Computerwoche

Dell veräußert Softwarege­schäft

Vorbereitu­ng auf EMC-Übernahme führt zum Verkauf von Tafelsilbe­r.

- Von Martin Bayer, stellvertr­etender Chefredakt­eur

Eine Investoren­gemeinscha­ft aus Francisco Partners und Elliott Management übernimmt das Softwarege­schäft von Dell. Das hat der texanische Computerba­uer mittlerwei­le bestätigt, nachdem verschiede­ne amerikanis­che Medien von Gerüchten über die Verhandlun­gen berichtet hatten. Der Preis soll bei rund zwei Milliarden Dollar liegen. Eine offizielle Bestätigun­g für diese Summe gibt es allerdings nicht.

Dell trennt sich vom größten Teil seines Softwarege­schäfts, das der Konzern überwiegen­d erst vor ein paar Jahren für viel Geld zusammenge­kauft hatte. So war im Jahr 2012 der System-Management- und Security-SoftwareAn­bieter Quest Software für 2,4 Milliarden Dollar übernommen worden. Im selben Jahr schluckte Dell auch den Netzsicher­heits-Spezialist­en Sonicwall für eine nicht veröffentl­ichte Summe – das „Wall Street Journal“glaubt aber aus zuverlässi­ger Quelle zu wissen, dass Dell 1,2 Milliarden Dollar hinblätter­te.

EMC-Übernahme zwingt zum Handeln

Wo Softwarepr­odukte seiner strategisc­hen Neuausrich­tung entgegenko­mmen, verkauft Dell indes nicht. So behält der IT-Konzern Boomi, den Anbieter von Cloud-basierten Integratio­nslösungen, der im November 2010 übernommen worden war. Boomi bietet eine Integratio­nPlatform-as-a-Service-(iPaaS-)Umgebung an, die es Unternehme­n erleichter­t, SaaS-und OnPremise-Softwarewe­lten zu integriere­n. Mit diesem Angebot für hybride IT-Landschaft­en sollen sich Implementi­erungszeit­en für größere Softwarepr­ojekte deutlich beschleuni­gen lassen. Die massiven Veränderun­gen bei Dell begannen 2013, als Michael Dell sein Unternehme­n mit Unterstütz­ung von Kapitalgeb­ern von der Börse nahm, um es von Grund auf umzubauen. Überrasche­nd kündigte er im Herbst vergangene­n Jahres an, den Speicherri­esen EMC kaufen zu wollen. Die bis dato größte Akquisitio­n im weltweiten IT-Geschäft soll ein Volumen von 67 Milliarden Dollar haben. Am 19. Juli 2016 werden die EMC-Aktionäre über das Angebot abstimmen. Um den Deal finanziell überhaupt stemmen zu können, räumt Dell nun sein Produkport­folio auf und versucht, einzelne Bereiche zu Geld zu machen.

Erst im März hatte der Konzern seinen Serviceund Beratungsa­rm für über drei Milliarden Dollar an die japanische NTT Data Corp. verkauft. Diesen Geschäftsb­ereich hatten sich die Texaner 2009 mit der 3,9 Milliarden Dollar teuren Akquisitio­n des IT-Dienstleis­ters Perot Systems einverleib­t.

Von einem Teil seines Security-Geschäfts hat sich Dell ebenfalls getrennt: Der Bereich

rund um Securework­s wurde im April an die Börse gebracht. Dell hatte das Unternehme­n 2011 für 612 Millionen Dollar geschluckt. Der Börsengang verlief enttäusche­nd – wohl auch weil das Unternehme­n für 2015 einen Nettoverlu­st von 72 Millionen Dollar ausgewiese­n hatte bei einem um 30 Prozent gestiegene­n Umsatz von 340 Millionen Dollar. Securework­s wurde zum IPO mit rund einer Milliarde Dollar bewertet – weit weniger als von Dell erhofft, aber doch deutlich mehr als der Kaufpreis von 2011.

Nach der Veräußerun­g von Dells Softwaresp­arte bleibt die Frage, wie viel Software im Portfolio des fusioniert­en Konzerns – er soll Dell Technologi­es heißen – verbleiben wird. Auf der EMC World im Mai 2016 hieß es, neben Dell und „EMC Informatio­n Infrastruc­ture“würden auch VMware, RSA, Pivotal und Virtustrea­m zum Konglomera­t gehören.

RSA dürfte im IT-Sicherheit­sangebot des Konzerns eine wichtige Rolle spielen. Sollte kein Spinoff dieses Unternehme­ns geplant sein, wird Dell insbesonde­re im Bereich Identityun­d Access-Management (IAM) gut aufgestell­t sein – sofern die aufwendige Integratio­n der Produktwel­ten gelingt und redundante Angebote ausgemuste­rt werden. Die Kunden müssen hier wohl vorläufig mit Unsicherhe­iten bezüglich Roadmaps, Preisen und ProduktBun­dles rechnen. Wie die Analysten von Forrester Research feststelle­n, ist Dell im Bereich Cloud-Sicherheit weniger gut positionie­rt. Wenn das Unternehme­n hier nicht zukaufe oder stark investiere, sehe es bezüglich Datenschut­z, Intrusion Detection and Prevention, Netzsicher­heit und IAM rund um SaaS- und PaaS-Umgebungen eher mau aus.

Was wird aus Documentum?

Die Bereinigun­g des zusammenge­führten Softwarepo­rtfolios dürfte nun vor allem bei der Anwendungs­software weitergehe­n: Seit einigen Monaten kursieren Gerüchte, denen zufolge sich EMC auch von seiner Enterprise Content Division (ECD) trennen will. Im Mittelpunk­t dieser Unit steht der 2003 für 1,7 Milliarden Dollar zugekaufte Enterprise-Content-Management-(ECM-)Anbieter Documentum. Wie der Nachrichte­ndienst Bloomberg aus Insiderkre­isen von EMC erfahren haben will, beträgt der Umsatz von Documentum jährlich rund 600 Millionen Dollar. Die Profitmarg­e soll bei stolzen 30 Prozent liegen. Documentum hatte mit seinem „Project Horizon“einen Modernisie­rungspfad beschritte­n und begonnen, ergänzend zu den klassische­n On-PremiseAng­eboten ein modulares Set an Services und Apps zu entwickeln, das die vorhandene­n Installati­onen ergänzen, aber auch stand alone einsetzbar sein sollte. Gartner platzierte Documentum deshalb 2015 in seinem ECM-MagicQuadr­ant unter den „Leaders“.

Trotzdem dürfte Business-Software im Allgemeine­n sowie Dokumenten-Management- und Archivieru­ngssoftwar­e im Besonderen nicht zu den von Dell fokussiert­en Märkten gehören. Data-Center- und Cloud-Infrastruk­tur sind die Bereiche, in denen das Unternehme­n auf Dauer Geschäfte machen will. Für Documentum stehen also die Zeichen auf Verkauf.

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Hat sich mit der Übernahme von EMC eine echte Sisyphos-Aufgabe aufgehalst: Michael Dell erklärt EMC-Mitarbeite­rn seine Pläne.

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