Huawei P10 Plus vs. Samsung S8+
Spitzenmodelle mit lichtstarker Brennweite und großem Display
Man kann es gut finden oder nicht, Fakt ist: Smartphones sind aus der modernen Fotografie nicht mehr wegzudenken, und seit Jahren werden die meisten Bilder weltweit mit dem Smartphone geschossen. Gleichzeitig steigt die Zahl der angebotenen Lösungen: Apple gibt Smartphone-Fotografen neuerdings zwei verschiedene Brennweiten an die Hand, andere Hersteller setzen auf separate Objektivmodule zum Aufsetzen (wie Hasselblad oder Sony) oder wagen sich an ausgewachsene Kompaktkamera-SmartphoneKombinationen heran wie Samsung seinerzeit mit dem Galaxy K Zoom. Kombis sind bisher kein Verkaufsschlager. Offensichtlich ist nicht genug Platz zwischen der Systemkamera für anspruchsvolle Aufgaben und dem Smartphone, das ohnehin immer dabei ist. Denn für ein fotografisches Notizbuch – dafür sind Smartphones schlicht ideal – braucht man weder ein 10fach-Zoom noch einen besonders großen Sensor, sondern eine Kamera, die unkompliziert und schnell gute Bilder macht. Genau damit sind das Huawei P10 Plus und das Samsung Galaxy S8+ ausgestattet. Zudem erlauben ihre großzügig dimensionierten Displays ein vernünftiges Beurteilen der Fotos.
Huawei P10 Plus
Der Bildwinkel der P10-Doppelkamera entspricht 27mm (KB), wobei die reale Brennweite bei rund 4mm liegt. Während die 20 MP auflösende SW-Kamera durch die fehlenden Farbfilter lichtempfindlicher ist, bringt es die RGB-Farbkamera auf 12 MP Auflösung. Dazu gibt es zwei identische Linsensysteme mit Blende 1,8. Mithilfe eines Algorithmus, bei dem Huawei auf den Kooperationspartner Leica verweist, verrechnet das Huawei schließlich all diese Informationen. Der Fotograf bekommt ein maximal 20 MP auflösendes Farbfoto im JPEG-Format. Hier rechnet die Kamera die Farbinformationen des 12-MPSensors in das Schwarzweißbild des 20-MP-Sensors hinein. Umgekehrt basiert das RAW-Bild auf dem Farbsensor und hat maximal 12 Megapixel. Im Gegensatz zum Vorgängermodell P9 bzw. P9 Plus ist beim P10 Plus auch ein optischer Bildstabilisator an Bord. Das erweitert die Möglichkeiten gerade im Available-Light-Bereich deutlich. Wahlweise hellt bei Innen- oder Gegenlichtaufnahmen ein Doppel-LED-Blitz den Vordergrund auf. Er ist im Menü einfach an- oder auszuschalten. Beim Filmen schafft das P10 Plus eine zeitgemäße 4K-Auflösung, der zweite klare Pluspunkt gegenüber dem Vorgänger, der mit Full-HD und maximal 1920x1080 Punkten auskommen musste. Das aus Aluminium und 2.5D-Glas gefertigte Gehäuse macht einen robusten Eindruck, wasserundurchlässige Dichtungen hat es aber keine. Es ist also bestenfalls spritzwassergeschützt. Der interne Speicher des Huawei umfasst neben 4 GB RAM wahlweise 64 oder 128 GB. Wer noch mehr Speicherplatz braucht, kann eine microSD-Karte nachrüsten.
Die Kamera-App versteckt sich hinter einem Button, der eher an eine Waschmaschine erinnert, doch die App ist übersichtlich und aufgeräumt gestaltet. Zu den wenigen Einstellmöglichkeiten der Schnellmenüleiste gehören Bildstil (Standard, Kräftige Farben, Weiche Farben), Blitzmodus, Porträtmodus und die Funktion „Große Blende“. Von links nach rechts über den Bildschirm streichen öffnet die Modusübersicht, in der die übrigen Funktionen untergebracht sind. Hier findet sich unter anderem die Option „Monochrom“. Ist sie aktiviert, erstellt das Huawei mit seinem 20-MPSensor ein zusätzliches Schwarzweißbild, das beim Test mit sehr guter Schärfe und fein abgestimmten Grauwerten zu gefallen wusste. Nicht von ungefähr fühlt man sich an die Leica Monochrom erinnert. Außerdem finden sich hier der HDR-Modus, Modi für Zeitrafferund Zeitlupenvideos, Panoramen, Nachtaufnahmen, Audionotizen und die sogenannte „Lichtmalerei“. Damit meint Huawei verschiedene Arten von Langzeitbelichtungen: Die Begriffe Rücklichtspuren, Licht-Graffiti, Sternspuren und seidiges Wasser sind nicht wirklich selbsterklärend, und auch das Handbuch, das zum Download bereit steht, schweigt sich darüber aus – damit herumzuspielen macht aber Spaß und führt mit ein bisschen Übung zu vorzeigbaren Ergebnissen. Wer Weißabgleich, Tonwerte und ISOWerte beeinflussen will, wechselt aber lieber in den Pro-Modus. Dazu schiebt man den kleinen Balken oberhalb des Auslösers nach oben. Hier findet man die manuelle Belichtungssteuerung, und nur hier ist der RAW-Modus verfügbar, der sich in Sachen Bildqualität immer bezahlt macht. Etwas fummelig ist allerdings das Aktivieren: Wer nicht gerade spitze Finger hat, schiebt statt des Schalters leicht das ganze Menü zur Seite. Praktisch dagegen, dass sich das P10 Plus die gewählte Einstellung beim Schließen der App merkt und beim nächsten Öffnen – fast immer – wieder aufruft. Im Pro-Modus zeigt die Schnellmenüleiste die Belichtungsmessmethode (Matrix, mittenbetont, Spot), den Weißabgleich (AWB, Presets, Kelvin) sowie Regler für ISO-Zahl und Verschlusszeit an. Stellt man beide auf Auto, hat man eine Programmautomatik mit fester Blende, Belichtungskorrekturen sind von -4 bis +4 Blenden möglich. Bei Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen von Belichtungsmessung und manueller Einstellung warnt die Kamera; das kann man anschließend annehmen oder ignorieren. Der Autofokus beherrscht kontinuierlichen und Einzelbildmodus (AF-C und AF-S) und erlaubt, manuell zu fokussieren. Das ist mit dem Schieberegler auf dem Bildschirm ohne Vergrößerung nicht immer einfach. Gut funktioniert die Motivverfolgung.
Samsung Galaxy S8+
Das Samsung Galaxy S8+ ist sogar noch einen Tick größer als das Huawei P10 Plus, wirkt dank abgerundeter Kanten, die noch zum Display gehören, aber schlanker und ausgesprochen elegant. Bei der Kameraauflösung bescheidet sich das S8+ wie das Vorgängermodell S7 mit 12 Megapixeln. Mit Blende f1,7 ist es jedoch nur minimal lichtstärker als das Huawei mit f1,8. Die Brennweite liegt bei ca. 4,2 mm, was dem Bildwinkel eines 29-mm-KBObjektivs entspricht. Auch beim Galaxy S8+ steckt die Elektronik in einem soliden Alugehäuse, das gemäß IP68-Richtlinien abgedichtet ist. Wasser, Staub und Sand sollten so zuverlässig von der empfindlichen Kameratechnik ferngehalten werden. Zum Blitzen steht nur eine LED zur Verfügung, die aber kräftig ist und auch ein zwei Meter entferntes Motiv noch anständig ausleuchtet.
Die Ecken bekommen dann aber schon deutlich weniger Licht ab als die Bildmitte. Der interne Speicher des in Deutschland gehandelten Galaxy S8+ umfasst 64 GB, mit einer microSDKarte kann nachgerüstet werden. Auf der übersichtlichen Bedienoberfläche sitzt der Video-Button unmittelbar neben dem Auslöse-Button. Beim Filmen regelt die Kamera praktisch alles automatisch, Schärfe und Belichtung werden kontinuierlich nachgeführt – und das präziser als beim Huawei. Bei der Video-Auflösung hat man die Wahl zwischen 4K mit 3840 x 2160 Pixeln und 30 B/s über Full-HD mit 1920 x 1080 Pixeln und 60 B/s bis hinunter zu HD oder VGA. Die Automatik des Galaxy ist für FotoEinsteiger ein Segen. Praktisch alle Voreinstellungen sind so gewählt, dass man ohne Veränderungen in den meisten Situationen sehr anständige Bilder bekommt. Auch bei wenig Licht hält sie die ISO-Zahl möglichst niedrig und verlängert die Belichtungszeit. Dank lichtstarken Weitwinkels und optischen Bildstabilisators gelingt das bei statischen Motiven bis hin zu erstaunlich langen Belichtungszeiten gut – bei bewegten Motiven führt es aber schnell zu Bewegungsunschärfen. Im Pro-Modus ist das vermeidbar, denn er erlaubt die manuelle Belichtungssteuerung. Neben Zeitauslöser, Blitzmodus und Seitenverhältnis stellt er die Belichtungs-(mittenbetont, Matrix, Spot) und AF-Messmethode (Einzel-, Mehrfeld-AF) zur Wahl und gewährt Zugriff auf Belichtungskorrektur, Verschlusszeit, ISO-Zahl und Weißabgleich. In den Kameraeinstellungen kann man nun das RAW-Format aktivieren. Hinzu kommt der Phasenerkennungs-AF, der auf dem gleichen Dual-Pixel-Prinzip beruht wie in SLRs von Canon. Alle Sensorpixel bestehen aus je zwei Fotodioden, das erlaubt Phasen-AF auf der gesamten Bildfläche. Auch hier gefällt die Motivverfolgung. Wer selber eingreifen will, fährt mit Pro-Modus und RAW-Format auf jeden Fall besser.
Praxis
Alles ist eine Frage der Gewohnheit – aber beim mittig platzierten Objektiv des Samsung ist eher einmal ein Finger im Weg als beim Huawei, wo Kamera und Blitz ganz oben am Gehäuse sitzen. Sehr praktisch ist es, dass bei beiden Smartphones der Lautstärkeregler als Auslöser genutzt werden kann. Das erlaubt wesentlich intuitiveres Fotografieren, als ewig auf dem Touch-Display herumzunesteln. Für Fotografen ist die Tiefenschärfe schon immer ein beliebtes Gestaltungsinstrument. So ist es möglich, das Hauptmotiv quasi „freizustellen“, während der Rest in Unschärfe verschwimmt. Das regelt man bei der Kamera üblicherweise über die Blende
– die fehlt den Smartphones allerdings konstruktionsbedingt. Folglich muss eine Software-basierte Lösung her. Beim Huawei, wo das Bild ohnehin als Montage eines 12-MBFarbbilds und eines 20-MB-Schwarzweißbilds errechnet wird, scheint ein unterschiedlicher Fokus der beiden Kameras für die Hintergrundunschärfe zu sorgen. Die kameraeigene App bietet den entsprechenden Modus „große Blende“für geringe Schärfentiefe. Das Samsung Galaxy S8+ muss mit einer Linsenkonstruktion auskommen. Trotzdem gibt es auch hier eine Funktion für selektiven Fokus, den Samsung wohl über eine Multishot-Funktion löst, bei der aus scharfen und unscharfen Bildern ein Mischbild mit den entsprechenden Anteilen errechnet wird. Das funktioniert in beiden Fällen erstaunlich gut, wobei der Bokeh-Effekt beim Huawei ausgeprägter und schöner ist als beim Samsung. Ein weiteres nützliches Feature beider Modelle ist die Trennung von Belichtungsmessung und Autofokus. Wenn man etwa beim Huawei auf dem Display länger auf einen beliebigen Punkt des Bilds tippt, entkoppeln sich die beiden Messpunkte. Der größere Kreis für das Fokus- und der kleine Kreis für das Belichtungsmessfeld lassen sich danach getrennt voneinander festlegen. Dadurch kann man bei Motiven mit hohem Kontrast eine bessere Balance zwischen Vorder- und Hintergrund erzielen als mit der Automatik. Beide Testkandidaten zeigen permanent die eingestellten Werte – ob Automatikoder Manuell-Modus – für ISO, Belichtungszeit, Belichtungskorrektur, etc. Die Zahlen des Samsung stehen seitlich des Bildes Weiß auf Schwarz, sind jedoch sehr klein. Huawei nutzt ebenfalls weiße Zahlen, setzt dieses jedoch ins Bild. Die Huawei-Zahlen sind größer, aber immer noch nicht groß genug und je nach Bildmotiv kaum erkennbar. Zudem drehen sich die Huawei-Zahlen im Querformat nicht mit. Der Punkt für die AF-Zeit geht an Huawei; das Samsung stellt sehr schnell scharf, das Huawei aber noch schneller.
Bildqualität
Wer mit Smartphones im JEPG-Modus fotografiert, hat es leicht: Kamera-App starten, Bildausschnitt wählen, auslösen und fertig. Im Kasten ist dann meist ein halbwegs brauchbares Bild mit plakativen Farben, aber auch mit überschärften Kanten und glattgebügelten Flächen. Als Erinnerung in Ordnung, für echte Fotografie unbrauchbar. Doch diese beiden Smartphone-Kameras können es besser, viel besser. Der Wechsel von JPEG zu RAW zeigt, was in ihnen steckt. Bei gutem Licht müssen sich die Aufnahmen nicht hinter denen einer sehr guten Kompaktkamera verstecken. Beim großen RAWTest mit 12 Systemkameras (COLORFOTO 5/2017) hatten wir schon festgehalten, dass der Mehraufwand für RAW sich praktisch immer auszahlt; und das gilt für die XXL-Smartphones Huawei P10 Plus und Samsung Galaxy 8+ noch viel mehr: RAW = bessere Bildqualität. Aus diesem Grund misst das COLORFOTOLabor Smartphone-Kameras generell nur in diesem Betriebsmodus. Auflösung und Randabfall der beiden Testkandidaten sind ähnlich. Allerdings punktet das Samsung mit den besseren Dead-Leaves-Werten: Es erfasst feine Strukturen mit mehr Details, das gilt besonders bei niedrigen Kontrasten. Rauschen tun die Samsung Bilder etwas stärker als die des Huawei. Allerdings lässt Samsung auch durchgängig etwas mehr Farbe in den Bildern, wie die Chrominanz-Werte zeigen. Negativ fallen beim Huawei die starke Vignettierung, also dunkle Bildecken, und der Farbverlauf auf: Die Bildmitte zeigt dann einen etwas anderen Farbstich als die Bildränder. Ein Kritikpunkt beim Samsung sind die hellen Säume, die Spots auslösen, wie das spiegelnde Sonnenlicht auf dem Treppenlauf unseres Testfotos. Insgesamt überzeugt aber bei beiden Modellen die Bildqualiätt im RAWFormat. Sie ist sehr gut bei ISO 50, gut bei ISO 100. Beide ISO-Werte sind angesichts der lichtstarken Objektive im fotografischen Alltag zudem realistisch.
Reinhard Merz