Langweiliger Netzauftritt
Firmen buhlen um die Gunst qualifizierter IT-Profis. Doch ihre Karriereseiten im Web wirken oft langweilig und austauschbar. BMW und ZF Friedrichshafen zeigen, dass es auch anders geht.
Arbeitgeber buhlen um die Gunst der Bewerber, doch ihre Karriereseiten im Web sind meist langweilig. Es geht auch anders.
Flache Hierarchien und gute Karriereperspektiven – damit werben viele Unternehmen für sich als Arbeitgeber. Auf den Fotos simulieren Models den Alltag in gestylten Büros, in denen Glas, Chrom und zeitgeistiges Mobiliar dominieren. Mancher Bewerber wundert sich dann beim Vorstellungsgespräch, wenn er seine zukünftigen Kollegen über Flure mit grauer Auslegeware schlurfen sieht. Auch die Büros mit den dicht beieinanderstehenden Schreibtischen ähneln nicht dem Hochglanzmagazin.
Unternehmen erwarten von Bewerbern Authentizität, schummeln aber bei der Selbstdarstellung. Dabei ist Employer Branding, das Buhlen um die Gunst der potenziellen Mitarbeiter, für Konzerne längst selbstverständlich. Anscheinend beauftragen aber nahezu alle 30 Dax-Konzerne dieselbe Agentur, die ihnen ähnliche Fotos und austauschbare Inhalte liefert – so sehen es zumindest Sascha Theisen und Manfred Böcker. Die beiden Kölner PR-Berater, die sich auf das Thema Human Resources spezialisiert haben, analysierten die Karriereseiten von renommierten Dax-Unternehmen und wunderten sich über das vorgefundene Einerlei. „Alle nutzen die gleichen werblichen Argumente, kaum jemand spricht über die späteren Aufgaben und Tätigkeiten. Es gibt wenig Differenzierung untereinander. Doch genau das suchen die Kandidaten“, erklärt Theisen.
Der PR-Berater empfiehlt den Firmen, journalistische Erzählstrategien zu wählen und dafür nach interessanten Menschen und Geschichten im eigenen Unternehmen zu suchen. Es gilt, Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz zu zeigen und nicht vor einer Filmkulisse. Zwar lassen einige Konzerne echte Mitarbeiter auf Fotos posieren oder in Videos auftreten, doch die Geschichten sind inszeniert, das Drehbuch ist von einer Agentur geschrieben, und die Angestellten beten die üblichen Werbefloskeln herunter. Nur selten zeigen Arbeitgeber ihre Beschäftigten in ihrem tatsächlichen Arbeitsumfeld. Lediglich den Münchner Autobauer BMW lobt Theisen.
Floskeln sind an der Tagesordnung
Über dieses Lob freut sich Oliver Ferschke, Leiter Personal-Marketing von BMW: „Wir kommunizieren individueller, das macht unser Employer Branding authentisch.“Ein weiterer Aspekt der Strategie sind auf unterschiedliche Bewerbergruppen zugeschnittene Inhalte. „Softwareentwickler bewegen sich in einer
speziellen Community. Wir sprechen mit den Mitarbeitern, fragen sie, was ihre Arbeit auszeichnet. In den Videos berichten unsere IT-Spezialisten über Arbeitsinhalte und ihre berufliche Entwicklung“, schildert der BMWManager.
Die Protagonisten für die Videos findet der bayerische Autobauer im eigenen Unternehmen. „Wir geben weder bestimmte Aussagen noch eine Kleiderordnung vor“, versichert Ferschke. Allerdings werden die Kurzfilme von Profis aus einer Agentur produziert. Lediglich drei Fragen sollten die Mitarbeiter beantworten: Wie sie zu BMW gekommen sind, wie ihr Arbeitsalltag aussieht und was für sie das Besondere an BMW ist. Studienautor Theisen kritisiert, dass alle DaxUnternehmen von Leidenschaft sprechen, und hält solche Floskeln für unglaubwürdig. Ferschke kennt diese Kritik, verteidigt aber seine Kollegen: „Der Begriff Leidenschaft zog sich wie ein Leitmotiv durch alle Gespräche. Wir haben den Mitarbeitern nichts vorgeben, das ist eine authentische Aussage.“Authentizität sei auch im äußeren Erscheinungsbild erlaubt: „Anders als viele denken, muss da niemand eine Krawatte tragen, und auch längere Haare sind nichts Außergewöhnliches.“
Produkt- und Karrierethemen trennen
Den direkten Austausch mit Interessenten über Facebook zählt Ferschke ebenfalls zu den wichtigen Säulen der Employer-Branding-Strategie von BMW. Sascha Theisen kritisiert, dass viele Konzerne in ihrem Facebook-Auftritt Produktwerbung und Bewerberansprache vermischen. BMW trennt beide Welten und spricht potenzielle Bewerber über eine eigene Facebook-Fanpage an (https://www.facebook.com/ bmwkarriere). Dort geht es um Jobs und Perspektiven. Drei BMW-Mitarbeiterinnen des Personal-Marketings beantworten an fünf Tagen in der Woche die eingehenden Fragen und moderieren Karrierethemen.
Auch bei ZF in Friedrichshafen beschäftigt sich das Personal-Marketing seit vielen Jahren mit Employer Branding. Unter anderem werden Jobsuchende nach ihren Erwartungen an einen professionellen HR-Auftritt gefragt. Seit 2010 gibt es international angepasste Karriereseiten. „In Deutschland bevorzugen Bewerber einen seriösen Auftritt mit dezenten Hintergrundfarben, in den USA sind die Interessenten eine direktere Ansprache gewohnt, und in China muss es auf der Website blinken“, verrät Martin Frick, Leiter des Personal-Marketings von ZF.
Das Unternehmen vermittelt über seine umfangreichen Karriereseiten Einblicke ins Unternehmen und stellt Mitarbeiter aus unterschied- lichen Abteilungen in ihrer Arbeitsumgebung und auch mit ihren Hobbys vor. Jobinhalte interessierten angehende IT-Mitarbeiter besonders. „Informatiker wollen Themen und Innovationen voranbringen, tüfteln und Patente entwickeln“, sagt der studierte Wirtschaftsinformatiker Frick.
„Die Inhalte unserer Karriereseiten kommen aus dem Unternehmen, lediglich für die Umsetzung unterstützt uns eine Agentur“, erläutert Frick. „Wir haben uns bewusst entschieden, die Mitarbeiter in ihrer normalen Arbeitsumgebung zu zeigen. Zwar gibt es bei uns durchaus moderne Bürokonzepte, doch auch Schreibtische, die einfach grau sind.“An einem solchen Tisch mit Topfpflanze und Obstschale sitzt Walter Lauter, IT-Spezialist für Server-Systeme am ZF-Standort in Schweinfurt. Bewerber erfahren viel über ihn. Anders als BMW bindet ZF auch die Hobbys der Porträtierten in die Videos ein, etwa Lauters Faible fürs Radfahren und Survival-Training in Franken. Nach dem Etat gefragt, den Firmen für solche professionellen Auftritte ausgeben, hüllen sich BMW und ZF in Schweigen.
Rankings als Orientierungshilfe
Gut aufbereitete und authentische Inhalte überzeugen Bewerber und gewähren ihnen auf multimedialen Wegen einen Blick hinter die Kulissen. ZF-Mann Frick weiß, dass das Employer Branding auch nach innen wirkt, Kollegen sprechen über die Inhalte und teilen sie über die sozialen Netzwerke. Auch für Oliver Ferschke von BMW lohnen sich die Investitionen ins Employer Branding: „Die Arbeit an Themen wie Digitalisierung, Vernetzung, autonomes Fahren und Robotertechnik sind Themen, die wir Informatikern anbieten können. Wir merken an Rankings zur Arbeitgeberattraktivität und an Bewerbungen, dass wir die richtigen Leute erreichen.“