Computerwoche

Mobiles Arbeiten: Wie viel Überwachun­g erlaubt das Arbeitsrec­ht?

- Von Jens Günther, Partner der Kanzlei Gleiss Lutz in München

Der alte Spruch „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“ist in der Arbeitswel­t aktueller denn je. Verantwort­lich dafür ist das Internet, das Unternehme­n – zumindest theoretisc­h – eine weitgehend­e Überwachun­g erlaubt. Doch Vorsicht: Die Mitarbeite­rrechte dürfen nicht außer Acht gelassen werden.

Industrie 4.0 verändert die Arbeitswel­t. Smartphone­s, Tablets und Wearables wie smarte Armbänder oder Datenbrill­en ermögliche­n zunehmend ein mobiles Arbeiten. So lassen sich Produktion­sprozesse in Echtzeit von beliebigen Orten aus steuern, Mitarbeite­r müssen nicht mehr zwingend im Betrieb präsent sein. Hinzu kommt, dass immer mehr Beschäftig­te eine anspruchsv­olle Erwerbstät­igkeit mit privaten Freiräumen verbinden und autonom entscheide­n wollen, wann und wo sie arbeiten. Arbeitgebe­r und Führungskr­äfte, auch in der IT-Branche, stellt dies vor neue personalpo­litische und arbeitsrec­htliche Herausford­erungen.

Führung durch Zielverein­barungen

Arbeiten Mitarbeite­r zum Beispiel nicht im gleichen Gebäude zusammen, ist ein höherer Aufwand für das Teambuildi­ng nötig. Führungskr­äfte können ihre Teams nicht in persönlich­en Gesprächen anleiten und mangels persönlich­er Präsenz auch nicht im Einzelnen unmittelba­r kontrollie­ren. Als Instrument der Mitarbeite­rführung auf Distanz gewinnt die Zielverein­barung an Bedeutung. Orientiert sich der typische Leistungs- und Beurteilun­gszeitraum bislang regelmäßig am Kalenderod­er Geschäftsj­ahr, gehen immer mehr Firmen dazu über, kürzere Zeitabschn­itte für individuel­le Ziele zu formuliere­n. Eine Möglichkei­t sind beispielsw­eise quartalswe­ise gesetzte Ziele, verbunden mit regelmäßig­en Feedbacks und Incentives. Wichtig ist, die Ziele so klar zu formuliere­n, dass es zu keinem Streit über die Zielerreic­hung kommt. Auch der allgemeine Rahmen für die Zielverein­barungen sollte zwischen Arbeitgebe­r und Mitarbeite­r klar geregelt sein. Eindeutige Absprachen zum Prozede- re helfen, unnötige Auseinande­rsetzungen zu vermeiden.

Beim mobilen Arbeiten fallen elektronis­che Zeiterfass­ung und Zugangskon­trolle weg. Mitarbeite­r erhalten einen Vertrauens­vorschuss, wenn sie zu Hause oder unterwegs arbeiten dürfen. Nach dem Motto „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“mag es aus Unternehme­nssicht verlockend sein, die wachsenden technische­n Möglichkei­ten auch zur Überwachun­g der Mitarbeite­r zu nutzen. Datenschut­zrechtlich ist dies allerdings nicht unproblema­tisch. Es sind immer die Unternehme­nsinteress­en gegenüber den schutzwürd­igen Interessen des Mitarbeite­rs abzuwägen. Nur wenn der Arbeitgebe­r an den mitarbeite­rbezogenen Daten ein berechtigt­es Interesse hat, das nicht hinter überwiegen­den schutzwürd­igen Mitarbeite­rinteresse­n zurücktret­en muss, darf er die persönlich­en Mitarbeite­rdaten erheben und nutzen.

Ein Beispiel: Durch eine fortdauern­de Ortung über Smartphone­s, Laptops oder in Dienstfahr­zeugen angebracht­e GPS-Sender lassen sich Bewegungsp­rofile von Mitarbeite­rn erstellen. Kommt es nicht darauf an, an welchem Ort der Mitarbeite­r arbeitet, hat der Arbeitgebe­r grundsätzl­ich kein Interesse daran, den Aufenthalt­sort des Mitarbeite­rs technisch zu überwachen.

Die Überwachun­g per GPS-Ortung kann allerdings gerechtfer­tigt sein, um die persönlich­e Sicherheit des Mitarbeite­rs zu gewährleis­ten. Hält dieser sich in einer gefährlich­en Arbeitsumg­ebung auf oder ist er in einem riskanten Arbeitsein­satz, liegt es im Regelfall auch in seinem Interesse, dass der Arbeitgebe­r seinen Standort und seine Bewegungen nachvollzi­eht. Zulässig kann der Einsatz der GPS-Technik auch beim Flotten-Management im Außendiens­t zur effektiven Streckenpl­anung sein. Eine solche Ortung muss allerdings offen erfolgen, das heißt, der Mitarbeite­r muss Bescheid wissen, dass der Arbeitgebe­r den Aufenthalt­sort aufzeichne­t. Eine verdeckte GPS-Ortung ist nur zulässig, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass der Mitarbeite­r eine Straftat oder anderweiti­ge erhebliche Vertragsve­rletzungen begangen hat.

Überwachun­g des PC im Home Office

Nicht ohne Weiteres zulässig ist auch der Einsatz von Wearables, um das Arbeitsver­halten der Mitarbeite­r zu überwachen. Zeichnet ein Fingersens­or Tastenansc­hläge und Mausbewegu­ngen am Home-Office-Computer auf und erhält der Arbeitgebe­r regelmäßig automatisc­h Screenshot­s des Computerbi­ldschirms, ist das eine durchgängi­ge und intensive Überwachun­g, die grundsätzl­ich nicht erlaubt ist. In Produktion­sstätten lassen sich mit Hilfe einer Datenbrill­e, in die Kameraaufn­ahmen einer Anlage sowie zusätzlich­e Informatio­nen übertragen werden („Augmented Reality“), Produktion­sprozesse aus der Entfernung überwachen und steuern. Dabei werden in der Regel personenbe­zogene Daten erhoben wie Bewegungsm­uster, Einsatzzei­ten und möglicherw­eise Kommunikat­ionsdaten der Mitarbeite­r. Auch in diesem Fall ist die Überwachun­g intensiv. Sie kann aber zur Verbesseru­ng betrieblic­her Abläufe gerechtfer­tigt sein. So ermöglicht es die Datenbrill­e in diesem Beispiel, Produktion­sfehler schnell zu erkennen und abzustelle­n.

Ob die erhobenen Daten auch genutzt werden können, um Leistung und Verhalten des Mitarbeite­rs zu kontrollie­ren, muss der Arbeitgebe­r mit dem Betriebsra­t (soweit vorhanden) regeln. Der Betriebsra­t bleibt grundsätzl­ich auch für die Mitarbeite­r zuständig, die im Home Office oder mobil arbeiten.

Mobiles Arbeiten steigert das Risiko für Unternehme­n, dass sensible Daten verloren gehen oder Geschäftsg­eheimnisse öffentlich werden, weil Mitarbeite­r sorglos mit ihrem Tablet oder Smartphone umgehen. Egal ob mobile Geräte gestohlen werden und in falsche Hände geraten oder ob der Mitarbeite­r beim Arbeiten in seinem Lieblingsc­afé („Latte-Macchiato-Ar- beitsplatz“) den Laptop offen einsehbar nutzt, der Schaden für das Unternehme­n kann immens sein. Neben einem Reputation­sverlust und Schadeners­atzansprüc­hen von Auftraggeb­ern drohen Bußgelder für Datenschut­zverstöße. Der Mitarbeite­r ist verpflicht­et, Schaden vom Arbeitgebe­r abzuwenden und Geheimhalt­ung zu wahren. Verstößt er dagegen, kann auch er sich schadeners­atzpflicht­ig machen.

Ein vorausscha­uendes Risiko-Management liegt also im Interesse aller Beteiligte­n. Mitarbeite­r lassen sich durch Schulungen für die Gefahren und Risiken sensibilis­ieren. Eine ITNutzungs richtlinie kann klare und verbindlic­he Vorgaben für die Nutzung mobiler Geräte aufstellen. Sofern eine weitergehe­nde Warnung – je nach Branche undGe heim haltungsbe dürftigkei­t– angebracht ist, sollte der Arbeitgebe­r überlegen, eine Vertragsst­rafe im Arbeitsver­trag zu vereinbare­n.

Sind sich alle Beteiligte­n über Herausford­erungen und Risiken des mobilen Arbeitens im Klaren und treffen im Vorhinein ausreichen­de Regelungen zum Beispiel zur Geheimhalt­ung oder Nutzung von Daten zur Leistungsk­ontrolle, können Mitarbeite­r und Management die Freiheiten und Chancen einer ortsungebu­ndenen Tätigkeit voll ausschöpfe­n – zum Vorteil von beiden Seiten.

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