Hohe Erwartungen an Vermittler
IT-Freiberufler, die sich auf die richtigen Themen spezialisiert haben, erfreuen sich einer starken Nachfrage. Darauf müssen Personaldienstleister eingehen und neue Services bieten.
IT-Freiberufler haben Hochkonjunktur, zumindest in gefragten IT-Segmenten. Dort ist das Angebot an Fachkräften überschaubar. Die Personaldienstleister müssen mit erhöhten Anforderungen seitens der Einsatzunternehmen und der vermittelten Freelancer fertig werden.
Sechs von zehn deutschen ITK-Firmen leiden unter dem Fachkräftemangel, und der digitale Wandel hat erst begonnen: „Im Zuge von Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge wird die Nachfrage nach IT-Fachkräften in großem Maße ansteigen“, prognostiziert Johannes Ley, Mitglied des Vorstands von Etengo Deutschland. Ohne Freiberufler ließen sich die Aufgaben nicht umsetzen, und laut einer Studie der COMPUTERWOCHE nimmt die Bedeutung der „Freien“für die Einsatzunternehmen weiter zu. Zwar will sich laut Ley jeder fünfte Informatikstudent selbständig machen, doch die Lücken lassen sich deshalb noch nicht schließen. „Im Gegensatz zum Bedarf sinkt das Angebot an qualifizierten Freiberuflern“, sagt Hubert Staudt, Vorstand von top itservices.
Dienstleister spielen demnach für die Suche eine größere Rolle als bisher, zumal die Kunden selbst die erforderlichen Aufwendungen für das Akquirieren selbständiger Fachkräfte kaum auf sich nehmen könnten oder wollten: „Die Dienstleister kennen die Bedarfe der Kunden und der Freelancer. So schaffen sie ein Matching, das langfristig Kosten senken und für nachhaltigen Projekterfolg sorgen kann.“Daher erwartet Staudt, dass Berater und Freelancer in Zukunft stärker als Partner Seite an Seite stehen, und zwar über absolvierte Projekte hinaus: „Der reine Abrufbetrieb ist einfach nicht mehr up to date.“
Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage beziehe sich nur auf ganz besondere Qualifikationen, meint Shahin Pour, Vorstand des Heidelberger IT- und Personaldienstleisters iPaxx: Wer in Bereichen wie Security, Big Data, Machine Learning, Digitalisierung oder Cloud umfassende Kompetenzen vorweise, könne seinen Marktwert größtenteils selbst bestimmen. Zudem sei unter den Experten ein Trend zur Spezialisierung zu verzeichnen: „IT-Freiberufler wollen nicht mehr alles abdecken, sondern sich hervorheben.“Auch Pour erwartet, dass sich die persönliche Beziehung zwischen Freelancer und Vermittler vertiefen wird. Gelingt dies, könnten Dienstleister neben dem Honorar auch Werte wie Professionalität und Qualität in die Waagschale werfen.
Laut Daniela Kluge, Bereichsleiterin Portal & Projekte bei Gulp, „geht die erste Generation der Freelancer bald in Ruhestand“. Aufgrund der hohen Nachfrage seien High-Performer in einer günstigen Situation, weil sie sich die Projekte und Vermittler jetzt mehr oder weniger aussuchen könnten: „Dadurch steigen ihre Anforderungen an den Service sowie die Passgenauigkeit von Projekten.“Zudem erwarteten Freiberufler eine stärkere Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und eine Behandlung auf Augenhöhe mit den Kunden. Vermittler und Dienstleister müssten ihre Servicequalität verbessern und die Einzigartigkeit ihres Leistungsportfolios herausstellen.
Die steigenden Anforderungen hochqualifizierter Freiberufler beschreibt auch Maxim Probojcevic, Marketing-Leiter bei Solcom: „Neben Standardkriterien wie ,interessante Projektangebote‘ und ,verlässlicher Partner‘ führt die hohe Wertschätzung dazu, dass die Freelancer bei der Wahl eines potenziellen Geschäftspartners noch viel genauer differenzieren.“Durch die Aufspaltung von Themen und Qualifikationen sinke die Übersichtlichkeit bei Angebot und Nachfrage: „Auch daher nimmt die Komplexität für den Freelancer weiter zu.“Somit müsse der Projektdienstleister zur Koordination noch weitere vertriebliche und juristische Aufgaben übernehmen.
Markus Reefschläger, Geschäftsführer der Geco Group, verweist auf die Dynamik im IT-Markt, die das Arbeiten der Personalagenturen nicht erleichtere: „Einerseits ist der Zugriff auf verfügbare Freiberufler erschwert, andererseits nimmt die Komplexität von IT-Projekten weiter zu.“Dabei sinke tendenziell die Bereitschaft, sich auf einen Vermittler einzulassen, kurze Projekteinsätze zu leisten und, selbst bei interessanten Großkunden, lange Entscheidungs- wege zu akzeptieren. Zudem würden Rechtssicherheit und planbare Anschlussprojekte gefordert. Die Konsequenzen: „Wir suchen permanent nach neuen Rekrutierungskanälen und bauen unsere Partnerprogramme weiter aus.“
„Grundsätzlich haben Freiberufler ähnlich hohe Erwartungshaltungen wie unsere Kunden auch“, sagt Christian Steeg, Director IT Contracting bei Hays. „Sie möchten in Projekten aktiv sein, die am besten zu ihrem Profil passen und sie inhaltlich weiterbringen.“Dadurch entstehe im Idealfall eine Win-Win-Situation und ein perfektes Matching. Mit Big Data will Hays die Matching-Kompetenz auf beiden Seiten optimieren. Die weitere Spezialisierung auf wichtige Branchen soll forciert werden, um die Märkte bestmöglich zu bedienen. Doch gibt auch Steeg zu Protokoll, dass Datenanalysen allein für einen Personaldienstleister nicht ausreichen: „Wir sind in einem People Business, und persönliche Beziehungen sind durch die Digitalisierung nur schwer zu ersetzen.“
Freiberuflerauswahl nur durch Algorithmus?
Dass ein Algorithmus mittelfristig das perfekte Match in der Rekrutierung ohne menschliche Hilfe schaffen wird, glaubt auch Luuk Houtepen nicht. „Nur Personen, die miteinander gesprochen haben, werden beurteilen können, welcher Kandidat zum Kunden passt und welcher nicht“, sagt der Leiter Business Development in der DACH-Region bei der Personalberatung Sthree. Dabei gehe es darum, Kandidaten zu finden und langfristig zu halten. Houtepen zufolge erwarten Freiberufler vom Personaldienstleister, dass dieser ihre Interessen bestmöglich vertritt: „Der Markt ist transparenter geworden, und Personaldienstleister sollen sich jetzt für die Zukunft als vertrauensvolle Partner aufstellen.“
Ein Dienstleister auf Augenhöhe, der auch fachlich weiß, wovon er spricht, und nicht nur Stichworte einer Anfrage mit den Stichworten aus dem Lebenslauf des Beraters vergleicht – an diesen Stellen können Vermittler laut Michael Girke, Partner bei der IT-Beratungsgesellschaft Q_Perior, punkten. Außerdem „wichtig ist und bleibt eine attraktive und möglichst transparente Gestaltung der Konditionen“. Und nicht zu vergessen: „Vermittler sind oft die einzige Möglichkeit, bei interessanten Kunden und fachlich herausfordernden Projekten unterzukommen.“Entspannung erwartet Girke bei Standard-Entwicklungsleistungen, die durch eine anhaltende Erweiterung des Angebots von Nearshore-Anbietern mittelfristig eher leichter zu vergeben sein werden.
„Auch wir stellen fest, dass Freiberufler aus Osteuropa ihre Dienste auf unserer Seite anbieten“, berichtet Andreas Krawczyk, Chief Operating Officer der Online-Plattform Freelance.de. Die Osteuropäer setzen auf den lukrativen Markt vor der Haustür, und alle Freiberufler eint die Hoffnung: „Zusätzlich zur Attraktivität der Projekte und einer zuverlässigen Zahlungsabwicklung als Hauptkriterien spielen für Freelancer Folgeprojekte, Fortbildungsangebote und die Transparenz der Verträge eine wichtige Rolle bei der Auswahl eines Personaldienstleisters.“Ein Modell, das für Krawczyk auf andere Sektoren übergreift: „Neben der IT-Branche verzeichnen wir auch eine starke Zunahme an Freelancern in den Bereichen Beratung, Business Intelligence sowie Marketing und Kommunikation.“
Wenn da nicht das juristische Damoklesschwert wäre: „Viele Freelancer sind aufgrund der politischen Lage verunsichert und benötigen eine deutlich umfangreichere Beratung und Betreuung durch uns als Dienstleister“, berichtet Thomas Götzfried. Der Vorstand der Goetzfried AG bringt den „Plan B“ins Spiel: „Auch die Übernahme in eine Festanstellung bei uns ist vor diesem Hintergrund für immer mehr Freiberufler interessant.“