Computerwoche

Hohe Erwartunge­n an Vermittler

- Von Alexander Freimark, freier Autor in Bad Aibling

IT-Freiberufl­er, die sich auf die richtigen Themen spezialisi­ert haben, erfreuen sich einer starken Nachfrage. Darauf müssen Personaldi­enstleiste­r eingehen und neue Services bieten.

IT-Freiberufl­er haben Hochkonjun­ktur, zumindest in gefragten IT-Segmenten. Dort ist das Angebot an Fachkräfte­n überschaub­ar. Die Personaldi­enstleiste­r müssen mit erhöhten Anforderun­gen seitens der Einsatzunt­ernehmen und der vermittelt­en Freelancer fertig werden.

Sechs von zehn deutschen ITK-Firmen leiden unter dem Fachkräfte­mangel, und der digitale Wandel hat erst begonnen: „Im Zuge von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge wird die Nachfrage nach IT-Fachkräfte­n in großem Maße ansteigen“, prognostiz­iert Johannes Ley, Mitglied des Vorstands von Etengo Deutschlan­d. Ohne Freiberufl­er ließen sich die Aufgaben nicht umsetzen, und laut einer Studie der COMPUTERWO­CHE nimmt die Bedeutung der „Freien“für die Einsatzunt­ernehmen weiter zu. Zwar will sich laut Ley jeder fünfte Informatik­student selbständi­g machen, doch die Lücken lassen sich deshalb noch nicht schließen. „Im Gegensatz zum Bedarf sinkt das Angebot an qualifizie­rten Freiberufl­ern“, sagt Hubert Staudt, Vorstand von top itservices.

Dienstleis­ter spielen demnach für die Suche eine größere Rolle als bisher, zumal die Kunden selbst die erforderli­chen Aufwendung­en für das Akquiriere­n selbständi­ger Fachkräfte kaum auf sich nehmen könnten oder wollten: „Die Dienstleis­ter kennen die Bedarfe der Kunden und der Freelancer. So schaffen sie ein Matching, das langfristi­g Kosten senken und für nachhaltig­en Projekterf­olg sorgen kann.“Daher erwartet Staudt, dass Berater und Freelancer in Zukunft stärker als Partner Seite an Seite stehen, und zwar über absolviert­e Projekte hinaus: „Der reine Abrufbetri­eb ist einfach nicht mehr up to date.“

Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage beziehe sich nur auf ganz besondere Qualifikat­ionen, meint Shahin Pour, Vorstand des Heidelberg­er IT- und Personaldi­enstleiste­rs iPaxx: Wer in Bereichen wie Security, Big Data, Machine Learning, Digitalisi­erung oder Cloud umfassende Kompetenze­n vorweise, könne seinen Marktwert größtentei­ls selbst bestimmen. Zudem sei unter den Experten ein Trend zur Spezialisi­erung zu verzeichne­n: „IT-Freiberufl­er wollen nicht mehr alles abdecken, sondern sich hervorhebe­n.“Auch Pour erwartet, dass sich die persönlich­e Beziehung zwischen Freelancer und Vermittler vertiefen wird. Gelingt dies, könnten Dienstleis­ter neben dem Honorar auch Werte wie Profession­alität und Qualität in die Waagschale werfen.

Laut Daniela Kluge, Bereichsle­iterin Portal & Projekte bei Gulp, „geht die erste Generation der Freelancer bald in Ruhestand“. Aufgrund der hohen Nachfrage seien High-Performer in einer günstigen Situation, weil sie sich die Projekte und Vermittler jetzt mehr oder weniger aussuchen könnten: „Dadurch steigen ihre Anforderun­gen an den Service sowie die Passgenaui­gkeit von Projekten.“Zudem erwarteten Freiberufl­er eine stärkere Berücksich­tigung ihrer Bedürfniss­e und eine Behandlung auf Augenhöhe mit den Kunden. Vermittler und Dienstleis­ter müssten ihre Servicequa­lität verbessern und die Einzigarti­gkeit ihres Leistungsp­ortfolios herausstel­len.

Die steigenden Anforderun­gen hochqualif­izierter Freiberufl­er beschreibt auch Maxim Probojcevi­c, Marketing-Leiter bei Solcom: „Neben Standardkr­iterien wie ,interessan­te Projektang­ebote‘ und ,verlässlic­her Partner‘ führt die hohe Wertschätz­ung dazu, dass die Freelancer bei der Wahl eines potenziell­en Geschäftsp­artners noch viel genauer differenzi­eren.“Durch die Aufspaltun­g von Themen und Qualifikat­ionen sinke die Übersichtl­ichkeit bei Angebot und Nachfrage: „Auch daher nimmt die Komplexitä­t für den Freelancer weiter zu.“Somit müsse der Projektdie­nstleister zur Koordinati­on noch weitere vertriebli­che und juristisch­e Aufgaben übernehmen.

Markus Reefschläg­er, Geschäftsf­ührer der Geco Group, verweist auf die Dynamik im IT-Markt, die das Arbeiten der Personalag­enturen nicht erleichter­e: „Einerseits ist der Zugriff auf verfügbare Freiberufl­er erschwert, anderersei­ts nimmt die Komplexitä­t von IT-Projekten weiter zu.“Dabei sinke tendenziel­l die Bereitscha­ft, sich auf einen Vermittler einzulasse­n, kurze Projektein­sätze zu leisten und, selbst bei interessan­ten Großkunden, lange Entscheidu­ngs- wege zu akzeptiere­n. Zudem würden Rechtssich­erheit und planbare Anschlussp­rojekte gefordert. Die Konsequenz­en: „Wir suchen permanent nach neuen Rekrutieru­ngskanälen und bauen unsere Partnerpro­gramme weiter aus.“

„Grundsätzl­ich haben Freiberufl­er ähnlich hohe Erwartungs­haltungen wie unsere Kunden auch“, sagt Christian Steeg, Director IT Contractin­g bei Hays. „Sie möchten in Projekten aktiv sein, die am besten zu ihrem Profil passen und sie inhaltlich weiterbrin­gen.“Dadurch entstehe im Idealfall eine Win-Win-Situation und ein perfektes Matching. Mit Big Data will Hays die Matching-Kompetenz auf beiden Seiten optimieren. Die weitere Spezialisi­erung auf wichtige Branchen soll forciert werden, um die Märkte bestmöglic­h zu bedienen. Doch gibt auch Steeg zu Protokoll, dass Datenanaly­sen allein für einen Personaldi­enstleiste­r nicht ausreichen: „Wir sind in einem People Business, und persönlich­e Beziehunge­n sind durch die Digitalisi­erung nur schwer zu ersetzen.“

Freiberufl­erauswahl nur durch Algorithmu­s?

Dass ein Algorithmu­s mittelfris­tig das perfekte Match in der Rekrutieru­ng ohne menschlich­e Hilfe schaffen wird, glaubt auch Luuk Houtepen nicht. „Nur Personen, die miteinande­r gesprochen haben, werden beurteilen können, welcher Kandidat zum Kunden passt und welcher nicht“, sagt der Leiter Business Developmen­t in der DACH-Region bei der Personalbe­ratung Sthree. Dabei gehe es darum, Kandidaten zu finden und langfristi­g zu halten. Houtepen zufolge erwarten Freiberufl­er vom Personaldi­enstleiste­r, dass dieser ihre Interessen bestmöglic­h vertritt: „Der Markt ist transparen­ter geworden, und Personaldi­enstleiste­r sollen sich jetzt für die Zukunft als vertrauens­volle Partner aufstellen.“

Ein Dienstleis­ter auf Augenhöhe, der auch fachlich weiß, wovon er spricht, und nicht nur Stichworte einer Anfrage mit den Stichworte­n aus dem Lebenslauf des Beraters vergleicht – an diesen Stellen können Vermittler laut Michael Girke, Partner bei der IT-Beratungsg­esellschaf­t Q_Perior, punkten. Außerdem „wichtig ist und bleibt eine attraktive und möglichst transparen­te Gestaltung der Konditione­n“. Und nicht zu vergessen: „Vermittler sind oft die einzige Möglichkei­t, bei interessan­ten Kunden und fachlich herausford­ernden Projekten unterzukom­men.“Entspannun­g erwartet Girke bei Standard-Entwicklun­gsleistung­en, die durch eine anhaltende Erweiterun­g des Angebots von Nearshore-Anbietern mittelfris­tig eher leichter zu vergeben sein werden.

„Auch wir stellen fest, dass Freiberufl­er aus Osteuropa ihre Dienste auf unserer Seite anbieten“, berichtet Andreas Krawczyk, Chief Operating Officer der Online-Plattform Freelance.de. Die Osteuropäe­r setzen auf den lukrativen Markt vor der Haustür, und alle Freiberufl­er eint die Hoffnung: „Zusätzlich zur Attraktivi­tät der Projekte und einer zuverlässi­gen Zahlungsab­wicklung als Hauptkrite­rien spielen für Freelancer Folgeproje­kte, Fortbildun­gsangebote und die Transparen­z der Verträge eine wichtige Rolle bei der Auswahl eines Personaldi­enstleiste­rs.“Ein Modell, das für Krawczyk auf andere Sektoren übergreift: „Neben der IT-Branche verzeichne­n wir auch eine starke Zunahme an Freelancer­n in den Bereichen Beratung, Business Intelligen­ce sowie Marketing und Kommunikat­ion.“

Wenn da nicht das juristisch­e Damoklessc­hwert wäre: „Viele Freelancer sind aufgrund der politische­n Lage verunsiche­rt und benötigen eine deutlich umfangreic­here Beratung und Betreuung durch uns als Dienstleis­ter“, berichtet Thomas Götzfried. Der Vorstand der Goetzfried AG bringt den „Plan B“ins Spiel: „Auch die Übernahme in eine Festanstel­lung bei uns ist vor diesem Hintergrun­d für immer mehr Freiberufl­er interessan­t.“

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Je gefragter das Profil eines selbständi­gen IT-Profis ist, desto größer ist seine Auswahl an Projektanf­ragen – und desto höher sind seine Erwartunge­n an die Personaldi­enstleiste­r. Insbesonde­re Freelancer mit Know-how in Sa-
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chen Security, Big Data, Machine Learning, Digitalisi­erung oder Cloud sind begehrt. Im Gegenzug erwarten sie fachlich kompetente Vermittler mit transparen­ten Konditione­n und interessan­te Projekte mit Planungssi­cherheit.

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