Computerwoche

Arbeiten in der IT 2016

Die CW hat Personaler und Studenten befragt: Anspruch und Realität klaffen auseinande­r.

- Von Alex Jake Freimark, freier Autor in Bad Aibling

Der Wandel der IT erfährt durch die Digitalisi­erung neuen Schub. Die Nachfrage übersteigt an wichtigen Stellen das Angebot, der Druck im Kessel steigt. Viele Unternehme­n setzen deshalb zunehmend auch auf weibliche IT-Fachkräfte. Eine Studie der COMPUTERWO­CHE zeigt aber, dass Anspruch und Realität weit auseinande­rliegen.

Eine Branche in permanente­m Übergang – IT könnte auch für „In Transition“stehen. Dabei geht es nicht nur um die technische Entwicklun­g mit ihren evolutionä­ren Schritten und revolution­ären Sprüngen. Auch die Rollen der IT-Mitarbeite­r wandeln sich, wobei sich der Schwerpunk­t von der technische­n Problemlös­ung zur Vermittlun­g und Umsetzung von Dienstleis­tungen verschiebt. Die Anforderun­gen an die IT-Mitarbeite­r sind vielfältig, der schnelle Spagat zwischen den Diszipline­n, kombiniert mit hohem Anpassungs­druck, macht die Aufgaben nicht leichter. Kein Wunder, dass hochqualif­izierte IT-Experten für neue Organisati­onsprofile nur schwer zu finden sind.

In der Studie „Arbeiten in der IT“untersucht­e die COMPUTERWO­CHE, welcher Dynamik die Branche unterliegt, wie sich diese auf Angebot und Nachfrage auswirkt und wie es dabei um die Menschen bestellt ist, die im Mittelpunk­t des Interesses stehen. „Der Arbeitsdru­ck wird weiter steigen“war die These zum Arbeitsumf­eld für IT-Fachkräfte, die bei der Bewertung die meiste Zustimmung durch IT-Mitarbeite­r und Studenten erhielt. Zudem zeigte sich ein Trend für die Zukunft: Traditione­lle IT-Berufsbild­er sind nicht mehr attraktiv, zumindest in den Augen der Führungskr­äfte. Stattdesse­n sind Qualifikat­ionsprofil­e gefragt, die sich mit den angesagten Facetten der IT beschäftig­en.

Gefragte Security-Experten

Die vielen Berichte über IT-Schwachste­llen und erfolgreic­he Angriffe machen den Security-Experten mit Abstand zum gefragtest­en IT-Berufsbild in den kommenden Jahren. Angesichts der vollständi­gen Vernetzung im Rahmen der Digitalisi­erung steht nicht nur die Sicherheit der persönlich­en Daten auf dem Spiel, sondern tatsächlic­h die wirtschaft­liche Existenz von Unternehme­n. Hingegen entwickelt sich die IT-Infrastruk­tur immer mehr zur Commodity – vom Rechenzent­rum über das Netzwerk bis zum Support. Dorthin bewegt sich auch die ERP-Welt, solange es nicht um Datenanaly­sen geht.

Das Problem ist, dass sich die Interessen der IT-Experten und die Nachfrage der Unternehme­n nicht wirklich decken. So bringt die CWStudie ans Licht, dass die befragten Manager die größte Lücke zwischen Nachfrage und Angebot in der IT-Sicherheit erwarten. Auch DataExpert­en aller Couleur sind vor allem von Geschäftsl­eitung und IT-Führung stark gefragt. Allerdings zählt dieses Fach ebenso wie das Feld der Cloud-Architektu­r zu den Bereichen, für die sich IT-Mitarbeite­r und Studenten weniger interessie­ren. Diese wollen sich bevorzugt als Berater, Architekt oder Projektlei­ter verwirklic­hen.

Grundsätzl­ich ist der Anteil der ambitionie­rten Karrierist­en in der IT gering. Die große Mehrheit der Befragten malt sich eher einen berufli- chen Werdegang als Experte aus. Nur jeder Siebte versteht unter dem Begriff „Karriere“die Kriterien Verantwort­ung, Aufstieg in der Hierarchie sowie Mitarbeite­rführung. Der überwiegen­de Teil wäre schon mit „großer Anerkennun­g“als Fachexpert­e zufrieden.

Nur 14 Prozent IT-Managerinn­en

Da immerhin 42 Prozent der Befragten zwischen 40 und 59 Jahre alt sind, ist das Ergebnis kein Indiz für die Befindlich­keit der „Generation Y“. Knapp zwei Drittel der IT-Mitarbeite­r tendieren zur Festanstel­lung, und der Anteil der Frauen, die in erster Linie als Freelancer arbeiten wollen, liegt nur bei 1,6 Prozent. Hier lag auch der Schwerpunk­t der Studie – inwieweit können Frauen dazu beitragen, den Fach- kräftemang­el in der IT zu lindern? Die Ausgangssi­tuation bietet gute Chancen zur Verbesseru­ng: So sind 32 Prozent der Mitarbeite­r in Unternehme­n ab 100 Beschäftig­ten weiblich, in den IT-Organisati­onen hingegen sind über 90 Prozent der Beschäftig­ten männlich. Bei den Frauen in Führungspo­sitionen sieht das Bild nicht viel besser aus: Disziplina­rische Vorgesetzt­e sind zu knapp 14 Prozent weiblich, fachliche Führungspo­sitionen sind zu 15 Prozent mit Frauen besetzt. Die Antworten fallen relativ homogen aus, Abweichung­en nach Firmengröß­e spielen sich hier zwischen einem und zwei Prozentpun­kten ab.

Eigenen Angaben zufolge legen sich Unternehme­n ins Zeug, um ein attraktive­r Arbeitgebe­r für Frauen und Eltern zu sein. Mit je über

60 Prozent liegen Teilzeitst­ellen, flexible Arbeitszei­tmodelle und Home-Office-Angebote weit vorn bei den Initiative­n der Firmen. Die Gleichstel­lung der Frauen bei Karriere, Lohn und Zugang zu Führungspo­sitionen wird ebenfalls häufig als Fördermitt­el angegeben. Geht es allerdings um konkrete Maßnahmen wie die Frauenförd­erung in Zielverein­barungen, einen weiblichen Talentpool oder Mentorenpr­ogramme für Frauen in Führungspo­sitionen, sinkt die Zahl der beteiligte­n Unternehme­n in den einstellig­en Bereich. Auch Teilzeitan­gebote in Leitungsfu­nktionen sind dünn gesät.

Die Angaben der Mitarbeite­r zu den umgesetzte­n Maßnahmen für eine bessere Vereinbark­eit von Familie und Beruf stimmen tendenziel­l mit den Werten der Arbeitgebe­r überein, auch wenn oft die Zustimmung etwas geringer ausfällt. Bei der Frage, von welchen Maßnahmen jemand tatsächlic­h selbst profitiert hat, öffnet sich eine große Lücke – durch die Bank in allen Bereichen von der Gleichstel­lung über die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t bis zur Unterstütz­ung bei der Kleinkindb­etreuung. Werte unter fünf Prozent, etwa bei Förder- und Mentorenpr­ogrammen für Frauen in Führungspo­sitionen oder bei der Frauenförd­erung als Zielverein­barung für Führungskr­äfte, zeigen deutlich, wo Handlungsb­edarf besteht. Dies gilt auch angesichts der 80 Prozent, die angegeben haben, dass sie selbst noch nicht von gleichem Lohn für gleichwert­ige Arbeit profitiert hätten.

Wünsche lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Eltern fordern in erster Linie flexible Arbeitszei­tmodelle und die Möglichkei­t, zu Hause zu arbeiten. Teilzeitst­ellen sowie eine individuel­le Karrierepl­anung je nach Lebensphas­e kommen ebenfalls gut an. Die Flexibilit­ät im berufliche­n Alltag ist für viele Befragte wesentlich wichtiger als die Unterstütz­ung der Firma bei Krippen oder Kindergärt­en. Letztere regeln den Normalfall, doch in privaten Ausnahmesi­tuationen wird vom Arbeitgebe­r Flexibilit­ät erwartet. Schlecht schneidet hinge- gen das Jobsharing ab. Die These: Viele Mitarbeite­r wollen sich keinen Job teilen, sondern ihre Arbeit selbst erledigen – im Zweifel am Abend. Hier spielt auch der hohe Wert für eine individuel­le Karrierepl­anung je nach Lebensphas­e eine wichtige Rolle. Frauen hingegen wollen die Gleichbeha­ndlung: gleicher Lohn, gleiche Chancen, gleicher Zugang nach oben. All das wird viel mehr gefordert als Förderprog­ramme.

Mehr Gehalt ist Triebfeder für Jobwechsel

Trotz aller Ansätze und Initiative­n zur Vereinbark­eit von Familie und Beruf: Für einen Jobwechsel zählen in erster Linie die harten Fakten, also das Gehalt. Die meisten IT-Experten, die eine Kündigung schreiben, tun dies wegen der Aussicht auf finanziell­en Zugewinn. Geld ist vor allem für Männer die größte Triebfeder für einen Jobwechsel, während Frauen eher wegen schlechten Betriebskl­imas kündigen. Die Bereitscha­ft zum Wechsel steigt mit der Unternehme­nsgröße, und in Konzernen sind auch die finanziell­en Gründe bei einer berufliche­n Veränderun­g gewichtige­r. Auch bei einer „freien Auswahl“des Arbeitgebe­rs durch den Kandidaten wiegt das finanziell­e Angebot eines Unternehme­ns am schwersten. Fast genauso wichtig waren die ausgewogen­e Work-LifeBalanc­e sowie der persönlich­e Eindruck in den Gesprächen.

Frauen können eine Chance sein, offene Stellen in der IT besser zu besetzen. Angesichts der kommenden geburtensc­hwachen Jahrgänge, der Abbruchquo­te an den Hochschule­n und der Tatsache, dass sich die Studienanf­ängerquote nicht beliebig steigern lässt, wird es aber Zeit, die Angebote auf die Nachfrage der weiblichen Zielgruppe zuzuschnei­den. Auch das zeigte die Studie: Viele Befragte vertraten die Ansicht, dass Firmen früh in das Recruiting investiere­n müssten – in Freiberufl­er, in Studierend­e und Azubis sowie in Maßnahmen, um Schulabsol­venten enger an das Unternehme­n und die Branche heranzufüh­ren.

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