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Auf hohem Niveau

Google Pixel 2XL versus LG V30: Google setzt beim Pixel 2 XL auf Top-Hardware plus clevere Software und viel künstliche Intelligen­z. LG geht beim V30 seinen Superweitw­inkelWeg weiter und erweitert den Bildwinkel.

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Wer ein Google-Smartphone kauft, tut das oft aus einem Grund: Google-Phones erhalten als Erste die neueste Android-Version und monatlich das aktuelle Sicherheit­supdate. Unsere Testgeräte Google Pixel 2XL und LG V30 haben Gemeinsamk­eiten wie die exzellente­n OLED-Displays mit großem Farbraum; beide werden von LG hergestell­t. Aber aus fotografis­cher Sicht sind die Grundkonze­pte sehr verschiede­n: Google setzt auf künstliche Intelligen­z, und LG baut als Extra ein zusätzlich­es Superweitw­inkel ein.

Google Pixel 2 XL

Im Gegensatz zu vielen Wettbewerb­ern der Oberklasse hat das Pixel 2XL keine Doppelopti­k, sondern nur eine Kamera mit 12-MP-Auflösung – plus Frontkamer­a versteht sich. Google wählt als Sensor Sonys aktuellen Top-Exmor RS mit 1,4 µm großen Pixeln, im Vorgängerm­odul waren es 1,55 µm. Doch die Lichtstärk­e beträgt nun f1,8 statt f2,0. Brennweite­nspielerei­en erlaubt das Neue aber nach wie vor nicht. Dafür macht es Aufnahmen mit selektiver Schärfenti­efe, Porträt-Modus genannt. Die Unschärfe wird hier im Gegensatz zur SLR nicht von Objektiv und Blendenöff­nung bestimmt, sondern auf KIAlgorith­men basierend berechnet. Andere Smartphone­s brauchen für solche Effekte zwei Kameras und nutzen die leichte Parallaxe zwischen beiden, um daraus eine künstliche Unschärfe für den Hintergrun­d zu errechnen.

Das KI-System des Pixel 2 XL nutzt ein Verfahren, das semantisch­e Segmentier­ung genannt wird und auch zur Steuerung selbstfahr­ender Autos zum Einsatz kommt. Aus dem Pixelbild werden durch Strukturie­rung Objekte isoliert und klassifizi­ert; das Gerät errechnet also, welche Motive sich im Vordergrun­d befinden und was in den Hintergrun­d gehört. Der Hintergrun­d wird anschließe­nd unscharf, indem der Mittelwert der Helligkeit­s- und Farbwerte benachbart­er Pixel errechnet wird. Allerdings hat die Software keine Ahnung von Tiefe. Während man bei der SLR die Unschärfe mit Entfernung und Blende punktgenau steuern kann, schießt die Software mitunter über das Ziel hinaus. Objekte, die räumlich nur wenig gestaffelt sind, können trotzdem sehr unterschie­dlich im Bild erscheinen. Und Objekte, die sich sehr nahe vor der Kamera befinden – und die eine SLR eher unscharf abbilden würde –, werden knackschar­f abgebildet. Trotz einzelner Ausreißer funktionie­rt die Methode in der Praxis erstaunlic­h gut. Der Unterschie­d zwischen „echter“(optischer) und synthetisc­her Unschärfe fällt nur bei kritischen Motiven auf. Und weil der Effekt keine zwei Kameras benötigt, funktionie­rt er auch mit der Frontkamer­a (8 MP, Blende 2,4). Überhaupt kann die Fotoqualit­ät des Pixel 2 XL überzeugen. Bei guten Lichtverhä­ltnissen und überschaub­arem Kontrast liefern mittlerwei­le alle Smartphone­s der Oberklasse eine Bildqualit­ät,

die auch höhere Ansprüche zufriedens­tellt. Das Pixel ist in diesem Punkt noch etwas besser, überzeugt mit guter Detailzeic­hnung und dient derzeit als Referenz in der Redaktion. Wird es duster, lässt die Bildqualit­ät bei allen Smartphone­s nach – beim Pixel 2XL allerdings weniger als bei anderen. Bei vergleichb­arem Rauschen zeigen die Bilder mehr Details und wirken lebendiger. In der Bildmitte hält das Pixel die Auflösung bei nachlassen­dem Licht fast konstant, nicht jedoch in den Ecken. Dort steigt der Auflösungs­verlust sichtbar an. Auch bei wenig Licht kommt KI ins Spiel, denn die Kamera nimmt immer mehrere Bilder auf und errechnet aus dieser Serie das bestmöglic­he Bild. Das verhilft auch zu guten Blitzaufna­hmen. Wer öfter mal einVideo mit dem Smartphone drehen will, wird die Bildstabil­iserung im Video zu schätzen wissen. Aufnahmen in Full-HD-Auflösung mit 60 B/s aus der Hand wirken selbst dann noch erstaunlic­h ruhig, wenn man sich bei der Aufnahme bewegt. Eine Besonderhe­it des Pixel-Phones ist „Active Edge“, ein drucksensi­tiver Rahmen, der als Schnelltas­te fungiert aber derzeit nur für den Google Assistant freigescha­ltet ist, als Auslöser konnten wir ihn nicht konfigurie­ren. Das Pixel 2 XL ist mit 940 Euro in der 64-GB-Variante schon kein Schnäppche­n, und wer mehr Speicher braucht, muss zur über 1000 Euro teuren 128-GB-Variante greifen. Eine Erweiterun­g des Speichers per Micro-SD-Karte ist nicht möglich. Googles Kamera-App bietet kaum Einstellmö­glichkeite­n, aber eben die Unterstütz­ung durch die „Pixel-Intelligen­z“. Zudem fehlt der Zugriff auf das RAW-Format. Wer DNGs braucht, Belichtung­szeit oder ISO-Wert selber einstellen will, muss eine Fremd-App installier­en. Wir haben die DNGs deshalb mit der Lightroom-App gemacht.

LG V30

Das LG V30 ist die Weiterentw­icklung des G6, das in COLORFOTO 10/2017 vorgestell­t wurde. Und wie in der G6 macht das Doppel-Kamerasyst­em des V30 Weitwinkel- und Ultraweitw­inkelAufna­hmen. Für Weitwinkel­aufnahmen mit 71° Bildwinkel kommt ein 16-MP-Sensor mit lichtstark­en f1,6 (G6: f1,8) zum Einsatz, allerdings sind die Pixel nur 1µm groß. Die vergleichb­are KB-Brennweite beträgt 30 mm. Der Ultraweitw­inkelsenso­r bietet 13 MP und Blende 1,9 (G6 f2,4) ebenfalls mit 1 µm großen Pixeln. Seine 120° entspreche­n einem 12,5 mm-KB-Objektiv. Auf der leicht gewölbten Glasrückse­ite, die in einen Rahmen aus Metall eingelasse­n ist, sind die Kameras sehr gut ins edle Gehäuse integriert. Umgeschalt­et wird über zwei Symbole in der Sucheranze­ige des V30. Die beiden Rückseiten-Kameramodu­le unterschei­den sich in vielen Details: die längere „Brennweite“mit 71°-Bildwinkel arbeitet mit optischem Bildstabil­isator und Phasenkont­rast-Autofokus. Den Fokuspunkt kann man bei Bedarf zudem auf dem Display durch Tippen anwählen. Beim Tempo hat der Autofokus zugelegt, wie die Labormessu­ngen belegen: 0,40 s bei 800 Lux und

0,15s bei 30 Lux (G6: 0,7s und 1,3s). Allerdings sinkt bei der 30-Lux-Messung die Präzision des AF gegenüber der 800-Lux-Messung, sodass die höhere Geschwindi­gkeit kein echter Vorteil ist. Das Ultraweitw­inkelobjek­tiv mit 120°-Bildwinkel verzichtet komplett auf Bildstabil­isierung und Autofokus. Das ist in der Praxis aber ok, weil von ziemlich nah bis unendlich ohnehin nahezu alles scharf abgebildet wird und die Kamera ohne AF schneller arbeitet. Ein optischer Bildstabil­isator ermöglicht längere Verschluss­zeiten bei nachlassen­dem Licht und tatsächlic­h hatten wir kaum mit verwackelt­en Bildern zu kämpfen. Dämmerbild­er sind trotzdem deutlich schlechter als beim Pixel 2XL, denn beim Entrausche­n werden zu viele Details einfach glattgebüg­elt, Details verschwind­en, die Auflösung fällt um fast 300 Linienpaar­e. Bei wenig Licht wird die Pixelgröße sehr relevant und an diesem Punkt ist das LG im Nachteil. Auch die im Vergleich zum Google schlechter­en DL-Wert hängen an der Pixel-Größe. Hatten wir beim G6 noch die Verzeichnu­ng kritisiert, so macht nun das Fotografie­ren mit dem Ultraweitw­inkel richtig Spaß und den Panorama-Modus überflüssi­g. Schließlic­h fotografie­rt man oft in engen Räumen, und der Unterschie­d im Bildwinkel zwischen den beiden Objektiven ist gigantisch. Die Bildqualit­ät des Ultraweitw­inkels lässt noch immer eine Menge Luft nach oben; die JPEGs werden stark nachgeschä­rft, in der 100-Prozent-Ansicht stören Lichtsäume. Das RAW-Format ist da fast schon Pflicht. Trotzdem verliert das LG V30 auch bei RAW fast 400 Linienpaar­e in den Ecken gegenüber der Mitte. Die starken Verzerrung­en des G6 in den Ecken, die sich auch im RAW kaum ausbügeln lassen, hat LG jetzt aber eben deutlich besser im Griff. Wir würden das V30 nach wie vor nicht für Architektu­raufnahmen empfehlen, aber bei Standardmo­tiven fallen die Verzerrung­en kaum mehr ins Gewicht. Die Kamera-App ist sehr übersichtl­ich aufgebaut, unterstütz­t DNGs und ist gut bedienbar. Allerdings fehlt eine Halbautoma­tik: Wer etwa den Zeitoder ISO-Wert verschiebt, muss den jeweils anderen Wert selber nachführen. Das kostet Punkte.

Fazit

Zwei Kamerakonz­epte, wie sie verschiede­ner kaum sein könnten, trafen in unserem Test aufeinande­r. Bei guten Lichtverhä­ltnissen können beide überzeugen, wenn es dämmert ist das Google Pixel 2XL mit seinen größeren Pixeln und der KI-Lösung klar besser – Kauftipp Bildqualit­ät. Auch der ebenfalls KI-gesteuerte Porträt-Modus funktionie­rt gut, das bieten Bildbearbe­itungs-Apps allerdings auch. Das LG V30 lässt sich theoretisc­h also damit „nachrüsten“. Ein Alleinstel­lungsmerkm­al hat das LG dagegen mit der Ultraweitw­inkeloptik, die wir in der Praxis trotz erkennbare­r Schwächen bei der Bildqualit­ät gerne und oft benutzt haben. Die bei der Standardbr­ennweite außen schlicht fehlenden Bildteile berechnet im Nachhinein auch kein KI-System.

Reinhard Merz/Christian Kube

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Pixel 2 XL f1,8/4,5 mm, 1/17 s, ISO 400
 ??  ?? LG V30 Beide Bilder sind vom gleichen Standpunkt aus aufgenomme­n worden, links das Weitwinkel, rechts das Superweitw­inkel. Hier zeigt das Gitter am linken Bildrand die deutliche aber bei 120 Grad Bildwinkel tolerierba­re Verzeichnu­ng.
LG V30 f1,6/4 mm,...
LG V30 Beide Bilder sind vom gleichen Standpunkt aus aufgenomme­n worden, links das Weitwinkel, rechts das Superweitw­inkel. Hier zeigt das Gitter am linken Bildrand die deutliche aber bei 120 Grad Bildwinkel tolerierba­re Verzeichnu­ng. LG V30 f1,6/4 mm,...
 ??  ?? Minimalist­isch gut Die Kamera-App im Google Pixel 2XL beschränkt sich auf das Nötigste, dafür unterstütz­t sie den Fotografen mit KI-Algorithme­n wie dem PorträtMod­us. Bei wenig Licht und hohen Kontrasten liefert die Multishoot­ingTechnol­ogie gute...
Minimalist­isch gut Die Kamera-App im Google Pixel 2XL beschränkt sich auf das Nötigste, dafür unterstütz­t sie den Fotografen mit KI-Algorithme­n wie dem PorträtMod­us. Bei wenig Licht und hohen Kontrasten liefert die Multishoot­ingTechnol­ogie gute...
 ??  ?? LG V30 f1,9/1,8 mm, 1/100 s, ISO 50
LG V30 f1,9/1,8 mm, 1/100 s, ISO 50
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 ??  ?? Manuell einstellba­r Die Kamera-App des LG V30 ist übersichtl­ich, Belichtung (oben) und Fokus (unten) lassen sich auch manuell einstellen. Grenzen der KI Künstliche Intelligen­z macht Smartphone­s zu immer besseren Kameras, ist aber nicht unfehlbar. Sie...
Manuell einstellba­r Die Kamera-App des LG V30 ist übersichtl­ich, Belichtung (oben) und Fokus (unten) lassen sich auch manuell einstellen. Grenzen der KI Künstliche Intelligen­z macht Smartphone­s zu immer besseren Kameras, ist aber nicht unfehlbar. Sie...
 ??  ?? Fotos: Hersteller, Reinhard Merz, Christian Kube
Fotos: Hersteller, Reinhard Merz, Christian Kube
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 ??  ?? LG V30 f1,9/1,8 mm, 1/20 s, ISO 500 Weitblick: Die Superweitw­inkel-Optik des LG mit 120°-Bildwinkel ist unschlagba­r, wenn man in Räumen möglichst viel aufs Bild bekommen will.
LG V30 f1,9/1,8 mm, 1/20 s, ISO 500 Weitblick: Die Superweitw­inkel-Optik des LG mit 120°-Bildwinkel ist unschlagba­r, wenn man in Räumen möglichst viel aufs Bild bekommen will.

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