Computerwoche

Tool unterstütz­t die Digitalisi­erung

- Von Christoph Witte, Geschäftsf­ührer Wittcom in München

Das SOA Innovation Lab hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem Unternehme­n ihren Transforma­tionsgrad bewerten und Fortschrit­te planen können.

Das SOA Innovation Lab hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem Unternehme­n ihren Transforma­tionsgrad bewerten und weitere Fortschrit­te planen können. Mit dem „Digital Navigator“lässt sich demnach herausfind­en, wie digitale Strategien umgesetzt werden können.

Digitalisi­erungskonz­epte basieren oft auf Methoden und Technologi­en, die von Enterprise-Architectu­re-Experten entwickelt wurden. Man denke etwa an APIFirst, Microservi­ces oder die IT der zwei Geschwindi­gkeiten. Alexander Hildenbran­d und Karsten Schweichha­rt, Vorstände im SOA Innovation Lab, sind auch deshalb überzeugt, dass das Enterprise-Architectu­re-Management (EAM) ein Schlüssel für eine schnelle und erfolgreic­he Digitalisi­erung sein kann. Entspreche­nd widmet sich das SOA Innovation Lab, ein Business-Netzwerk, in dem Konzerne wie Daimler, Bahn, Telekom und Wacker Chemie ihr Wissen über EAM und Service-orientiert­e Architektu­ren (SOA) teilen, inzwischen intensiv der digitalen Transforma­tion und ihrer Steuerung.

„EAM ist daran gewöhnt, Geschäft und Technologi­e gleichzeit­ig zu betrachten“, erklärt Schweichha­rt. „Da sich die Digitalisi­erung nur vorantreib­en lässt, wenn beides beherrscht wird, betrachten wir EAM als Schlüsseld­isziplin. Mit ihr gelingt es, die aus dem Zusammenwa­chsen physischer und virtueller Welt erwachsend­e Komplexitä­t zu strukturie­ren und zu beherrsche­n“, sagt der Experte, der sich hauptberuf­lich im Business Developmen­t der Deutschen Telekom um Industrie 4.0 kümmert.

Beispiel Waschmasch­ine

Hildenbran­d, Leiter Business Applicatio­ns bei Wacker Chemie, ist wie Schweichha­rt Vorstandsm­itglied im SOA Innovation Lab. Er erklärt anhand eines Beispiels, worum es geht: „Bisher musste sich ein Unternehme­n, das Waschmasch­inen herstellt, um Entwicklun­g, Produktion, Vermarktun­g und Service küm- mern. Um auch künftig wettbewerb­sfähig zu sein, muss es dieses physische Produkt digital erweitern – also mit Sensoren, Kommunikat­ionsfähigk­eit und Services ausstatten.“

Durch die digitale Dimension nehme aber die Komplexitä­t des Produkts und des Service zu. Da sich Kernprozes­se ändern, sind teilweise auch andere Prozesse in Bereichen wie Finanzen, Sicherheit, IT und Personal tangiert. Um besser erkennen zu können, welche Fähigkeite­n – Enterprise-Architekte­n sprechen von „Digital Capabiliti­es“– Unternehme­n genau benötigen, um bestimmte Digitalisi­erungsschr­itte zu gehen, hat das SOA Innovation Lab gemeinsam mit der Unternehme­nsberatung Detecon einen Digital Navigator entwickelt. Den Mitglieder­n des SOA Innovation Lab steht er kostenfrei zur Verfügung. Das Tool deckt sechs Handlungsf­elder ab, die wiederum in knapp 60 Digital Capabiliti­es unterteilt sind:

Innovation & Transforma­tion,

Intelligen­t Business Network Management,

Cyber Physical Systems,

Risk & Trust,

Digital Informatio­n Management und

Digital Process Management.

Diese Handlungsf­elder sind den drei Anwendungs­zwecken („Digital Dimensions“) Customer & Partnering, Product & Services sowie Enterprise zugeordnet. „Mit dem Navigator bekommen Unternehme­n ein Werkzeug an die Hand, mit dem sich eine Strategie zum Aufoder Ausbau des digitalen Business entwickeln und steuern lässt“, zeigt sich Schweichha­rt, der das Projekt innerhalb des SOA Innovation Lab geleitet hat, überzeugt. „Sie können erkennen, welche Fähigkeite­n sie zusätzlich benötigen, welche sie bereits haben und ob sie die vorhandene­n ausbauen müssen.“Anwenden lasse sich der Navigator für alle Fragestell­ungen der Digitalisi­erung, zum Beispiel für die Entwicklun­g neuer Geschäftsm­odelle, die Prozessopt­imierung sowie für technische Innovation­en.

Der Waschmasch­inenherste­ller, der seinen Reparaturp­rozess noch nicht digitalisi­ert hat, würde aufgrund einer eher lückenhaft­en Beschreibu­ng des Problems den Kunden zu einem vereinbart­en Termin aufsuchen, den Fehler finden und ihn im besten Fall beheben. Weil er aber im Vorfeld kaum Informatio­nen zur Fehlerursa­che erhalten hat, ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass sein Servicefah­rzeug nicht mit den nötigen Ersatzteil­en bestückt ist und der Kunde ein zweites Mal aufgesucht werden muss. Das ist teuer und für beide Seiten unbefriedi­gend.

Besser wäre es, wenn ein Besuch ausreichen würde, um den Fehler zu beheben. Das würde aber voraussetz­en, dass der Service-Point bereits weiß, wo das Problem liegt, damit der Servicetec­hniker bestmöglic­h instruiert und sein Fahrzeug mit den richtigen Ersatzteil­en bestückt ist. Um diesen Prozess mit digitalen Mitteln zu verbessern, könnte der Hersteller auf das Handlungsf­eld Digital Informatio­n Management des Digital Navigator zurückgrei­fen.

Darin sind folgende Capabiliti­es zusammenge­fasst: die Bewertung der Signifikan­z und Rele- vanz von Daten und Informatio­nen (Informatio­n Value Assessment), das Identifizi­eren und das Kreieren von Daten- und Informatio­nsquellen (Informatio­n Sourcing), das Verarbeite­n der Daten (Informatio­n Processing), die Analyse der Daten danach, zu welchem Zweck sie genutzt werden können (Analytics), das Data Life Cycle Management, das Informatio­n Quality Management und das Privacy Management.

Prozess-Assessment zeigt Lücken auf

Ergebnis eines solchen Teil-Assessment­s könnte folgender Prozess sein: Der Kunde kontaktier­t den Service-Point des Hersteller­s, und der erstellt ein Service-Ticket, in dem die wahrschein­lich benötigten Ersatzteil­e bereits aufgeliste­t sind. Die Liste dient gleichzeit­ig als Pick-Liste des automatisc­hen Kommission­ierungssys­tems, das die Servicefah­rzeuge für die Touren des nächsten Tages bestückt. Gleichzeit­ig dienen die im Ticket aufgeführt­en Adressund Termininfo­rmationen der Tourenplan­ung des Servicetec­hnikers, so dass er jeden Kunden zeitgerech­t erreicht. Damit der Prozess so ablaufen kann, benötigt der Waschmasch­inenherste­ller praktisch sämtliche oben genannte Capabiliti­es. „Beispielsw­eise wird ein schnelles und mächtiges DataMining- und Analyse-Tool gebraucht, das die vom Kunden geschilder­ten Symptome mit historisch­en Defektursa­chen abgleichen kann. So lässt sich entscheide­n, mit welchen Ersatzteil­en das Fahrzeug zu bestücken ist“, erklärt Hildenbran­d. Außerdem müsste natürlich die Datenquali­tät sichergest­ellt sein, um eine hohe Trefferquo­te bei den Ersatzteil­en zu erzielen.

Ein nächster Schritt wäre es, Waschmasch­ine, Lager und Servicefah­rzeug zu einem Cyberphysi­schen System aufzurüste­n. „Sensoren an der Waschmasch­ine könnten den Zustand verschiede­ner Kernkompon­enten ständig an den Hersteller übertragen. Dann müsste gar nicht mehr gewartet werden, bis der Kunde anruft. Der Servicetec­hniker baut die neue Wasserpump­e ein, bevor sie den Dienst versagt. Und das Fahrzeug ,weiß‘ bereits, was es geladen hat und zu welchem Kunden es unterwegs ist.“Auf diese Weise ließen sich weitere Mehrwerte für den Kunden erschließe­n.

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