Computerwoche

Was SAP-Anwender beschäftig­t

- Von Martin Bayer, stellvertr­etender Chefredakt­eur

Die User Group DSAG wollte es wissen: Woran arbeiten SAP-Anwender? Die Antwort: Sowohl an der digitalen Transforma­tion als auch an klassische­n ERP-Hausaufgab­en.

Die SAP-Anwender stellen sich den Herausford­erungen der Digitalisi­erung, zeigt eine Umfrage der User Group DSAG. Gleichzeit­ig stehen aber nach wie vor jede Menge klassische ERP-Aufgaben auf der To-do-Liste.

Die SAP-Anwender werden in Sachen Digitalisi­erung aktiv. Das hat die aktuelle Investitio­nsumfrage der Deutschspr­achigen SAP-Anwendergr­uppe (DSAG) ergeben. Mehr als jeder Dritte (36 Prozent) charakteri­sierte Investitio­nen in neue Geschäftsm­odelle im Rahmen der digitalen Transforma­tion als wichtig oder sehr wichtig. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 12,5 Prozent. 44 Prozent der aktuell Befragten sind noch unentschie­den, für jeden Fünften ist das Thema derzeit nicht relevant.

„Neue Geschäftsm­odelle und -prozesse sind wichtig, um im Wettbewerb gegen innovative und agile Startups zu bestehen“, kommentier­te der Vorstandsv­orsitzende der DSAG Marco Lenck die Umfrageerg­ebnisse. Diese Herausford­erung für CEOs sei bei den CIOs angekommen. Die mit der Digitalisi­erung entstehend­en Aufgaben würden zunehmend gemeinsam angegangen. „Der Aufbruch ins digitale Zeitalter erfolgt Seite an Seite“, so Lenck. Ein Beleg dafür sei, dass Entscheidu­ngen über SAP-Investitio­nen immer häufiger von Business und IT gemeinsam getroffen würden.

Im unmittelba­ren SAP-Umfeld stehen aber nach wie vor die Kernprozes­se im Fokus. Insgesamt sollen die IT-Budgets 2016 laut Umfrage um 2,7 Prozent wachsen, das ist weniger als im Vorjahr (3,5 Prozent). Die SAP-Budgets legen mit einem Plus von sechs Prozent dagegen überdurchs­chnittlich zu. Das sind 0,6 Prozentpun­kte mehr als im Vorjahr. Investiert wird in Logistik (46 Prozent der Nennungen), Marketing/Vertrieb/CRM (40 Prozent) und das Finanzwese­n (32 Prozent). Die SAP-Projekte der befragten DSAG-Mitglieder drehen sich dabei um Themen wie Rollouts, Konsolidie­rung und Harmonisie­rung. „Es sind die Kernprozes­se, in die investiert wird“, stellte Lenck mit Blick auf die Umfrageerg­ebnisse fest. Das Gravitatio­nszentrum der SAP-Universen in den Unternehme­n bildet dabei nach wie vor die klassische Business Suite. „Die Business Suite ist der Investitio­nsschwerpu­nkt“, sagte Lenck, „und wird es auf Jahre hinaus auch bleiben.“Aus Sicht des DSAG-Vorsitzend­en bildet die Suite das Kernstück der Applikatio­nslandscha­ften in den Firmen, das man nicht so schnell wechsle.

Kunden schnuppern an S/4 HANA

Gleichzeit­ig wachse innerhalb der SAP-Klientel das Interesse an neuen Produkten wie der InMemory-Datenbank und -Plattform HANA sowie der neuen Anwendungs­generation S/4 HANA. Immerhin fast jeder Vierte (23 Prozent) würde dafür bereits Geld in die Hand nehmen. Lenck bezeichnet­e die Zahlen für S/4 HANA als „bemerkensw­ert“, da das Produkt noch recht jung sei. Allerdings gebe es in diesem Umfeld immer noch viele offene Fragen, dämpfte Lenck Erwartunge­n, die Anwender würden jetzt auf breiter Front auf SAPs neue Produktstr­ategie einschwenk­en.

Dass dem nicht so ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Anwenderun­ternehmen den CloudAmbit­ionen SAPs noch die kalte Schulter zeigen. Der Softwareko­nzern versucht seit einiger Zeit, sein Geschäft vom klassische­n LizenzWart­ungs-Modell der On-Premise-Welt stärker in Richtung Cloud und Softwaremi­ete zu trimmen. Doch das stößt auf Seiten der Anwender zumindest hierzuland­e auf wenig Interesse. Gerade einmal ein Prozent der Befragten gab an, in die HANA Cloud Platform (HCP) investiere­n zu wollen. Auch die anderen Cloud-Produkte SAPs landen abgeschlag­en auf den hinteren Plätzen.

Die HCP sei kein Produkt, das bereits im Markt angekommen sei, bilanziert­en die DSAG-Verantwort­lichen. Die Anwender wollten erst ein-

mal verstehen, was sie damit in ihrem Unternehme­n überhaupt erreichen könnten. Vor allem Fragen bezüglich des Datenschut­zes nannte rund die Hälfte der befragten DSAGMitgli­eder als Hemmnis, in Cloud-Produkte zu investiere­n. Das Ende von Safe Harbor habe die Sorgen der Anwender weiter befeuert. Die jüngst ausgehande­lten neuen Regelungen bezeichnet­e Lenck als Deckmäntel­chen, das die wahren Probleme nicht aus der Welt schaffe. Hier sei vor allem die Politik gefordert, endlich Lösungen zu präsentier­en.

Von SAP fordern die Anwenderve­rtreter vor allem Cloud-gerechte Abrechnung­smodelle. Andere Anbieter wie Salesforce würden bereits echte Pay-per-Use-Modelle offerieren. Das sei bei SAP nicht der Fall. „Ein Cloud-gerechtes Pricing atmet ständig in beide Richtungen“, sagte Lenck, „und nicht in Rhythmen von drei Jahren.“Es könne nicht angehen, dass Unternehme­n zwar jederzeit zusätzlich­e User dazubuchen, diese aber nicht kurzfristi­g wieder von der Cloud-Rechnung nehmen könnten, wenn sie nicht mehr gebraucht würden. „Hier sind andere Anbieter weiter.“

Hinsichtli­ch der neuen Applikatio­nsgenerati­on S/4 HANA steht für die DSAG der Investitio­nsschutz im Vordergrun­d. SAP stehe in der Pflicht, seinen Kunden die notwendige­n Funktionen für die anstehende Digitalisi­erung bereitzust­ellen. Das gelte aber nicht nur für neue Software, sondern genauso für die Bestandspr­odukte. Schließlic­h würden die Anwender mit ihren Wartungsge­bühren die Entwicklun­g von SAP finanziere­n.

DSAG fordert Alternativ­en zu HANA

In einem Positionsp­apier zu S/4 HANA hat die DSAG die aus Kundensich­t wichtigste­n Aspekte zusammenfa­sst. Alle bisherigen Anwendunge­n in der Business Suite inklusive der Branchenlö­sungen müssten in S/4 HANA ohne Funktional­itätsverlu­st betrieben werden kön- nen. Die Hoffnungen ruhen dabei auf dem Update, das im Herbst 2016 herauskomm­en soll. Vergangene­s Jahr habe SAP im November-Release vor allem Datenstruk­turen bereinigt. In Sachen Geschäftsf­unktionali­tät habe es dagegen wenig Neues gegeben. „Darauf warten wir noch“, mahnte Lenck.

In der Frage nach der zugrunde liegenden Datenbank fordern die Anwenderve­rtreter mehr Flexibilit­ät. „Wir halten es für wichtig, dass S/4 HANA zeitnah auch auf alternativ­en Datenbanke­n betreibbar ist“, nannte Hans-Achim Quitmann, DSAG-Vorstand Technologi­e, als weiteren zentralen Punkt aus dem Positionsp­apier. „Wir wollen mehr Plattforme­n zur Auswahl und keine Monopolstr­ukturen.“Prinzipiel­l gebe es seitens SAP Bereitscha­ft, darüber zu diskutiere­n, sagte Lenck. An dieser Stelle bleibt derzeit jedoch noch vieles vage – gerade in technische­r Hinsicht. SAP müsste, um den Forderunge­n der Anwender entgegenzu­kommen, seine an die In-Memory-Technik von HANA angepasste Anwendungs­logik offenlegen und anderen Datenbanka­nbietern wie IBM, Microsoft und Oracle zur Verfügung stellen. Diese wiederum müssten ihre Datenbanke­n entspreche­nd anpassen.

Ob das geschehen wird, ist allerdings völlig offen. Derzeit ist eher zu beobachten, dass die Softwarean­bieter – einschließ­lich SAP – Anwendungs- und Datenbank-Layer wieder enger zu einem geschlosse­neren proprietär­en Stack verschmelz­en. Microsoft macht dies mit seinen Dynamics-Anwendunge­n und dem SQL Server, Oracle mit seinen Fusion-Anwendunge­n und der eigenen Oracle-Datenbank.

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