Nur das Ergebnis zählt
Bosch-Geschäftsführer Christoph Kübel setzt auf flexibleres Arbeiten.
Wenn statt der Anwesenheit das Ergebnis zählt, müssen sich Manager umstellen. Ein Gespräch mit Bosch-Geschäftsführer Christoph Kübel über neues Führen, flexibleres Arbeiten und warum gerade IT-Mitarbeiter viel Freiraum brauchen.
CW: Bosch will in Deutschland 2100 Akademiker einstellen. Jede zweite Stellenausschreibung hat einen Bezug zu IT. Warum ist IT so zentral für Sie?
KÜBEL: Für uns als Anbieter von Lösungen für vernetztes Leben spielt das Internet der Dinge eine wesentliche Rolle. Jedes elektronische Erzeugnis von Bosch soll Internet-fähig sein. Deshalb suchen wir Spezialisten, die im ITund Softwareumfeld zu Hause sind und sich in Elektrotechnik oder im Maschinenbau wohlfühlen – also Soft- und Hardware lieben. Wir brauchen interessierte und ideenreiche Mitarbeiter, um kreative Lösungen zu entwickeln.
CW: Was bringt Mitarbeiter auf neue Ideen?
KÜBEL: Kreativität und neue Ideen entstehen in einer stimulierenden Arbeitskultur, die bei uns verschiedene Bestandteile hat. Als Erstes und Wichtigstes haben wir Werte definiert, die die Basis für unser Handeln sind. Auf dieser Grundlage entwickeln wir unsere Führungskultur weiter. Starre Präsenzzeiten, fehlende Vielfalt oder Silodenken sind Innovationskiller. Darum setzen wir zum Zweiten statt auf eine Präsenzkultur auf mehr Ergebnisorientierung. Diese wird mit vielen unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen umgesetzt und stellt die Verantwortung des Mitarbeiters in den Vordergrund. Dazu zählt drittens eine Diversity-Strategie in allen Dimensionen, das heißt Männer und Frauen, unterschiedliche Generationen, Arbeitskulturen und Nationalitäten. Wir legen viertens großen Wert auf die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander, vor allem in Forschung und Entwicklung. Schließlich arbeiten wir in einer agilen Arbeitsorganisation und haben viele Projektteams und Startups, die autonom agieren können.
CW: Welche Bestandteile Ihrer Arbeitskultur lassen sich am schwierigsten umsetzen?
KÜBEL: Eine Arbeitskultur ständig weiterzuentwickeln, ist insgesamt anspruchsvoll. Ein Beispiel ist das Thema Führung. Vernetzte Lösungen erfordern eine zunehmend engere Zusammenarbeit, auch über Organisationsgrenzen
und Fachdisziplinen hinweg, starre Hierarchien lösen sich auf. Welche Rolle hat künftig die Führungskraft? Wir beschäftigen uns damit, wie sich durch viele flexible Arbeitszeitmodelle die Führung der Mitarbeiter verändert. ITund Softwarespezialisten wünschen sich deutlich mehr Flexibilität, sie wollen nicht von neun bis fünf arbeiten, sondern gegebenenfalls nur abends oder nur morgens. Hier bieten wir schon maximalen Freiraum, auch wenn uns daran gelegen ist, dass die Teams regelmäßig zusammenkommen. Gleichzeitig bringt jede Absolventengeneration neue Bedürfnisse mit.
CW: Was bedeutet maximaler Freiraum für IT-Mitarbeiter?
KÜBEL: Wir bekennen uns zu einer flexiblen und familienbewussten Arbeitskultur, in der mobiles Arbeiten einen hohen Stellenwert hat. Das liegt auch bei IT-Spezialisten hoch im Kurs. Die meisten unserer Mitarbeiter in Deutschland können Arbeitsort und -zeit selbst festlegen, sofern es ihre Aufgabe zulässt – egal ob zu Hause, im Zug oder Café. Im Mittelpunkt steht die Ergebnisorientierung, so dass es keine Rolle spielt, von welchem Ort aus die Mitarbeiter arbeiten. Es hat sich so eingespielt, dass viele Mitarbeiter im Schnitt rund einen Tag zu Hause arbeiten. Dass doch die meiste Zeit in Büros gearbeitet wird, kann an der attraktiven Büroumgebung liegen, aber auch daran, dass die persönliche Kommunikation eine zentrale Rolle spielt. Mobiles Arbeiten geht für deutlich mehr Bereiche, als man auf den ersten Blick annimmt. Auch in der Fertigung gibt es schon erste Ansätze.
CW:
Wie gehen die Führungskräfte mit der veränderten Arbeitskultur um?
KÜBEL: Auch für die Führungskräfte war es eine längere Reise. Ich selbst bin seit 30 Jahren Führungskraft und in einer Präsenzkultur groß geworden: Man kam morgens möglichst früh ins Büro und verließ es erst wieder möglichst spät. Heute sind wir der Überzeugung, dass Anwesenheit und Ergebnisse nicht direkt etwas miteinander gemein haben. Wer zehn Stunden im Büro ist, muss nicht besser sein als sein Kollege, der in sieben Stunden extrem effizient arbeitet. Das heißt nur, dass er vielleicht ausdauernder, aber nicht zwingend der Leistungsstärkere ist.
CW: Gehen flexibles Arbeiten und Führung im klassischen Sinn zusammen?
KÜBEL: Mittlerweile schon. Anfangs war es für viele Vorgesetzte und auch für mich ein Lernfeld: Ich sehe meine Mitarbeiter nicht, wie soll ich sie steuern? Wir haben bereits früh verschiedene Programme für Führungskräfte initiiert, um flexibles Arbeiten selbst auszuprobieren. So haben wir 2011 ein Pilotprogramm für Führungskräfte gestartet, die mindestens einen halben Tag pro Woche nicht an ihrem Arbeitsplatz verbrachten. Viele haben das Modell im Anschluss beibehalten und standen den Wünschen der Mitarbeiter nach Home Office offen gegenüber. So konnten Führungskräfte als Vorbilder helfen, Vorbehalte abzubauen. Begonnen haben wir mit 200 Führungskräften, heute ist das Arbeitsmodell in der Breite etabliert.
CW: Welche Veränderungen zieht die digitalisierte Arbeitswelt bei Ihnen nach sich?
KÜBEL: Digitalisierung ist für uns nicht neu, wir gestalten sie vielmehr aktiv mit – etwa mit der Vernetzung von Produkten und Lösungen über das Internet der Dinge. Das erfordert immer mehr Zusammenarbeit über Fachdisziplinen und Geschäftsbereiche hinweg. Dazu fördern wir bereichsübergreifende, hierarchiefreie Teamarbeit. Das verändert Führung. Heute muss ein Vorgesetzter eher ein Leader sein, der seinen Mitarbeiter mehr selbst bestimmen lässt und weniger kontrolliert. Oft gilt es auch, etwas auszuprobieren, statt nur zu planen. Andererseits erfordert mehr Selbstbestimmung auch mehr Eigenverantwortung, stärkere Entscheidungsfähigkeit und Selbstorganisation der Mitarbeiter.
CW: Wie fördern Sie die bereichsübergreifende Zusammenarbeit?
KÜBEL: Zum einen durch unsere Social-Business-Plattform Bosch Connect, über die sich mehr als 180.000 Mitarbeiter hierarchiefrei austauschen. Zum anderen investieren wir in moderne Bürosoftware mit Werkzeugen für Videotelefonie und Online-Chats. Zudem haben wir bei den Führungskräften die erfolgsabhängige Vergütung von der individuellen Zielerreichung entkoppelt. Die Erfolgsbeteiligung orientiert sich künftig nur noch am Ergebnis des Geschäftsbereichs und des gesamten Unternehmens. So stärken wir die übergreifende Zusammenarbeit in einer vernetzten Welt. Damit tragen wir auch einer immer volatileren Welt Rechnung: Wir können Ziele auch während des Jahres ändern, ohne dass es sich auf die Incentivierung auswirkt.
CW: Was macht einen Arbeitgeber attraktiv?
KÜBEL: Arbeitgeber sind für IT- und SoftwareSpezialisten attraktiv, wenn sie ihnen Freiraum und Selbständigkeit ermöglichen. Genauso wichtig sind sinnstiftende Aufgaben. Mit unseren Erzeugnissen tragen wir dazu bei, Umweltressourcen zu schonen und die Lebensqualität des Menschen zu verbessern.