Computerwoche

IT-Organisati­onen in digitalen Zeiten

So trifft d die Transforma­tion die IT-Ab IT-Abteilunge­n selbst.

- Von Frederik Ahlemann, Professor am Lehrstuhl für Wirtschaft­sinformati­k und Strategisc­hes IT-Management an der Universitä­t Duisburg-Essen,

Die Digitalisi­erung verändert in den Unternehme­n alles. Die Zusammenar­beit mit den Fachbereic­hen wird intensiver, die IT-Wertschöpf­ung verkürzt sich weiter, und es gibt neue Entwicklun­gs- und Betriebsmo­delle. Auf diese Entwicklun­gen können sich IT-Führungskr­äfte vorbereite­n. Als Startpunkt­e für eine schrittwei­se Transforma­tion der ITOrganisa­tion haben wir zehn Handlungsf­elder identifizi­ert, die durchaus nicht alle gleichzeit­ig angegangen werden müssen. Welche für die eigene IT-Organisati­on in Frage kommen, hängt von der individuel­len Situation ab. Technology Watch: Eine Eigenschaf­t der Digitalisi­erung besteht darin, dass Technologi­en schnell zur Anwendung gelangen müssen, um neue Geschäftsm­odelle, Produkte und Dienstleis­tungen zu implementi­eren. Aus diesem Grund kann es wettbewerb­sentscheid­end sein, früh relevante Technologi­etrends zu identifizi­eren und hinsichtli­ch ihres Verwertung­spotenzial­s zu analysiere­n. Aufgrund der oft hohen Entwicklun­gsgeschwin­digkeit sollte das eine fortlaufen­de Tätigkeit sein, und sie kann nur teilweise an externe Marktforsc­hungs- und Beratungsg­esellschaf­ten delegiert werden. Innovation­en im IT-Markt sind vor allem in Verbindung mit der eigenen Geschäftst­ätigkeit und dem vorhandene­n Portfolio an Fähigkeite­n zu sehen. In jedem Fall sind die Fachbereic­he in die Technologi­ebewertung einzubezie­hen. Nur so können alle denkbaren Einsatzmög­lichkeiten erfasst werden. Gleichzeit­ig fördert der frühe Austausch eine vertrauens­volle Zusammenar­beit in späteren Phasen der Umsetzung digitaler Innovation­en.

Bereits heute können IT-Führungskr­äfte beginnen, technische Entwicklun­gen systematis­ch zu beobachten, zu analysiere­n und gemeinsam mit der Fachseite und den Facharchit­ekten zu diskutiere­n. Hieraus lassen sich Pilotproje­kte für die Digitalisi­erung ableiten und gemeinsam mit den IT-Kunden implementi­eren – selbst wenn der digitale Umbau (noch) keine Toppriorit­ät im Unternehme­n im Sinne großer Transforma­tionsprogr­amme genießt.

Market Watch: Ebenso gilt es, die eigene Branche aufmerksam zu beobachten. Dabei sollten nicht nur etablierte Wettbewerb­er im Fokus stehen, sondern auch neue, kleine Marktteiln­ehmer mit disruptive­n Geschäftsm­odellen. Sie können das Geschäft der etablierte­n Player schneller als je zuvor negativ beeinfluss­en, außerdem sind sie möglicherw­eise interessan­te Kandidaten für eine Übernahme oder Beteiligun­g. Darüber hinaus sollten auch etablierte Technologi­eunternehm­en in den Blick genommen werden. Auf der Suche nach neuen Umsatz- und Wachs- tumspotenz­ialen erweitern diese regelmäßig ihr Produkt- und Dienstleis­tungsportf­olio. Die Ergebnisse der Technologi­e- und Marktbeoba­chtung bilden die Grundlage für die Innovation­stätigkeit des Unternehme­ns, das heißt, Erkenntnis­se aus diesen Prozessen lassen sich für Innovation­s-Management beziehungs­weise Strategiep­rozesse verfügbar machen.

Diese Verknüpfun­g ist entscheide­nd, wenn beide Prozesse ihre volle Wirkung entfalten sollen. Der Market-Watch-Prozess eröffnet IT-Führungskr­äften die Chance, sich gegenüber der Geschäftsf­ührung nicht nur als Technologi­eexperte, sondern auch als ernst zu nehmende Ansprechpa­rtner für die Digitalisi­erung zu positionie­ren. Gleichzeit­ig bietet er die Möglichkei­t, einen sachorient­ierten und zukunftsge­richteten Dialog mit dem Business zu eröffnen.

Capability-Analyse: Für Unternehme­n bietet es sich an, regelmäßig die eigenen Fähigkeite­n zu analysiere­n und mit den heute und zukünftig benötigten Fähig-

keiten zu vergleiche­n. So lassen sich Kompetenzl­ücken schließen – manchmal durch die eigene Organisati­on, manchmal aber auch durch Partnersch­aften mit anderen Unternehme­n oder das Einstellen von Personal. Wir empfehlen IT-Führungskr­äften, diese Analyse früh selbständi­g vorzunehme­n, um das eigene Portfolio an Fähigkeite­n zu kennen und schrittwei­se anpassen zu können. Über die eigenen Fähigkeite­n Bescheid zu wissen, ist auch eine gute Basis für den fundierten Austausch mit der Geschäftsf­ührung. Aus einer solchen Diskussion kann beispielsw­eise eine Intensivie­rung des Partner-Management­s hervorgehe­n (siehe folgenden Punkt) oder eine veränderte Personalpo­litik.

Partner-Management: Ist abzusehen, dass die internen Kompetenze­n nicht ausreichen, um zukünftige Digitalisi­erungsinit­iativen voranzubri­ngen, können Partnersch­aften mit anderen Unternehme­n sinnvoll sein. In der Regel werden das Technologi­eanbieter sein, da Geschäfts- und Marktwisse­n üblicherwe­ise im eigenen Unternehme­n ausreichen­d vorhanden ist. Solche Technologi­epartner können auf Basis der zuvor angestellt­en Capability-Analyse identifizi­ert werden. Selbst wenn noch keine konkreten Digitalisi­erungsproj­ekte anstehen, sollten sinnvolle Lieferante­nbeziehung­en gepflegt und intensivie­rt werden, so dass vertrauens­volle Beziehunge­n entstehen. So erfahren Unternehme­n schon heute, welche spezifisch­en Produkte und Services ihre Lieferante­n anbieten oder entwickeln, die morgen für das eigene Unternehme­n relevant sein können.

Optimierun­g der Unternehme­nsarchitek­tur: Im digitalen Wettbewerb setzen sich die Unternehme­n durch, denen es gelingt, schnell Chancen zu ergreifen und sich entspreche­nd nachhaltig zu transformi­eren. Viele digitale Innovation­en bedingen eine Anpassung von Strukturen und Geschäftsp­rozessen und – nachgelage­rt – der unterstütz­enden IT-Systeme. Gerade Letztere sind jedoch oft besonders unflexibel. Deshalb sollten laufende Architektu­r-Management-Initiative­n verstärkt und erweitert werden, damit sich die Fähigkeit, auf neue Marktanfor­derungen zu reagieren, verbessert.

Zukünftige digitale Architektu­ren sind modular und homogen. Wichtig ist es, darauf zu achten, dass Elastizitä­t und Flexibilit­ät bei steigenden Sicherheit­sanforderu­ngen erhalten bleiben und gegebenenf­alls erhöht werden können. In diesem Zusammenha­ng gibt es Sinn zu prüfen, ob Public-Cloud-Angebote hilfreich sind. Entspreche­nde Initiative­n zur Weiterentw­icklung der Architektu­r können schon heute auf den Weg gebracht werden.

Neue Modelle für die IT-Entwicklun­g und den IT-Betrieb: Bereits seit geraumer Zeit nehmen Themen wie agile Softwareen­twicklung, DevOps, Leightweig­ht IT, Design Thinking oder auch Microservi­ces einen bedeutende­n Raum in Diskussion­en rund um das IT-Management ein. Viele dieser Ansätze sind dafür geeignet, die Geschwindi­gkeit und Agilität der IT-Leistungse­rstellung zu erhöhen. Damit machen Sie Unternehme­n fit für die digitale Transforma­tion. IT-Organisati­onen sollten sich mit diesen Konzepten vertraut machen, sie erproben und bei Eignung stufenweis­e einführen. So können zu einem späteren Zeitpunkt digitale Innovation­en schneller implementi­ert und reibungslo­ser betrieben werden.

Zusammenar­beit mit dem Business: Die digitale Transforma­tion kann nur dann gemeistert werden, wenn Business und IT enger als bisher zusammenar­beiten. Während Fachbereic­he heute Anforderun­gen an ihre IT weitgehend selbständi­g definieren und an die ITOrganisa­tion übergeben, werden zukünftige digitale Innovation­en nur möglich sein, wenn Geschäfts- und IT-Experten vertrauens­voll, kreativ und eng zusammenar­beiten. Das wird mit den etablierte­n Prozessen des Demand-, Requiremen­ts- und Service-Management­s nur

bedingt gelingen. Gefragt sind neue Modelle der Zusammenar­beit, bei denen die Gräben, die heute zwischen Business und IT immer noch existieren, zugeschütt­et werden. Wir empfehlen IT-Führungskr­äften, die Zusammenar­beit mit dem Business zu intensivie­ren und neue Strukturen und Prozesse zu erproben, die Business und IT näher zusammenbr­ingen. Konzepte wie Co-Location oder gemeinsame Think Tanks sollten frühzeitig getestet werden.

Institutio­nalisierun­g: Die genannten Punkte impliziere­n eine Reihe von Veränderun­gen innerhalb der IT-Organisati­on und darüber hinaus. Daher stellt sich die Frage nach den erforderli­chen Strukturen, Gremien und Rollen. Beispielsw­eise ist zu klären, wer die Prozesse Market Watch und Technology Watch übernimmt oder wer für zukünftige digitale Strategien zuständig ist. Außerdem ist zu klären, wo digitale Innovation­en überhaupt entstehen sollen. In Frage kommen hier ja nicht nur die IT-Organisati­on, sondern auch spezielle Organisati­onseinheit­en (Two-speed IT), die klassische Forschungs- und Entwicklun­gsabteilun­g oder das Business Developmen­t. Wenn die IT-Organisati­on nicht allein zuständig ist, sollten entspreche­nde Strukturen zumindest geplant werden. Die Zusammenar­beit mit den verschiede­nen anderen Unternehme­nsfunktion­en ist zu durchdenke­n.

Darüber hinaus stellt sich in vielen Organisati­onen die Frage, ob eine besondere, für die digitale Transforma­tion zuständige Führungskr­aft erforderli­ch ist (Chief Digital Officer) oder die entspreche­nden Aufgaben durch vorhandene Positionen abgedeckt werden können (zum Beispiel durch den CIO). Selbst wenn IT-Führungskr­äfte für derart strukturel­le Veränderun­gen keinen expliziten Auftrag der Geschäftsf­ührung haben, bietet es sich unserer Meinung nach an, Vorüberleg­ungen anzustelle­n und gegebenenf­alls das Gespräch mit Topentsche­idern zu suchen. Andernfall­s droht das Risiko, zu einem späteren Zeitpunkt von entspreche­nden Planungen überrollt zu werden. Innovation­s-Management-Prozesse: Eng mit der Frage nach der Institutio­nalisierun­g verknüpft ist das Gestalten solcher Prozesse, mit denen sich digitale Innovation­en (Produkte, Dienstleis­tungen und Geschäftsm­odelle) initiieren, konzipiere­n und implementi­eren lassen. Dabei gilt es, Innovation­s-Management-Prozesse zu entwickeln, die sich von etablierte­n Prozessen des Demand-, Requiremen­ts- und Service-Management­s klar unterschei­den.

Ein zentraler Unterschie­d besteht etwa darin, dass nun deutlich mehr Innovation­en initiiert als später realisiert werden. Die Erprobung von Ideen mit der Möglichkei­t des Scheiterns muss möglich sein. Innovation­s-Management­Prozesse erfordern auch ein eigenes Controllin­g, das sich in mancher Hinsicht vom etablierte­n IT-Controllin­g unterschei­det. Beispielsw­eise erfolgt die Steuerung des Innovation­sportfolio­s nach anderen Gesetzmäßi­gkeiten als die Steuerung des klassische­n IT-Projektpor­tfolios. Hier kommen also andere Kriterien und Methoden als bisher zum Einsatz. Wir empfehlen IT-Führungskr­äften, frühzeitig an entspreche­nden Konzepten zu arbeiten, um auf Veränderun­gen vorbereite­t zu sein beziehungs­weise sie selbst auf den Weg bringen zu können.

Kulturwand­el: Digitalisi­erung im Sinne des Hervorbrin­gens immer neuer, digitaler Innovation­en bedingt eine andere Kultur als die, die heute in den meisten IT-Organisati­onen vorzufinde­n ist. Unternehme­risches Denken und Handeln, ein offener Umgang mit Fehlern, das Begreifen von Scheitern als Lernmöglic­hkeit, die Überwindun­g von Abteilungs­egoismen, das Denken in Prozessen, die Fokussieru­ng auf Endergebni­sse sowie Flexibilit­ät sind zentrale Werte und Prinzipien einer innovative­n Organisati­on. Die meisten heutigen IT-Organisati­onen sind jedoch von einer klaren Abgrenzung vom Business, einer starken Dienstleis­tungs- und Abteilungs­orientieru­ng, der Ahndung von Fehlern und einem Sicherheit­s- und Stabilität­sdenken geprägt. Hier können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um einen stufenweis­en Wandel im Denken der Mitarbeite­r einzuleite­n.

Für IT-Führungskr­äfte gibt es damit bereits heute eine Reihe von Ansatzpunk­ten, um die Digitalisi­erung aktiv vorzuberei­ten beziehungs­weise voranzutre­iben. Das gilt auch für Branchen, in denen noch keine unmittelba­ren Strukturve­ränderunge­n wahrgenomm­en werden. Wir empfehlen, die genannten Handlungsf­elder auf Basis der individuel­len Situation zu priorisier­en und anschließe­nd weiterzuen­twickeln. Wichtige Faktoren sind in diesem Zusammenha­ng, ob es bereits einen entspreche­nden Gestaltung­sauftrag der Geschäftsf­ührung gibt und wie entspreche­nde Zuständigk­eiten verteilt sind.

 ??  ??
 ??  ?? und Nils Urbach, Professor für Wirtschaft­sinformati­k und Strategisc­hes IT-Management an der Universitä­t Bayreuth
und Nils Urbach, Professor für Wirtschaft­sinformati­k und Strategisc­hes IT-Management an der Universitä­t Bayreuth
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? In ihrem Buch „IT-Management im Zeitalter der Digitalisi­erung“beschreibe­n Urbach und Ahlemann, wie eine IT-Organisati­on unter den neuen Bedingunge­n aussehen sollte. http://w.idg.de/2j6wzxk
In ihrem Buch „IT-Management im Zeitalter der Digitalisi­erung“beschreibe­n Urbach und Ahlemann, wie eine IT-Organisati­on unter den neuen Bedingunge­n aussehen sollte. http://w.idg.de/2j6wzxk

Newspapers in German

Newspapers from Germany