Tool unterstützt die Digitalisierung
Das SOA Innovation Lab hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem Unternehmen ihren Transformationsgrad bewerten und Fortschritte planen können.
Das SOA Innovation Lab hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem Unternehmen ihren Transformationsgrad bewerten und weitere Fortschritte planen können. Mit dem „Digital Navigator“lässt sich demnach herausfinden, wie digitale Strategien umgesetzt werden können.
Digitalisierungskonzepte basieren oft auf Methoden und Technologien, die von Enterprise-Architecture-Experten entwickelt wurden. Man denke etwa an APIFirst, Microservices oder die IT der zwei Geschwindigkeiten. Alexander Hildenbrand und Karsten Schweichhart, Vorstände im SOA Innovation Lab, sind auch deshalb überzeugt, dass das Enterprise-Architecture-Management (EAM) ein Schlüssel für eine schnelle und erfolgreiche Digitalisierung sein kann. Entsprechend widmet sich das SOA Innovation Lab, ein Business-Netzwerk, in dem Konzerne wie Daimler, Bahn, Telekom und Wacker Chemie ihr Wissen über EAM und Service-orientierte Architekturen (SOA) teilen, inzwischen intensiv der digitalen Transformation und ihrer Steuerung.
„EAM ist daran gewöhnt, Geschäft und Technologie gleichzeitig zu betrachten“, erklärt Schweichhart. „Da sich die Digitalisierung nur vorantreiben lässt, wenn beides beherrscht wird, betrachten wir EAM als Schlüsseldisziplin. Mit ihr gelingt es, die aus dem Zusammenwachsen physischer und virtueller Welt erwachsende Komplexität zu strukturieren und zu beherrschen“, sagt der Experte, der sich hauptberuflich im Business Development der Deutschen Telekom um Industrie 4.0 kümmert.
Beispiel Waschmaschine
Hildenbrand, Leiter Business Applications bei Wacker Chemie, ist wie Schweichhart Vorstandsmitglied im SOA Innovation Lab. Er erklärt anhand eines Beispiels, worum es geht: „Bisher musste sich ein Unternehmen, das Waschmaschinen herstellt, um Entwicklung, Produktion, Vermarktung und Service küm- mern. Um auch künftig wettbewerbsfähig zu sein, muss es dieses physische Produkt digital erweitern – also mit Sensoren, Kommunikationsfähigkeit und Services ausstatten.“
Durch die digitale Dimension nehme aber die Komplexität des Produkts und des Service zu. Da sich Kernprozesse ändern, sind teilweise auch andere Prozesse in Bereichen wie Finanzen, Sicherheit, IT und Personal tangiert. Um besser erkennen zu können, welche Fähigkeiten – Enterprise-Architekten sprechen von „Digital Capabilities“– Unternehmen genau benötigen, um bestimmte Digitalisierungsschritte zu gehen, hat das SOA Innovation Lab gemeinsam mit der Unternehmensberatung Detecon einen Digital Navigator entwickelt. Den Mitgliedern des SOA Innovation Lab steht er kostenfrei zur Verfügung. Das Tool deckt sechs Handlungsfelder ab, die wiederum in knapp 60 Digital Capabilities unterteilt sind:
Innovation & Transformation,
Intelligent Business Network Management,
Cyber Physical Systems,
Risk & Trust,
Digital Information Management und
Digital Process Management.
Diese Handlungsfelder sind den drei Anwendungszwecken („Digital Dimensions“) Customer & Partnering, Product & Services sowie Enterprise zugeordnet. „Mit dem Navigator bekommen Unternehmen ein Werkzeug an die Hand, mit dem sich eine Strategie zum Aufoder Ausbau des digitalen Business entwickeln und steuern lässt“, zeigt sich Schweichhart, der das Projekt innerhalb des SOA Innovation Lab geleitet hat, überzeugt. „Sie können erkennen, welche Fähigkeiten sie zusätzlich benötigen, welche sie bereits haben und ob sie die vorhandenen ausbauen müssen.“Anwenden lasse sich der Navigator für alle Fragestellungen der Digitalisierung, zum Beispiel für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die Prozessoptimierung sowie für technische Innovationen.
Der Waschmaschinenhersteller, der seinen Reparaturprozess noch nicht digitalisiert hat, würde aufgrund einer eher lückenhaften Beschreibung des Problems den Kunden zu einem vereinbarten Termin aufsuchen, den Fehler finden und ihn im besten Fall beheben. Weil er aber im Vorfeld kaum Informationen zur Fehlerursache erhalten hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sein Servicefahrzeug nicht mit den nötigen Ersatzteilen bestückt ist und der Kunde ein zweites Mal aufgesucht werden muss. Das ist teuer und für beide Seiten unbefriedigend.
Besser wäre es, wenn ein Besuch ausreichen würde, um den Fehler zu beheben. Das würde aber voraussetzen, dass der Service-Point bereits weiß, wo das Problem liegt, damit der Servicetechniker bestmöglich instruiert und sein Fahrzeug mit den richtigen Ersatzteilen bestückt ist. Um diesen Prozess mit digitalen Mitteln zu verbessern, könnte der Hersteller auf das Handlungsfeld Digital Information Management des Digital Navigator zurückgreifen.
Darin sind folgende Capabilities zusammengefasst: die Bewertung der Signifikanz und Rele- vanz von Daten und Informationen (Information Value Assessment), das Identifizieren und das Kreieren von Daten- und Informationsquellen (Information Sourcing), das Verarbeiten der Daten (Information Processing), die Analyse der Daten danach, zu welchem Zweck sie genutzt werden können (Analytics), das Data Life Cycle Management, das Information Quality Management und das Privacy Management.
Prozess-Assessment zeigt Lücken auf
Ergebnis eines solchen Teil-Assessments könnte folgender Prozess sein: Der Kunde kontaktiert den Service-Point des Herstellers, und der erstellt ein Service-Ticket, in dem die wahrscheinlich benötigten Ersatzteile bereits aufgelistet sind. Die Liste dient gleichzeitig als Pick-Liste des automatischen Kommissionierungssystems, das die Servicefahrzeuge für die Touren des nächsten Tages bestückt. Gleichzeitig dienen die im Ticket aufgeführten Adressund Termininformationen der Tourenplanung des Servicetechnikers, so dass er jeden Kunden zeitgerecht erreicht. Damit der Prozess so ablaufen kann, benötigt der Waschmaschinenhersteller praktisch sämtliche oben genannte Capabilities. „Beispielsweise wird ein schnelles und mächtiges DataMining- und Analyse-Tool gebraucht, das die vom Kunden geschilderten Symptome mit historischen Defektursachen abgleichen kann. So lässt sich entscheiden, mit welchen Ersatzteilen das Fahrzeug zu bestücken ist“, erklärt Hildenbrand. Außerdem müsste natürlich die Datenqualität sichergestellt sein, um eine hohe Trefferquote bei den Ersatzteilen zu erzielen.
Ein nächster Schritt wäre es, Waschmaschine, Lager und Servicefahrzeug zu einem Cyberphysischen System aufzurüsten. „Sensoren an der Waschmaschine könnten den Zustand verschiedener Kernkomponenten ständig an den Hersteller übertragen. Dann müsste gar nicht mehr gewartet werden, bis der Kunde anruft. Der Servicetechniker baut die neue Wasserpumpe ein, bevor sie den Dienst versagt. Und das Fahrzeug ,weiß‘ bereits, was es geladen hat und zu welchem Kunden es unterwegs ist.“Auf diese Weise ließen sich weitere Mehrwerte für den Kunden erschließen.