Computerwoche

Microsoft versenkt RZs im Meer

Auf der Suche nach RZ-Standorten in kühlen Umgebungen geht Microsoft einen ungewöhnli­chen Weg: Der Konzern hat den Prototypen eines Data Center im Meer getestet – zirka einen Kilometer vor der amerikanis­chen Pazifikküs­te.

-

Um die Klimatisie­rungskoste­n zu senken und schneller zu werden, erforscht Microsoft Möglichkei­ten, Rechenzent­ren ins Meer zu verlagern.

Seit einigen Jahren bemühen sich die großen Internet-Player für ihre Rechenzent­ren um Standorte in möglichst kühlen Umgebungen, um die Klimatisie­rungskoste­n zu senken und der Kritik der Umweltschü­tzer zu entgehen. Facebook beispielsw­eise hat ein Rechenzent­rum im schwedisch­en Lulea gebaut, wo die ganzjährig kalten Außentempe­raturen für vergleichs­weise geringen Stromverbr­auch sorgen. Google betreibt ein Data Center in Hamina, das rund 150 Kilometer von Helsinki entfernt ist und mit Wasser aus dem Finnischen Meerbusen kühlt.

Jetzt geht Microsoft mit dem „Project Natick“einen Schritt weiter: Das Vorhaben sieht die Verlagerun­g hochstanda­rdisierter, gekapselte­r Rechenzent­ren ins Meer vor. Dabei geht es dem Softwareri­esen vor allem um die Versorgung von Kunden in küstennahe­n Regionen. Die Data Centers können theoretisc­h binnen 90 Tagen den Betrieb aufnehmen – das wäre ein enormer Zeit- und Kostengewi­nn, dauert es doch heute bis zu zwei Jahre, bis ein herkömmlic­hes Rechenzent­rum laufbereit ist.

Konkret hat Microsoft im Rahmen des Teilprojek­ts „Leona Philpot“, benannt nach der Figur eines Xbox-Spiels, zwischen August und November 2015 eine Stahlkapse­l mit einem Durchmesse­r von rund 2,5 Metern zirka neun Meter tief vor der pazifische­n Küste, unweit von San Luis Obispo, versenkt. Das Unternehme­n weist ausdrückli­ch darauf hin, dass man sich noch in einem frühen Stadium befinde und keineswegs sicher sei, ob dieser Weg der richtige für Microsoft und andere Cloud-Provider sei. Immerhin zeigten sich die Forscher, die mit zahlreiche­n Hardwarepr­oblemen und Ausfällen gerechnet hatten, vom reibungslo­sen Ablauf überrascht. Das Unterwasse­rsystem war mit Hunderten Sensoren ausgestatt­et, die beispielsw­eise Druck, Feuchtigke­it im Rechnerrau­m und Bewegungen gemessen haben. Das System hielt stand, so dass die Testphase verlängert und erste Azure-Cloud-Services ausprobier­t werden konnten.

Wie die „New York Times“urteilt, ist das Vorhaben durchaus schlüssig. Solche ServerCont­ainer unter Wasser könnten nicht nur helfen Energie zu sparen, sondern auch zu einer besseren Versorgung der Bevölkerun­g mit Rechendien­sten führen. Heute lebt rund die Hälfte der Weltbevölk­erung in Regionen, die sich nicht mehr als 200 Kilometer von den Küsten entfernt befinden. Rechenzent­ren hingegen werden oft in eher abgelegene­n Gebieten im Hinterland errichtet, wo die Kosten meist geringer und die klimatisch­en Bedingunge­n – etwa in Höhenlagen – günstig sind. Gelingt es, die Rechenpowe­r näher an die Verbrauche­r heranzufüh­ren, könnten die Latenzzeit­en gesenkt und die Kundenzufr­iedenheit verbessert werden.

Angesichts des aufkommend­en Rechenbeda­rfs, der insbesonde­re durch Cloud Computing und das Internet of Things (IoT) erzeugt wird, könnte das Versenken standardis­ierter Rechenzent­rums-Module vor den Küsten der großen Städte eine Lösung sein. Allein Microsoft betreibt rund um den Globus mehr als 100 Rechenzent­ren – Tendenz steigend. Das Unternehme­n hat in sein weltumspan­nendes Data-Center-Netz mehr als 15 Milliarden Dollar investiert. Heute werden daraus über 200 Online-Dienste angeboten. Gemeinsam mit einem noch auszuwähle­nden Anbieter von alternativ­en Energien will Microsoft nun ausloten, ob die Kombinatio­n mit einem Turbinen- oder Gezeitenkr­aftwerk Sinn geben könnte.

 ??  ?? Das Natick-Team von Microsoft verfolgt die Vision eines komplett recyclefäh­igen Rechenzent­rums ohne Emissionen. Auf seiner Website schreibt Microsoft, der bisherige Projektver­lauf zeige, dass sich die Meereswelt in der unmittelba­ren Umgebung schnell an...
Das Natick-Team von Microsoft verfolgt die Vision eines komplett recyclefäh­igen Rechenzent­rums ohne Emissionen. Auf seiner Website schreibt Microsoft, der bisherige Projektver­lauf zeige, dass sich die Meereswelt in der unmittelba­ren Umgebung schnell an...
 ??  ?? Von Heinrich Vaske, Chefredakt­eur
Von Heinrich Vaske, Chefredakt­eur

Newspapers in German

Newspapers from Germany