die beiden Teilbilder zur Deckung gebracht sind. Die Kamera ermittelt mit einer einzigen Messung, in welche Richtung und wie weit die Linsen verschoben werden müssen, um ein scharfes Bild zu erzeugen. Gegenüber der Kontrastmessung war dieses Verfahren schneller, denn die Fokussensoren erfassen bereits mit einer Messung, wie viel und in welcher Richtung die Linsen bewegt werden müssen. Das Ergebnis „sitzt“fast ohne Nachjustierung. Komplexe Motivverfolgungen gelingen zuverlässig durch die Kombination von 100 und mehr AF-Feldern. Und so setzt dieses AF-System in seinen maximalen Ausbaustufen, also in den schnellen Top-SLRs wie Nikon D5 oder Canon EOS 1DX II, immer noch Maßstäbe. Der konstruktive Aufwand ist jedoch immer größer als beim Kontrast-AF, und der komplexe Aufbau erfordert teure Einzelkomponenten. Die Phasen-Messung ist prinzipiell flott, aber noch nicht auf den Punkt genau. Jetzt muss der Hersteller entscheiden: Wird nachfokussiert oder nicht? Geschwindigkeit und Genauigkeit sind hier klassische Antipoden und immer ist ein Kompromiss nötig. Manche Hersteller bieten bei eigens dafür ausgelegten Objektiven Lösungen an, mit denen man das über eine USB-Dockingstation softwareseitig selbst einstellt, bei Sigma etwa zwischen Geschwindigkeitspriorität, Standard oder Präzisionspriorität. Professionelle Tele-, Makro- und Zoomobjektive mit weiten Verstellwegen bieten zudem oft die Möglichkeit, den Fokussierbereich einzuschränken. Dann muss der Autofokus beispielsweise nur zwischen drei Metern und unendlich statt zwischen 1,2 Metern und unendlich suchen und gewinnt dadurch Sekundenbruchteile, die über scharf oder unscharf entscheiden können. Die einfache Annahme „Kontrastmessung für Spiegellose und Kompaktkameras, Phasendetektion für SLRs“trifft in der Praxis so allerdings längst nicht mehr zu. Manche Kamerahersteller kombinieren die beiden AF-Verfahren zu einem Hybridsystem, und die Kamera wählt bei der Aufnahme je nach Einstellungen und Umgebungslicht das besser geeignete AF-Verfahren. Im Live-View-Modus – aber auch im Video-Modus – ist bei SLR-Kameras der Spiegel hochgeklappt. Der Strahlengang zu den AF-Sensoren ist dadurch unterbrochen. Manche SLR-Kameras schalten deswegen automatisch von Phasen- auf Kontrast-AF um. Sie arbeiten dann im Live-View-Betrieb wie eine spiegellose Kamera: Der Sensor liefert das Bildsignal für den Monitor und übernimmt per Kontrast-AF auch die Fokussierung. Da die SLR-Kameras und ihre Objektive aber für den Phasen-AF ausgelegt sind, führt Live-View-Betrieb mit KontrastAF-Messung auf dem Sensor meist zu einer langsamen bis extrem langsamen AF-Steuerung. Eine besondere AF-Form ist der prädiktive – vorausplanende – Autofokus. Bei Serienaufnahmen wird analysiert, wohin und wie schnell sich das aufzunehmende Objekt bewegt. Das ist ein unschlagbares Werkzeug bei schnell ablaufenden Vorgängen. Die Präzision, mit der die kom-
plexen Berechnungs- und Einstellvorgänge ablaufen, hängt nicht zuletzt vom Preis der Kamera und des Objektivs ab.
Linien- und Kreuzsensoren
Die Sensoren zur Autofokussierung haben unterschiedliche Eigenschaften. Liniensensoren erkennen gut Strukturen, die nicht in der gleichen Richtung wie die Sensoren selbst verlaufen. Senkrecht angeordnete Liniensensoren erkennen waagrechte Motive also besonders gut. In der Praxis ist es nicht zu vermeiden, dass sich die Anordnung der Sensorzeilen mit dem Verlauf von Linien und Kanten im Motiv deckt. Das kann zu Fokussierfehlern oder längerem Hin- und Hersuchen führen. Die Lösung für diese Problematik heißt Kreuzsensoren. Sie erkennen sowohl waagrecht als auch senkrecht und schräg verlaufende Bildstrukturen. So ist sichergestellt, dass eine exakte Fokussierung erfolgt, unabhängig davon, welchen dominierenden Strukturverlauf das Motiv hat. Kreuzsensoren sind nicht nur universeller in ihren Eigenschaften, sie sind auch teurer als Liniensensoren und erfordern einen höheren konstruktiven Aufwand.
Lichtstärke und Autofokus
Die Leistungsfähigkeit eines Autofokussystems hängt auch von der Lichtmenge ab, die durch das Objektiv auf den Sensor gelangt. Generell kann man sagen, dass es für den Autofokus immer besser ist, wenn ein Objektiv eine große Blendenöffnung aufweist. Bei lichtschwachen Objektiven mit kleiner Blendenöffnung funktioniert der Autofokus nur eingeschränkt, in manchen Fällen sogar gar nicht mehr. In unserer Abbildung (Mitte) arbeiten bei Objektiven mit Blende 2,8 oder besser sieben zentrale Kreuzsensoren mit hoher Empfindlichkeit. Bei Objektiven mit einer Lichtstärke im Bereich 2,8 bis 4 ist nur noch der zentrale Autofokussensor ein Kreuzsensor und das auch nur noch mit normaler Empfindlichkeit; alle übrigen 44 Sensoren arbeiten nur noch als vertikale Liniensensoren. Bei Objektiven, die eine Lichtstärke im Bereich 4,0 bis 5,6 haben, gibt es gar keinen Kreuzsensor mehr. Alle 45 AF-Sensoren arbeiten als vertikale Liniensensoren. Und bei lichtschwachen Objektiven mit einer Lichtstärke im Bereich 5,6 bis 8,0 ist nur noch ein einziger AF-Sensor aktiv. In diesem Fall muss man manuell fokussieren. Sony hat das Problem mit Doppelsensoren gelöst. Zwei Sensoren sitzen übereinander, einer arbeitet bei Blende 2,8 oder besser, der andere übernimmt, wenn Blende 2,8 nicht zur Verfügung steht. So hat man an dieser Stelle trotzdem einen Messwert. Wichtig ist auch: Wo sitzen die Sensoren? Nur in der Mitte oder im ganzen Bild? Ideal ist eine Verteilung über das ganze Bildfeld, vor allem um bewegte Motive zu verfolgen.
Die Vielfalt der Systeme
Aktuell werden die Messungen für Belichtung und Autofokus immer mehr zusammengefasst. Über das reine Scharfstellen hinaus nutzen aktuelle Kameras die Ergebnisse der Mehrfeld-AF-Messung in Verbindung mit der Belichtungsmessung und -steuerung dazu, Sicherheit und Komfort beim Fotografieren weiter zu erhöhen. Je nachdem, in welchem Bildbereich etwa das AF-System das Motiv erkennt, legt die Kamera den Schwerpunkt der Belichtungsmessung in diesen Bereich, um die Belichtung des Hauptmotivs zu optimieren. Auch jede automatische Motivprogrammwahl basiert auf der Analyse der Entfernungsund Belichtungsverteilung. Erkennt der Computer eine Landschaft, wird er kleine Blenden bevorzugen, bei einem Porträt eine große Blende und bei Bewegung eine kurze Zeit. Mit berücksichtigt wird auch der Abbildungsmaßstab des Motivs (ergibt sich aus Aufnahmeentfernung und Brennweite), etwa für Porträt- oder Nahaufnahmeprogramme. Hatten AF-Module vor ein paar Jahren noch zehn oder vielleicht 40 Messpunkte, so gehen sie jetzt in die Hunderte oder gar Tausende. Da liegt es nahe, die Daten des Belichtungssensors – der u.a. Farbinformationen misst – auch für die Bewegung zu nutzen. Neuester Trend ist die AF-Messung direkt auf dem Sensor. Für die Kontrastmessung steht der gesamte Sensor zur Verfügung, und man schaut, wo der Kontrast am höchsten ist. Aber so einfach findet die Kontrastmes-
sung praktisch nicht mehr statt. Darüber, welche Informationen wie in die Fokusberechnung einfließen, schweigen sich die Firmen (deren Entwicklungsabteilung meistens nicht in Deutschland beheimatet ist) gerne aus. Trotzdem ein paar Beispiele: Bei den Dual-Pixel-Sensoren in Canon-Kameras besteht jedes Pixel aus zwei Subpixeln. Dadurch lassen sich an beliebigen Stellen Phasen-Lösungen erzeugen. Olympus und Fujifilm nutzen definierte Bereiche auf dem Sensor, um Phaseneffekte zu messen. Im Fall von Olympus und Canon sind die Kameras dadurch in der Lage, auch älteren – auf Phasenkontrast optimierten – Objektiven ein Signal zu bieten, mit dem sie zügig arbeiten können. Besitzer größerer Objektivsammlungen wissen das zu schätzen. Zudem kann ein geschickt eingesetzter Phasen-AF die AF-Messung auch dann beschleunigen, wenn die Objektive – wie bei Fujifilm – bereits alle für die Kontrastmessung ausgelegt sind. Sony baut aus dem gleichen Grund zwei verschiedene Arten von Objektivadaptern, um „SLR-Objektive“an spiegellosen Kameras einsatzfähig zu machen. Bei der einfachen Version schraubt man den Adapter als „Bajonettverlängerung“mit Datenübertragung zwischen Kamera und das für Kameras mit Spiegel gerechnete Objektiv. Anschließend übernimmt der Kontrast-AF der Kamera den Fokusprozess, muss aber ein für PhasenAF konstruiertes Objektiv steuern. Bei der Edelversion steckt deswegen ein zusätzliches Phasen-Autofokus-Modul im Adapter. Dieses übernimmt dann die AF-Steuerung, was dem Tempo zugute kommt. Müßig zu erwähnen, dass so viel Komfort seinen Preis hat, aber auch hier gilt: Wer über eine stattliche Objektsammlung verfügt, wird das trotzdem sehr begrüßen. Grundsätzlich sitzt bei spiegellosen Kameras das Bajonett näher am Sensor als bei SLR-Modellen mit Spiegelkasten. Objektive für spiegellose Kameras passen deswegen nicht an SLRs – man müßte das Objektiv ins Bajonett näher an den Sensor drücken. Umgekehrt lassen sich aber SLR-Objektive gut an spiegellose Kameras adaptieren, da das Objektiv für ein tieferes Gehäuse ausgelegt ist und so Platz für einen Adapter zwischen Kameraund Objektivbajonett bleibt. Der Panasonic-Autofokus schließlich arbeitet ähnlich wie ein PhasenkontrastAF mit zwei Bildern und einer „Prognose“. Aus den verschiedenen Laufzeiten von zwei unscharfen Bildern – eins weit vorn und eins weit hinten – wird die ungefähre Entfernung ermittelt. Dort fährt der Fokus hin, dann wird weiter gemessen. Die Tatsache, dass man nicht nur in vielen kleinen Stufen arbeitet, sondern auch mal einen großen Satz macht, verhilft den Panasonics im COLORFOTO-AFTest regelmäßig zu Top-Ergebnissen.
Reinhard Merz