Workday nimmt Europa ins Visier
Nach seinem Erfolg in den USA erhöht der HRSpezialist nun auch in der Alten Welt den Druck auf Konkurrenten wie SAP und Oracle.
Der von Ex-Peoplesoft-Managern gegründete SaaS-Spezialist Workday will seinen Erfolg in den USA nun auf den europäischen Kontinent ausdehnen. Das zeigte die Kundenkonferenz „Workday Rising“in Dublin Ende 2015.
Einen ersten Eindruck konnten die Besucher schon am Dubliner Flughafen gewinnen. Wo sie hinschauten, sprang ihnen die Werbung des Softwareunternehmens ins Auge. Workday beschäftigt in Dublin rund 500 seiner knapp 5000 Mitarbeiter. Das sind zum Großteil Entwickler, aber auch Vertriebler. Workday verkauft seine Cloud-basierte Software für Human-Capital-Management (HCM) und Finanz-Management selbst und verzichtet auf ein Partnernetz. Kundennähe gehört zu den heiligen Unternehmenswerten.
Das Softwarehaus entstand 2005, als Peoplesoft-Gründer David Duffield und sein langjähriger Topmanager Aneel Bhusri beschlossen, Teile des Betrags, den sie mit dem unfreiwilligen Verkauf von Peoplesoft an Oracle erlöst hatten, in eine Neugründung zu investieren. Um den HCM-Fokus herum wurde das Applikationsangebot langsam ausgebaut. Im Mittelpunkt stand stets ein einheitlicher Code auf Basis einer Service-orientierten Infrastruktur mit offenen Schnittstellen sowie innovativen Funktionen – nicht nur für Personaler und Manager, sondern auch für andere Mitarbeiter.
Die aktuelle Version 25 deckt unter anderem Talent- und Performance-Management einschließlich Scorecard-Funktionen ab. Anfang dieses Jahres kommt Version 26, sie soll den Anwendungskomplex „Learning“mitbringen – ein eigens entwickeltes Learning-ManagementSystem, das tief in den Softwarekern integriert ist. Für den Herbst stehen Realtime-Planning und Analytics auf der To-do-Liste. Mehr als 1000 Kunden haben bislang angebissen, verriet das Unternehmen in Dublin, und mehr als 70 Prozent davon seien mit dem Anwendungspaket aus der Cloud, das sie wöchentlich aktualisiert bekommen, live gegangen. Schon seit 2011 ist die Software auf mobilen Endgeräten verfügbar, mittlerweile auch auf dem iPad. „Alles, was Workday entwickelt, beginnt heute beim Smartphone des Anwenders“, behauptete Joe Korngiebel, Senior Vice President für Customer Experience, Mobile und Innovation.
Workday schreibt noch keinen Gewinn
Profitabel ist Workday nicht, das Management priorisiert noch immer das Wachstum. Mark Nittler, Vice President Enterprise Strategy, führt die Verluste – im Finanzjahr 2015 (Ende: 31. Januar 2015) waren es 248 Millionen Dollar – auf das Cloud-Modell zurück: „Alle Cloud-Unternehmen sehen erst einmal wenig profitabel aus, aber das legt sich mit der Zeit.“Während konventionelle Softwareanbieter die Lizenzgebühr bei Vertragsabschluss verbuchen könnten, ließen sich Cloud-Subskriptionen eben nur in dem Tempo gutschreiben, in dem der Kunde sie „verbrauche“. Vorerst wollen die WorkdayMacher lieber ihre Produkte weiterentwickeln, als Investoren glücklich zu machen.
In Deutschland ist das Unternehmen seit 2008 präsent, zunächst aber nur mit einer etwa 50-köpfigen Entwicklungsabteilung, deren Ursprung sich auf ein in München ansässiges Peoplesoft-Team zurückführen lässt. Diese Mitarbeiter bearbeiten vor allem die hiesigen
Tochtergesellschaften ausländischer WorkdayKunden. „Weniger als zehn Prozent“der 170 Kunden in Deutschland hätten ihr Headquarter hier, sagt Geschäftsführer Christoph Kull. Workday wolle aber nun verstärkt deutsche Unternehmen aus dem „gehobenen Mittelstand“gewinnen. Diese seien meist international aufgestellt – „und hier hat eine Lösung aus der Cloud Vorteile, weil sie agil und anpassbar ist“.
Daten bleiben in Europa
Workday sichert EU-Kunden zu, dass ihre Daten ausschließlich innerhalb der EU-Grenzen – also derzeit in Dublin – und dort auch von europäischem Personal gespeichert und verarbeitet werden. „Es gibt keine Zugriffe aus den USA“, verspricht EMEA-Chef Chano Fernandez. Mit der gerade angekündigten „EU Support Policy“kommt Workday zum richtigen Zeitpunkt heraus. Erst im vergangenen Oktober hatte der Europäische Gerichtshof das „Safe-Harbor-Abkommen“für ungültig erklärt. „Wir haben uns noch nie auf Safe Harbor verlassen“, betont Fernandez, „wir sind zertifiziert nach den Sicherheitsstandards ISO/IEC 27001 und 27018.“
Workday-Kunden lassen sich in der Regel voll auf den Cloud-Ansatz ein – mit allen Konsequenzen. So berichtet Denis Sacré, Vice President HR Services beim französischen Pharmakonzern Sanofi: „Wir haben bei Workday testweise nachgefragt, ob sie vielleicht hier und da ein bisschen customizen könnten. Wir wollten ein striktes Nein hören, keine windelweichen Ausreden.“Das hätten sie dann auch bekommen. Allerdings habe Workday auf den Kunden gehört und Anregungen aufgenommen, um sie in den Standard zu integrieren.
Sanofi will seine Human Resources für 110.000 Mitarbeiter in über 100 Ländern „neu positionieren“, wie Sacré formuliert. Der Bereich, in dem es am meisten zu erneuern gab, war das Talent-Management. Hier war aufgrund von Fusionen und Übernahmen ein Potpourri an Lösungen im Einsatz, aber keine, die unternehmensweit genutzt werden konnte: „Es gab keine Self-Service- und auch keine Cloud-Kultur.“
Sacré spricht gern über Kultur: Sein Ziel sei es gewesen, Prozesse transparenter zu machen, Manager und Mitarbeiter in eine Position der Kontrolle zu bringen und eine „kollaborative Kultur“zu schaffen. Dazu gehöre ein „proaktiver Ansatz“für die Mitarbeiterentwicklung, eine Personalplanung, die den Namen verdiene, sowie ein „Kulturwandel“auch auf den höheren Hierarchiestufen: „Wir müssen aus Managern Leader machen.“
Marktbeobachter halten den Fokus auf TalentManagement bei Workday für einen Wettbewerbsvorteil. Joachim Haydecker, Senior Analyst bei Crisp Resarch, glaubt, dass sich Workday von konkurrierenden Systemen abgesetzt hat, „indem sie sich – von der HR-Verwaltung kommend – dem Talent-Management-Thema geöffnet haben“. Hier ließen sich viele Unternehmen überzeugen: „Das alte Modell der reinen Verwaltung von Mitarbeitern hat ausgedient. Das Finden, Entwickeln und Halten von Talenten wird wichtiger.“
Cape Clear brachte Infrastrukturbasis
Die tiefe Integration verdankt Workday seiner One-Platform-Strategie. Diese lässt sich auf eine im Jahr 2008 getätigte Akquisition zurückführen: Damals verkaufte Annrai O‘Toole, einer der Pioniere in Sachen Web-Services, sein Unternehmen Cape Clear an Workday. Die dort entwickelte Web-Services-Integration bildet nun die infrastrukturelle Basis für alle Workday-Applikationen. In Dublin betonte O‘Toole, der heute als europäischer CTO für Workday arbeitet, dass ein SaaS-Anbieter eine solche Infrastruktur brauche. Ein HR-System müsse Anschluss an bis zu 200 unterschiedliche Anwendungen haben – diese Komplexität gelte es zu managen.