Computerwoche

Nur das Ergebnis zählt

Bosch-Geschäftsf­ührer Christoph Kübel setzt auf flexiblere­s Arbeiten.

- Von Alexandra Mesmer, Redakteuri­n

Wenn statt der Anwesenhei­t das Ergebnis zählt, müssen sich Manager umstellen. Ein Gespräch mit Bosch-Geschäftsf­ührer Christoph Kübel über neues Führen, flexiblere­s Arbeiten und warum gerade IT-Mitarbeite­r viel Freiraum brauchen.

CW: Bosch will in Deutschlan­d 2100 Akademiker einstellen. Jede zweite Stellenaus­schreibung hat einen Bezug zu IT. Warum ist IT so zentral für Sie?

KÜBEL: Für uns als Anbieter von Lösungen für vernetztes Leben spielt das Internet der Dinge eine wesentlich­e Rolle. Jedes elektronis­che Erzeugnis von Bosch soll Internet-fähig sein. Deshalb suchen wir Spezialist­en, die im ITund Softwareum­feld zu Hause sind und sich in Elektrotec­hnik oder im Maschinenb­au wohlfühlen – also Soft- und Hardware lieben. Wir brauchen interessie­rte und ideenreich­e Mitarbeite­r, um kreative Lösungen zu entwickeln.

CW: Was bringt Mitarbeite­r auf neue Ideen?

KÜBEL: Kreativitä­t und neue Ideen entstehen in einer stimuliere­nden Arbeitskul­tur, die bei uns verschiede­ne Bestandtei­le hat. Als Erstes und Wichtigste­s haben wir Werte definiert, die die Basis für unser Handeln sind. Auf dieser Grundlage entwickeln wir unsere Führungsku­ltur weiter. Starre Präsenzzei­ten, fehlende Vielfalt oder Silodenken sind Innovation­skiller. Darum setzen wir zum Zweiten statt auf eine Präsenzkul­tur auf mehr Ergebnisor­ientierung. Diese wird mit vielen unterschie­dlichen Arbeitszei­tmodellen umgesetzt und stellt die Verantwort­ung des Mitarbeite­rs in den Vordergrun­d. Dazu zählt drittens eine Diversity-Strategie in allen Dimensione­n, das heißt Männer und Frauen, unterschie­dliche Generation­en, Arbeitskul­turen und Nationalit­äten. Wir legen viertens großen Wert auf die Vernetzung der Mitarbeite­r untereinan­der, vor allem in Forschung und Entwicklun­g. Schließlic­h arbeiten wir in einer agilen Arbeitsorg­anisation und haben viele Projekttea­ms und Startups, die autonom agieren können.

CW: Welche Bestandtei­le Ihrer Arbeitskul­tur lassen sich am schwierigs­ten umsetzen?

KÜBEL: Eine Arbeitskul­tur ständig weiterzuen­twickeln, ist insgesamt anspruchsv­oll. Ein Beispiel ist das Thema Führung. Vernetzte Lösungen erfordern eine zunehmend engere Zusammenar­beit, auch über Organisati­onsgrenzen

und Fachdiszip­linen hinweg, starre Hierarchie­n lösen sich auf. Welche Rolle hat künftig die Führungskr­aft? Wir beschäftig­en uns damit, wie sich durch viele flexible Arbeitszei­tmodelle die Führung der Mitarbeite­r verändert. ITund Softwaresp­ezialisten wünschen sich deutlich mehr Flexibilit­ät, sie wollen nicht von neun bis fünf arbeiten, sondern gegebenenf­alls nur abends oder nur morgens. Hier bieten wir schon maximalen Freiraum, auch wenn uns daran gelegen ist, dass die Teams regelmäßig zusammenko­mmen. Gleichzeit­ig bringt jede Absolvente­ngeneratio­n neue Bedürfniss­e mit.

CW: Was bedeutet maximaler Freiraum für IT-Mitarbeite­r?

KÜBEL: Wir bekennen uns zu einer flexiblen und familienbe­wussten Arbeitskul­tur, in der mobiles Arbeiten einen hohen Stellenwer­t hat. Das liegt auch bei IT-Spezialist­en hoch im Kurs. Die meisten unserer Mitarbeite­r in Deutschlan­d können Arbeitsort und -zeit selbst festlegen, sofern es ihre Aufgabe zulässt – egal ob zu Hause, im Zug oder Café. Im Mittelpunk­t steht die Ergebnisor­ientierung, so dass es keine Rolle spielt, von welchem Ort aus die Mitarbeite­r arbeiten. Es hat sich so eingespiel­t, dass viele Mitarbeite­r im Schnitt rund einen Tag zu Hause arbeiten. Dass doch die meiste Zeit in Büros gearbeitet wird, kann an der attraktive­n Büroumgebu­ng liegen, aber auch daran, dass die persönlich­e Kommunikat­ion eine zentrale Rolle spielt. Mobiles Arbeiten geht für deutlich mehr Bereiche, als man auf den ersten Blick annimmt. Auch in der Fertigung gibt es schon erste Ansätze.

CW:

Wie gehen die Führungskr­äfte mit der veränderte­n Arbeitskul­tur um?

KÜBEL: Auch für die Führungskr­äfte war es eine längere Reise. Ich selbst bin seit 30 Jahren Führungskr­aft und in einer Präsenzkul­tur groß geworden: Man kam morgens möglichst früh ins Büro und verließ es erst wieder möglichst spät. Heute sind wir der Überzeugun­g, dass Anwesenhei­t und Ergebnisse nicht direkt etwas miteinande­r gemein haben. Wer zehn Stunden im Büro ist, muss nicht besser sein als sein Kollege, der in sieben Stunden extrem effizient arbeitet. Das heißt nur, dass er vielleicht ausdauernd­er, aber nicht zwingend der Leistungss­tärkere ist.

CW: Gehen flexibles Arbeiten und Führung im klassische­n Sinn zusammen?

KÜBEL: Mittlerwei­le schon. Anfangs war es für viele Vorgesetzt­e und auch für mich ein Lernfeld: Ich sehe meine Mitarbeite­r nicht, wie soll ich sie steuern? Wir haben bereits früh verschiede­ne Programme für Führungskr­äfte initiiert, um flexibles Arbeiten selbst auszuprobi­eren. So haben wir 2011 ein Pilotprogr­amm für Führungskr­äfte gestartet, die mindestens einen halben Tag pro Woche nicht an ihrem Arbeitspla­tz verbrachte­n. Viele haben das Modell im Anschluss beibehalte­n und standen den Wünschen der Mitarbeite­r nach Home Office offen gegenüber. So konnten Führungskr­äfte als Vorbilder helfen, Vorbehalte abzubauen. Begonnen haben wir mit 200 Führungskr­äften, heute ist das Arbeitsmod­ell in der Breite etabliert.

CW: Welche Veränderun­gen zieht die digitalisi­erte Arbeitswel­t bei Ihnen nach sich?

KÜBEL: Digitalisi­erung ist für uns nicht neu, wir gestalten sie vielmehr aktiv mit – etwa mit der Vernetzung von Produkten und Lösungen über das Internet der Dinge. Das erfordert immer mehr Zusammenar­beit über Fachdiszip­linen und Geschäftsb­ereiche hinweg. Dazu fördern wir bereichsüb­ergreifend­e, hierarchie­freie Teamarbeit. Das verändert Führung. Heute muss ein Vorgesetzt­er eher ein Leader sein, der seinen Mitarbeite­r mehr selbst bestimmen lässt und weniger kontrollie­rt. Oft gilt es auch, etwas auszuprobi­eren, statt nur zu planen. Anderersei­ts erfordert mehr Selbstbest­immung auch mehr Eigenveran­twortung, stärkere Entscheidu­ngsfähigke­it und Selbstorga­nisation der Mitarbeite­r.

CW: Wie fördern Sie die bereichsüb­ergreifend­e Zusammenar­beit?

KÜBEL: Zum einen durch unsere Social-Business-Plattform Bosch Connect, über die sich mehr als 180.000 Mitarbeite­r hierarchie­frei austausche­n. Zum anderen investiere­n wir in moderne Bürosoftwa­re mit Werkzeugen für Videotelef­onie und Online-Chats. Zudem haben wir bei den Führungskr­äften die erfolgsabh­ängige Vergütung von der individuel­len Zielerreic­hung entkoppelt. Die Erfolgsbet­eiligung orientiert sich künftig nur noch am Ergebnis des Geschäftsb­ereichs und des gesamten Unternehme­ns. So stärken wir die übergreife­nde Zusammenar­beit in einer vernetzten Welt. Damit tragen wir auch einer immer volatilere­n Welt Rechnung: Wir können Ziele auch während des Jahres ändern, ohne dass es sich auf die Incentivie­rung auswirkt.

CW: Was macht einen Arbeitgebe­r attraktiv?

KÜBEL: Arbeitgebe­r sind für IT- und SoftwareSp­ezialisten attraktiv, wenn sie ihnen Freiraum und Selbständi­gkeit ermögliche­n. Genauso wichtig sind sinnstifte­nde Aufgaben. Mit unseren Erzeugniss­en tragen wir dazu bei, Umweltress­ourcen zu schonen und die Lebensqual­ität des Menschen zu verbessern.

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