Was SAP-Anwender beschäftigt
Die User Group DSAG wollte es wissen: Woran arbeiten SAP-Anwender? Die Antwort: Sowohl an der digitalen Transformation als auch an klassischen ERP-Hausaufgaben.
Die SAP-Anwender stellen sich den Herausforderungen der Digitalisierung, zeigt eine Umfrage der User Group DSAG. Gleichzeitig stehen aber nach wie vor jede Menge klassische ERP-Aufgaben auf der To-do-Liste.
Die SAP-Anwender werden in Sachen Digitalisierung aktiv. Das hat die aktuelle Investitionsumfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) ergeben. Mehr als jeder Dritte (36 Prozent) charakterisierte Investitionen in neue Geschäftsmodelle im Rahmen der digitalen Transformation als wichtig oder sehr wichtig. Vor einem Jahr waren es gerade einmal 12,5 Prozent. 44 Prozent der aktuell Befragten sind noch unentschieden, für jeden Fünften ist das Thema derzeit nicht relevant.
„Neue Geschäftsmodelle und -prozesse sind wichtig, um im Wettbewerb gegen innovative und agile Startups zu bestehen“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende der DSAG Marco Lenck die Umfrageergebnisse. Diese Herausforderung für CEOs sei bei den CIOs angekommen. Die mit der Digitalisierung entstehenden Aufgaben würden zunehmend gemeinsam angegangen. „Der Aufbruch ins digitale Zeitalter erfolgt Seite an Seite“, so Lenck. Ein Beleg dafür sei, dass Entscheidungen über SAP-Investitionen immer häufiger von Business und IT gemeinsam getroffen würden.
Im unmittelbaren SAP-Umfeld stehen aber nach wie vor die Kernprozesse im Fokus. Insgesamt sollen die IT-Budgets 2016 laut Umfrage um 2,7 Prozent wachsen, das ist weniger als im Vorjahr (3,5 Prozent). Die SAP-Budgets legen mit einem Plus von sechs Prozent dagegen überdurchschnittlich zu. Das sind 0,6 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Investiert wird in Logistik (46 Prozent der Nennungen), Marketing/Vertrieb/CRM (40 Prozent) und das Finanzwesen (32 Prozent). Die SAP-Projekte der befragten DSAG-Mitglieder drehen sich dabei um Themen wie Rollouts, Konsolidierung und Harmonisierung. „Es sind die Kernprozesse, in die investiert wird“, stellte Lenck mit Blick auf die Umfrageergebnisse fest. Das Gravitationszentrum der SAP-Universen in den Unternehmen bildet dabei nach wie vor die klassische Business Suite. „Die Business Suite ist der Investitionsschwerpunkt“, sagte Lenck, „und wird es auf Jahre hinaus auch bleiben.“Aus Sicht des DSAG-Vorsitzenden bildet die Suite das Kernstück der Applikationslandschaften in den Firmen, das man nicht so schnell wechsle.
Kunden schnuppern an S/4 HANA
Gleichzeitig wachse innerhalb der SAP-Klientel das Interesse an neuen Produkten wie der InMemory-Datenbank und -Plattform HANA sowie der neuen Anwendungsgeneration S/4 HANA. Immerhin fast jeder Vierte (23 Prozent) würde dafür bereits Geld in die Hand nehmen. Lenck bezeichnete die Zahlen für S/4 HANA als „bemerkenswert“, da das Produkt noch recht jung sei. Allerdings gebe es in diesem Umfeld immer noch viele offene Fragen, dämpfte Lenck Erwartungen, die Anwender würden jetzt auf breiter Front auf SAPs neue Produktstrategie einschwenken.
Dass dem nicht so ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Anwenderunternehmen den CloudAmbitionen SAPs noch die kalte Schulter zeigen. Der Softwarekonzern versucht seit einiger Zeit, sein Geschäft vom klassischen LizenzWartungs-Modell der On-Premise-Welt stärker in Richtung Cloud und Softwaremiete zu trimmen. Doch das stößt auf Seiten der Anwender zumindest hierzulande auf wenig Interesse. Gerade einmal ein Prozent der Befragten gab an, in die HANA Cloud Platform (HCP) investieren zu wollen. Auch die anderen Cloud-Produkte SAPs landen abgeschlagen auf den hinteren Plätzen.
Die HCP sei kein Produkt, das bereits im Markt angekommen sei, bilanzierten die DSAG-Verantwortlichen. Die Anwender wollten erst ein-
mal verstehen, was sie damit in ihrem Unternehmen überhaupt erreichen könnten. Vor allem Fragen bezüglich des Datenschutzes nannte rund die Hälfte der befragten DSAGMitglieder als Hemmnis, in Cloud-Produkte zu investieren. Das Ende von Safe Harbor habe die Sorgen der Anwender weiter befeuert. Die jüngst ausgehandelten neuen Regelungen bezeichnete Lenck als Deckmäntelchen, das die wahren Probleme nicht aus der Welt schaffe. Hier sei vor allem die Politik gefordert, endlich Lösungen zu präsentieren.
Von SAP fordern die Anwendervertreter vor allem Cloud-gerechte Abrechnungsmodelle. Andere Anbieter wie Salesforce würden bereits echte Pay-per-Use-Modelle offerieren. Das sei bei SAP nicht der Fall. „Ein Cloud-gerechtes Pricing atmet ständig in beide Richtungen“, sagte Lenck, „und nicht in Rhythmen von drei Jahren.“Es könne nicht angehen, dass Unternehmen zwar jederzeit zusätzliche User dazubuchen, diese aber nicht kurzfristig wieder von der Cloud-Rechnung nehmen könnten, wenn sie nicht mehr gebraucht würden. „Hier sind andere Anbieter weiter.“
Hinsichtlich der neuen Applikationsgeneration S/4 HANA steht für die DSAG der Investitionsschutz im Vordergrund. SAP stehe in der Pflicht, seinen Kunden die notwendigen Funktionen für die anstehende Digitalisierung bereitzustellen. Das gelte aber nicht nur für neue Software, sondern genauso für die Bestandsprodukte. Schließlich würden die Anwender mit ihren Wartungsgebühren die Entwicklung von SAP finanzieren.
DSAG fordert Alternativen zu HANA
In einem Positionspapier zu S/4 HANA hat die DSAG die aus Kundensicht wichtigsten Aspekte zusammenfasst. Alle bisherigen Anwendungen in der Business Suite inklusive der Branchenlösungen müssten in S/4 HANA ohne Funktionalitätsverlust betrieben werden kön- nen. Die Hoffnungen ruhen dabei auf dem Update, das im Herbst 2016 herauskommen soll. Vergangenes Jahr habe SAP im November-Release vor allem Datenstrukturen bereinigt. In Sachen Geschäftsfunktionalität habe es dagegen wenig Neues gegeben. „Darauf warten wir noch“, mahnte Lenck.
In der Frage nach der zugrunde liegenden Datenbank fordern die Anwendervertreter mehr Flexibilität. „Wir halten es für wichtig, dass S/4 HANA zeitnah auch auf alternativen Datenbanken betreibbar ist“, nannte Hans-Achim Quitmann, DSAG-Vorstand Technologie, als weiteren zentralen Punkt aus dem Positionspapier. „Wir wollen mehr Plattformen zur Auswahl und keine Monopolstrukturen.“Prinzipiell gebe es seitens SAP Bereitschaft, darüber zu diskutieren, sagte Lenck. An dieser Stelle bleibt derzeit jedoch noch vieles vage – gerade in technischer Hinsicht. SAP müsste, um den Forderungen der Anwender entgegenzukommen, seine an die In-Memory-Technik von HANA angepasste Anwendungslogik offenlegen und anderen Datenbankanbietern wie IBM, Microsoft und Oracle zur Verfügung stellen. Diese wiederum müssten ihre Datenbanken entsprechend anpassen.
Ob das geschehen wird, ist allerdings völlig offen. Derzeit ist eher zu beobachten, dass die Softwareanbieter – einschließlich SAP – Anwendungs- und Datenbank-Layer wieder enger zu einem geschlosseneren proprietären Stack verschmelzen. Microsoft macht dies mit seinen Dynamics-Anwendungen und dem SQL Server, Oracle mit seinen Fusion-Anwendungen und der eigenen Oracle-Datenbank.