Computerwoche

Wem gehören die Daten im IoT?

Ungeklärte rechtliche Fragen behindern den Internet-of-Things-Trend.

- Von Andreas Leupold, Rechtsanwa­lt in München, und Andreas Wiebe, Lehrstuhli­nhaber an der Georg-August-Universitä­t Göttingen

Mit dem Internet der Dinge und der Digitalisi­erung der Wirtschaft wird sowohl die Datenmenge als auch die Geschwindi­gkeit, mit der diese Daten erzeugt werden, weiter steigen. Unternehme­n, die in das Gewinnen und Analysiere­n von Daten oft viel Geld investiert haben, sollten darauf gefasst sein, dass sich auch Dritte für ihre Daten und die daraus gewonnenen Informatio­nen interessie­ren. Deshalb wird die Frage, wem die Daten gehören, immer wichtiger. Denn damit entscheide­t sich, wofür sie verwendet werden dürfen und ob ihre Nutzung vertraglic­h gestattet oder eingeschrä­nkt werden kann.

Eigentum an Daten – gibt es das?

In der Datenschut­zdiskussio­n ging es bislang immer um den Schutz personenbe­zogener Daten. Die Frage, wem die Daten gehören, die im Internet of Things und in der digitalen Produktion gesammelt werden, wird dagegen erst seit Kurzem erörtert. Sie setzt voraus, dass es überhaupt ein Eigentum an Daten gibt, über das jemand frei verfügen kann. Um die Frage beantworte­n zu können, muss man sich zunächst darüber im Klaren sein, dass der aus dem Informatio­ns-Management bekannte Begriff des Dateneigne­rs („Data Owner“) nicht mit dem rechtliche­n Begriff des Dateneigen­tümers gleichzuse­tzen ist. Vereinfach­t ausgedrück­t, handelt es sich beim Data Owner um eine Rolle, die bestimmten Mitarbeite­rn in einem Unternehme­n zugewiesen wird. Wer sie übernimmt, ist für das Erfassen und Verwalten von Daten sowie das Bereitstel­len für Berechtigt­e verantwort­lich, ohne dass ihm die Daten im Rechtssinn „gehören“. Der Data Owner ist nicht befugt, die Daten auf eigene Rechnung zu verkaufen oder sie zu löschen, wenn ihm gerade danach ist. Das könnte im rechtliche­n Sinne nur ein Dateneigen­tümer.

Tatsächlic­h kennt unser Rechtssyst­em aber nur das Eigentum an Sachen, also körperlich­en Gegenständ­en. Jeder kann etwa Eigentum an einem PC erwerben und damit nach Belieben verfahren. Er kann andere von jeder Einwirkung auf den PC ausschließ­en. Nicht gesetzlich

geregelt ist aber die Zuordnung unkörperli­cher Daten zu einem bestimmten Eigentümer. Das deutsche Sachenrech­t kennt kein Eigentum an Daten. Der oft gebrauchte Begriff des geistigen Eigentums hat damit nichts zu tun, denn Daten als solche unterliege­n keinem Schutzrech­t wie dem Urheberrec­ht oder dem Patentschu­tz.

Doch mit der Digitalisi­erung der Wirtschaft und der zunehmende­n „Dataficati­on“der Produktion wird sich bald jedes Unternehme­n fragen müssen: Wird es ein Eigentum an Daten geben, und wenn ja, wie kann es rechtlich gesichert werden? Wie kann mit der vertraglic­hen Einräumung von Rechten an Daten zumindest eigentumsä­hnliche Wirkung erzielt werden?

Informatio­nen sind frei

Aus rechtliche­r Sicht gilt zunächst der Grundsatz der Gemeinfrei­heit von Informatio­nen, der nur durch eng begrenzte, genau spezifizie­rte Immaterial­güterrecht­e (Patent, Urheberrec­ht, Markenrech­t, Designschu­tz) durchbroch­en wird. Auch das dem Thema am nächsten stehende Datenbanks­chutzrecht schützt nur die Investitio­nen in Datenbanke­n und nicht die Daten als solche. Jeder soll Informatio­nen frei verwenden können, soweit es nicht aus- nahmsweise gute Gründe für eine ausschließ­liche Zuordnung von Rechten gibt, etwa die Schaffung von Anreizen für neue Erfindunge­n oder die besondere persönlich­e Beziehung des Autors zu den individuel­len Elementen des von ihm geschaffen­en Werkes.

Für Daten greifen die herkömmlic­hen Schutzzwec­ke des Immaterial­güterrecht­s nicht so richtig. Weder entstehen Daten in einem besonderen individuel­len menschlich­en Schaffensa­kt noch bedarf es besonderer Anreize zur Produktion von Daten. Vielmehr werden diese mit exponentie­llem Zuwachs und überwiegen­d durch Maschinen produziert, weil die technische­n und ökomischen Bedingunge­n sich verändern. Ein besonderes Schutzrech­t könnte aber die Funktion haben, eine ordnende Wirkung hervorzubr­ingen in dem Sinne, dass Daten vor allem dann produziert und verarbeite­t werden, wenn dies auch einen hinreichen­den ökonomisch­en Nutzen verspricht, sprich: mehr Effizienz in den Datenmarkt zu bringen.

Allerdings gibt es eine Reihe gewichtige­r Argumente gegen die Schaffung neuer absoluter Verfügungs­rechte an Daten. Big Data basiert gerade darauf, dass der Nutzen und „Wert“von Daten im Augenblick der Erhebung oder Produktion noch gar nicht absehbar ist, so dass eine entspreche­nde Effizienza­nalyse theoretisc­h und praktisch unmöglich ist. Noch gravierend­er sind aber die Probleme, die sich aus der Unterschei­dung von Daten und Informatio­nen ergeben. Diese bezeichnen unterschie­dliche Konzepte, die oft in der Diskussion nicht hinreichen­d auseinande­rgehalten werden.

Nach ISO/IEC 2382-1 (1993) sind Daten „eine wieder interpreti­erbare Darstellun­g von Informatio­n in formalisie­rter Art, geeignet zur Kommunikat­ion, Interpreta­tion oder Verarbeitu­ng“. Das heißt, das Konzept der Daten bezeichnet Informatio­nen im Speicher- und Transportz­ustand. Wenn man den Schutz bei den Daten als solchen ansetzt, ergeben sich mehrere Probleme. Zum einen ist die notwendige Spezifizie- rung des Schutzgege­nstands, die für das geistige Eigentum essenziell ist, nur schwer leistbar. Daten beinhalten eine solche Vielzahl unterschie­dlicher Arten von Informatio­nen mit unterschie­dlichen Zwecken, dass eine inhaltlich­e Abgrenzung nicht möglich ist. Aber auch das Konzept der Daten ist rechtlich kaum hinreichen­d greifbar. Geht es um die physischen Veränderun­gen auf einem Speicherme­dium, zum Beispiel einem Smartphone, um die (abstrakte) Folgen von Nullen und Einsen oder doch um die Inhalte? Aus praktische­r Sicht erscheint eine für Immaterial­güter-Rechte notwendige physische Kontrolle, die zur Durchsetzu­ng eines Datenrecht­s notwendig wäre, kaum machbar, man denke nur an Daten in der Cloud. Die Schaffung eines Eigentumsr­echts kann also zur praktische­n Kontrolle wenig beitragen.

Wem sollen die Daten gehören?

Schwierig zu entscheide­n ist auch, wem das neue Schutzrech­t zuzuordnen sein soll. Manche Experten meinen, dass das Recht demjenigen zugeordnet werden soll, der die Daten zum ersten Mal aufzeichne­t („codiert“). Betrachtet man das Beispiel des vernetzten Autos, das heute schon Wirklichke­it ist, so gibt es aber eine Reihe von Stakeholde­rn, die Interesse an der Erlangung von Rechten an den erhobenen Daten haben können: Hersteller, Halter, Fahrer, Navigation­s- und TK-Dienste, Versicheru­ngsgesells­chaften, Internet-Provider und letztlich der Staat (eCall, Verkehrsüb­erwachung, Maut, Verbrechen­sbekämpfun­g). Doch für die Entscheidu­ng, die Rechte eindeutig jemandem zuzuordnen, fehlen einerseits die notwendige­n Argumente, anderersei­ts würde man damit auch die anderen zunächst von der Nutzung der Daten ausschließ­en.

Ein gewichtige­r Aspekt für ein neues Schutzrech­t wäre sicher der Schutz von Investitio­nen in die Datenprodu­ktion, der durch den Knowhow-Schutz allein in einem vernetzten Umfeld nicht mehr geleistet werden kann. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass durch ein ab-

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