Arbeiten in der IT 2016
Die CW hat Personaler und Studenten befragt: Anspruch und Realität klaffen auseinander.
Der Wandel der IT erfährt durch die Digitalisierung neuen Schub. Die Nachfrage übersteigt an wichtigen Stellen das Angebot, der Druck im Kessel steigt. Viele Unternehmen setzen deshalb zunehmend auch auf weibliche IT-Fachkräfte. Eine Studie der COMPUTERWOCHE zeigt aber, dass Anspruch und Realität weit auseinanderliegen.
Eine Branche in permanentem Übergang – IT könnte auch für „In Transition“stehen. Dabei geht es nicht nur um die technische Entwicklung mit ihren evolutionären Schritten und revolutionären Sprüngen. Auch die Rollen der IT-Mitarbeiter wandeln sich, wobei sich der Schwerpunkt von der technischen Problemlösung zur Vermittlung und Umsetzung von Dienstleistungen verschiebt. Die Anforderungen an die IT-Mitarbeiter sind vielfältig, der schnelle Spagat zwischen den Disziplinen, kombiniert mit hohem Anpassungsdruck, macht die Aufgaben nicht leichter. Kein Wunder, dass hochqualifizierte IT-Experten für neue Organisationsprofile nur schwer zu finden sind.
In der Studie „Arbeiten in der IT“untersuchte die COMPUTERWOCHE, welcher Dynamik die Branche unterliegt, wie sich diese auf Angebot und Nachfrage auswirkt und wie es dabei um die Menschen bestellt ist, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. „Der Arbeitsdruck wird weiter steigen“war die These zum Arbeitsumfeld für IT-Fachkräfte, die bei der Bewertung die meiste Zustimmung durch IT-Mitarbeiter und Studenten erhielt. Zudem zeigte sich ein Trend für die Zukunft: Traditionelle IT-Berufsbilder sind nicht mehr attraktiv, zumindest in den Augen der Führungskräfte. Stattdessen sind Qualifikationsprofile gefragt, die sich mit den angesagten Facetten der IT beschäftigen.
Gefragte Security-Experten
Die vielen Berichte über IT-Schwachstellen und erfolgreiche Angriffe machen den Security-Experten mit Abstand zum gefragtesten IT-Berufsbild in den kommenden Jahren. Angesichts der vollständigen Vernetzung im Rahmen der Digitalisierung steht nicht nur die Sicherheit der persönlichen Daten auf dem Spiel, sondern tatsächlich die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen. Hingegen entwickelt sich die IT-Infrastruktur immer mehr zur Commodity – vom Rechenzentrum über das Netzwerk bis zum Support. Dorthin bewegt sich auch die ERP-Welt, solange es nicht um Datenanalysen geht.
Das Problem ist, dass sich die Interessen der IT-Experten und die Nachfrage der Unternehmen nicht wirklich decken. So bringt die CWStudie ans Licht, dass die befragten Manager die größte Lücke zwischen Nachfrage und Angebot in der IT-Sicherheit erwarten. Auch DataExperten aller Couleur sind vor allem von Geschäftsleitung und IT-Führung stark gefragt. Allerdings zählt dieses Fach ebenso wie das Feld der Cloud-Architektur zu den Bereichen, für die sich IT-Mitarbeiter und Studenten weniger interessieren. Diese wollen sich bevorzugt als Berater, Architekt oder Projektleiter verwirklichen.
Grundsätzlich ist der Anteil der ambitionierten Karrieristen in der IT gering. Die große Mehrheit der Befragten malt sich eher einen berufli- chen Werdegang als Experte aus. Nur jeder Siebte versteht unter dem Begriff „Karriere“die Kriterien Verantwortung, Aufstieg in der Hierarchie sowie Mitarbeiterführung. Der überwiegende Teil wäre schon mit „großer Anerkennung“als Fachexperte zufrieden.
Nur 14 Prozent IT-Managerinnen
Da immerhin 42 Prozent der Befragten zwischen 40 und 59 Jahre alt sind, ist das Ergebnis kein Indiz für die Befindlichkeit der „Generation Y“. Knapp zwei Drittel der IT-Mitarbeiter tendieren zur Festanstellung, und der Anteil der Frauen, die in erster Linie als Freelancer arbeiten wollen, liegt nur bei 1,6 Prozent. Hier lag auch der Schwerpunkt der Studie – inwieweit können Frauen dazu beitragen, den Fach- kräftemangel in der IT zu lindern? Die Ausgangssituation bietet gute Chancen zur Verbesserung: So sind 32 Prozent der Mitarbeiter in Unternehmen ab 100 Beschäftigten weiblich, in den IT-Organisationen hingegen sind über 90 Prozent der Beschäftigten männlich. Bei den Frauen in Führungspositionen sieht das Bild nicht viel besser aus: Disziplinarische Vorgesetzte sind zu knapp 14 Prozent weiblich, fachliche Führungspositionen sind zu 15 Prozent mit Frauen besetzt. Die Antworten fallen relativ homogen aus, Abweichungen nach Firmengröße spielen sich hier zwischen einem und zwei Prozentpunkten ab.
Eigenen Angaben zufolge legen sich Unternehmen ins Zeug, um ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen und Eltern zu sein. Mit je über
60 Prozent liegen Teilzeitstellen, flexible Arbeitszeitmodelle und Home-Office-Angebote weit vorn bei den Initiativen der Firmen. Die Gleichstellung der Frauen bei Karriere, Lohn und Zugang zu Führungspositionen wird ebenfalls häufig als Fördermittel angegeben. Geht es allerdings um konkrete Maßnahmen wie die Frauenförderung in Zielvereinbarungen, einen weiblichen Talentpool oder Mentorenprogramme für Frauen in Führungspositionen, sinkt die Zahl der beteiligten Unternehmen in den einstelligen Bereich. Auch Teilzeitangebote in Leitungsfunktionen sind dünn gesät.
Die Angaben der Mitarbeiter zu den umgesetzten Maßnahmen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf stimmen tendenziell mit den Werten der Arbeitgeber überein, auch wenn oft die Zustimmung etwas geringer ausfällt. Bei der Frage, von welchen Maßnahmen jemand tatsächlich selbst profitiert hat, öffnet sich eine große Lücke – durch die Bank in allen Bereichen von der Gleichstellung über die Flexibilisierung der Arbeitszeit bis zur Unterstützung bei der Kleinkindbetreuung. Werte unter fünf Prozent, etwa bei Förder- und Mentorenprogrammen für Frauen in Führungspositionen oder bei der Frauenförderung als Zielvereinbarung für Führungskräfte, zeigen deutlich, wo Handlungsbedarf besteht. Dies gilt auch angesichts der 80 Prozent, die angegeben haben, dass sie selbst noch nicht von gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit profitiert hätten.
Wünsche lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Eltern fordern in erster Linie flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten. Teilzeitstellen sowie eine individuelle Karriereplanung je nach Lebensphase kommen ebenfalls gut an. Die Flexibilität im beruflichen Alltag ist für viele Befragte wesentlich wichtiger als die Unterstützung der Firma bei Krippen oder Kindergärten. Letztere regeln den Normalfall, doch in privaten Ausnahmesituationen wird vom Arbeitgeber Flexibilität erwartet. Schlecht schneidet hinge- gen das Jobsharing ab. Die These: Viele Mitarbeiter wollen sich keinen Job teilen, sondern ihre Arbeit selbst erledigen – im Zweifel am Abend. Hier spielt auch der hohe Wert für eine individuelle Karriereplanung je nach Lebensphase eine wichtige Rolle. Frauen hingegen wollen die Gleichbehandlung: gleicher Lohn, gleiche Chancen, gleicher Zugang nach oben. All das wird viel mehr gefordert als Förderprogramme.
Mehr Gehalt ist Triebfeder für Jobwechsel
Trotz aller Ansätze und Initiativen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Für einen Jobwechsel zählen in erster Linie die harten Fakten, also das Gehalt. Die meisten IT-Experten, die eine Kündigung schreiben, tun dies wegen der Aussicht auf finanziellen Zugewinn. Geld ist vor allem für Männer die größte Triebfeder für einen Jobwechsel, während Frauen eher wegen schlechten Betriebsklimas kündigen. Die Bereitschaft zum Wechsel steigt mit der Unternehmensgröße, und in Konzernen sind auch die finanziellen Gründe bei einer beruflichen Veränderung gewichtiger. Auch bei einer „freien Auswahl“des Arbeitgebers durch den Kandidaten wiegt das finanzielle Angebot eines Unternehmens am schwersten. Fast genauso wichtig waren die ausgewogene Work-LifeBalance sowie der persönliche Eindruck in den Gesprächen.
Frauen können eine Chance sein, offene Stellen in der IT besser zu besetzen. Angesichts der kommenden geburtenschwachen Jahrgänge, der Abbruchquote an den Hochschulen und der Tatsache, dass sich die Studienanfängerquote nicht beliebig steigern lässt, wird es aber Zeit, die Angebote auf die Nachfrage der weiblichen Zielgruppe zuzuschneiden. Auch das zeigte die Studie: Viele Befragte vertraten die Ansicht, dass Firmen früh in das Recruiting investieren müssten – in Freiberufler, in Studierende und Azubis sowie in Maßnahmen, um Schulabsolventen enger an das Unternehmen und die Branche heranzuführen.